Dracula. Брэм Стокер. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Брэм Стокер
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990429167
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ersten schwachen Anzeichen der Morgendämmerung. Es lag eine beklemmende Ruhe über allen Dingen; doch als ich mich stärker konzentrierte, erschien es mir, als hörte ich im Tal das Heulen vieler Wölfe. Der Graf sagte mit glänzenden Augen:

         „Hören Sie zu – das sind die Kinder der Nacht. Welche Musik sie machen!“ Mein Gesichtsausdruck schien ihm vermutlich seltsam, und so fügte er rasch hinzu:

         „Ja, mein Herr, Ihr Städter seid eben nicht in der Lage, die Gefühle eines Jägers zu empfinden.“ Dann stand er auf und sagte:

         „Sie werden schon müde sein. Ihr Schlafzimmer ist bereit, und morgen können Sie so lange schlafen, wie sie wollen. Ich habe bis zum Abend zu tun; also schlafen und träumen Sie gut.“ Mit einer höflichen Verbeugung öffnete er mir die Türe zu dem achteckigen Zimmer, und ich trat in meine Schlafräumlichkeit.

         Ich bade in einem Meer aus Wundern. Ich zweifle; ich fürchte; ich denke an seltsame Dinge, die ich meiner Seele gar nicht zutraue. Gott beschütze mich, und sei es auch nur um derer willen, die mir lieb sind.

      7. Mai. – Es ist wieder früher Morgen, aber ich habe die vorigen vierundzwanzig Stunden ausgeruht, und es mir gut gehen lassen. Ich schlief bis spät in den Tag hinein und erwachte von selbst. Als ich mich angekleidet hatte, begab ich mich in das Zimmer, wo ich zu Abend gegessen hatte und fand dort ein kaltes Frühstück für mich bereit. Der Kaffee war in einer Kanne auf dem Kamin heiß gestellt. Auf dem Tisch lag eine Karte, auf der stand:

         „Ich muss leider noch einige Zeit fern bleiben. Warten Sie nicht auf mich. – D.“

         So setzte ich mich und ließ mir die herzliche Mahlzeit schmecken. Als ich fertig war, suchte ich nach einer Glocke, um von der Dienerschaft abräumen zu lassen, doch ich konnte nirgends eine finden. Das war insofern merkwürdig in einem solchen Haus, das nach allem, was mich umgab, den Eindruck des größten Reichtums erweckte. Das Geschirr ist aus Gold und so wunderschön gefertigt, dass es einen unermesslichen Wert besitzen muss. Die Vorhänge und die Bezüge der Stühle und Sofas und die Behänge meines Bettes sind aus den kostbarsten Stoffen und müssen schon in der Zeit, wo sie angefertigt wurden, einen stolzen Preis gekostet haben. Sie sind Jahrhunderte alt, dabei vorzüglich erhalten. Ich habe solche Dinge ja auch in Hampton Court gesehen, aber da waren sie zerrissen, abgenützt und von Motten zerfressen. Aber in keinem der Zimmer befindet sich ein Spiegel. Es gibt nicht einmal einen Toilettenspiegel auf meinem Tisch, sodass ich meinen kleinen Handspiegel aus dem Koffer nehmen musste, um mich überhaupt rasieren und frisieren zu können. Ich habe bisher keinen Bediensteten gesehen oder etwas gehört außer dem Heulen der Wölfe. Nachdem ich mein Mahl beendet hatte – ich weiß nicht, ob ich es Frühstück oder Dinner nennen soll, denn es war zwischen fünf und sechs Uhr, als ich es zu mir nahm – suchte ich nach etwas Lesbarem, denn ich wollte nicht ohne die Erlaubnis des Grafen durch das Schloss gehen. Es war absolut nichts in diesem Zimmer: Keine Bücher, keine Zeitungen und sogar Schreibzeug fehlte; deshalb öffnete ich eine Türe des Raumes und fand eine Art Bibliothek. Die Tür gegenüber meinem Schlafzimmer probierte ich auch zu öffnen, doch sie war verschlossen.

         In der Bibliothek fand ich zu meiner größten Freude eine reiche Auswahl englischer Bücher, ganze Schränke voll davon, sowie gebundene Jahrgänge von Zeitschriften und Zeitungen. Lose Exemplare davon lagen auf einem Tisch, der in der Mitte des Raumes stand – keines aber war jüngeren Datums. Die Bücher waren unterschiedlichster Art – Geschichte, Geographie, Politik, Volkswirtschaftslehre, Botanik, Geologie, Rechtswissenschaften – alles über England, über englisches Leben, die Sitten und Gepflogenheiten. Es waren sogar Nachschlagewerke vorhanden wie das Adressbuch von London, das „Rote“ und das „Blaue“ Buch, Whitakers Almanach, die Armee-, Marine- und – es erfreute mein Herz dabei – sogar die Juristen-Rangliste.

         Während ich so in den Büchern herumstöberte, öffnete sich die Türe und der Graf trat ein. Er begrüßte mich herzlich und erkundigte sich, wie ich geschlafen hätte. Dann fuhr er fort:

         „Es freut mich, dass Sie sich hier eingefunden haben, denn ich bin sicher, dass Sie viel Interessantes vorfinden werden. Die Freunde hier“ – und er legte seine Hand auf einige der Bücher – „sind mir gute Freunde geworden. Sie haben mir schon seit Jahren, als ich den Entschluss fasste, nach England zu gehen, viele, viele freudige Stunden bereitet. Durch sie habe ich Ihr berühmtes England kennen gelernt; und es zu kennen, heißt, es auch zu lieben. Ich sehne mich danach, die übervollen Straßen Ihres mächtigen London zu durchschreiten, mitten im Wirbel und Taumel der Menschen. Ich möchte teilhaben an ihrem Leben, ihren Schicksalen, ihrem Streben und an all dem, was London zu dem macht, was es ist. Aber leider kenne ich Ihre Sprache nur aus Büchern. Sie, mein Freund, werden sagen, ob ich sie spreche.“

         „Aber, Graf“, sagte ich, „Sie kennen und beherrschen die englische Sprache durchaus.“ Er verbeugte sich mit ernstem Gesicht.

         „Ich danke Ihnen, mein Freund, für Ihre schmeichelhafte Wertschätzung. Aber ich fürchte trotzdem, dass ich erst ein kleines Stück auf dem Wege vorangekommen, den ich ganz zu durchschreiten gedenke. Vollkommen richtig, ich kenne die Grammatik und die Vokabeln, aber ich weiß sie doch nicht zu verwenden.“

         „Aber“, wiederholte ich, „Sie sprechen exzellent.“

         „Nicht, wie ich es möchte“, antwortete er. „Denn ich weiß sehr wohl, wenn ich in Ihr London übersiedle und spreche, dass es keinen gibt, der mich nicht sofort für einen Fremden hielte. Das ist mir eben nicht genug. Hier bin ich ein Adeliger; ein Bojar; die meisten Leute kennen mich, und ich bin ihr Herr. Aber ein Fremder in einem fremden Land ist gar nichts; Menschen würden ihn nicht kennen – und einen nicht kennen, heißt, sich nicht um ihn zu kümmern. Ich bin zufrieden, wenn ich mich von der Allgemeinheit nicht unterscheide, dass niemand stehen bleibt, wenn er mich sieht oder seine Rede unterbricht, weil er meine Stimme hört und sagt: ‚Ah! Ein Ausländer!’ Ich bin so lange Gebieter gewesen, dass ich auch einer bleiben möchte – zumindest will ich nicht, dass jemand über mich herrscht. Sie kommen nicht nur zu mir als Vertreter meines Freundes Peter Hawkins aus Exeter, um mir zu berichten, wie es um meine neue Liegenschaft in London bestellt ist. Sie werden, so hoffe ich, eine Zeit lang hier bleiben, damit ich aus unseren Gesprächen die englische Betonung erlerne; und ich würde mir von Ihnen wünschen, dass Sie mich aufmerksam machen, wenn ich einem Sprachfehler unterliege, und sei es auch nur der kleinste. Es tut mir leid, dass ich heute so lange wegbleiben musste; aber Sie werden jemandem verzeihen, der wichtige Geschäfte verantwortet.“

         Natürlich sagte ich ihm, dass ich gerne alles tun werde, was in meinen Kräften stünde, und fragte ihn, ob ich dieses Zimmer jederzeit betreten dürfe, wenn ich es wolle. Er antwortete: „Ja, gewiss“, und fügte hinzu:

         „Sie können im Schloss herum gehen, wo Sie wollen, außer dahin, wo die Türen verschlossen sind. Aber da wollen Sie ja ohnedies nicht hinein. Es hat seinen Sinn, dass alles so ist, wie es ist, und könnten Sie mit meinen Augen sehen und hätten meine Erfahrungen, so würden Sie mich noch besser verstehen.“ Ich sagte ihm, dass das selbstverständlich sei. Er fuhr fort mit den Worten:

      „Wir sind in Transsylvanien; und Transsylvanien ist nicht England. Unsere Wege sind nicht die Ihrigen. Und manches möchte Ihnen sonderbar erscheinen. Nach allem, was Sie gehört haben, wissen Sie ohnehin, dass sich hier seltsame Dinge abspielen.“

         Dies führte uns zu einer ausgedehnten Konversation; und da ich bemerkte, dass er nur allzu gerne plauderte, und sei es nur des Sprechens wegen, so stellte ich ihm viele Fragen, die Dinge betrafen, die ich bislang erlebt oder erfahren hatte. Manchmal lenkte er vom Gespräch ab, oder er unterbrach es, und gab vor, nicht genau verstanden zu haben; aber im Allgemeinen antwortete er mir offen auf alle gestellten Fragen. Als dann die Zeit vorrückte, und ich etwas kecker wurde, fragte ich ihn über einige der kuriosen Dinge der vergangenen Nacht. So etwa, warum der Kutscher den blauen Lichtern nachgegangen war? Ob es wirklich wahr wäre, dass sie verstecktes Gold anzeigten? Er erklärte mir, dass allgemein der Glaube verbreitet sei, dass in einer bestimmten Nacht des Jahres – tatsächlich war es gerade die vergangene Nacht, in der alle bösen Geister freie Bahn haben sollten – blaue Flammen sich an den Plätzen zeigen, wo ein verborgener Schatz liege. „Solche Schätze liegen vergraben“, fuhr er fort, „bezüglich