OPERATION ISKARIOT (Die Ritter des Vatikan 3). Rick Jones. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rick Jones
Издательство: Bookwire
Серия: Die Ritter des Vatikan
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353022
Скачать книгу
einwirken zu können. Befehlsgewalt hin oder her, ihm war schnell klar geworden, wo seine Fähigkeiten aufhörten, und dass Tote auferstehen zu lassen, nicht zu seinen Stärken zählte. Diese qualvolle Lehre hatte ihn auf den Status eines Normalsterblichen mit empfindlichen Schwächen zurückgeworfen.

      Als Mensch mit unbeirrbaren Überzeugungen hatte er den Schmerz infolge des Verlusts seiner Tochter aber durch die Verdrängung von Schuldgefühlen gelindert und sich schließlich, ohne an Macht einzubüßen aufgerafft, bis er wieder ein politischer Halbgott gewesen war, der andere unterdrücken konnte, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen.

      Bis jetzt zumindest.

      Der alte Mann schloss die Augen erneut und fuhr seinem Enkel zärtlich mit einer Hand über den Rücken.

      Dann zwang er sich, gefasster zu wirken als er sich fühlte, und zog das Kind wieder an sich, um ihn wissen zu lassen, dass ihm seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit zuteilwurde. »Markie, ich möchte, dass du mir zuhörst, und zwar ganz genau. Hast du mich verstanden?«

      Der Kleine nickte.

      »Du musst dir dringend ein Versteck suchen«, verlangte Cartwright von ihm. »Ich will, dass du dich vor den Blitzen versteckst und vor dem Donner auch. Und egal was passiert, egal, was du siehst oder hörst: Verlass dein Versteck auf keinen Fall, ist das klar?«

      »Großpapa …«

      »Ist das klar, Markie?«

      »Ja.« Der Junge fürchtete sich sichtlich, was den Senator dazu bewog, ihn noch einmal kräftig zu umarmen.

      »Ich liebe dich, Markie. Vergiss das niemals. Ich liebe dich mehr als das Leben selbst.« Daraufhin entzog er sich dem Jungen und betrachtete seinen Enkel noch ein letztes Mal, während er ihn mit ausgestreckten Armen festhielt und sich fragte, was für ein Mann wohl aus ihm hätte werden können, wenn er verschont geblieben wäre.

      Plötzlich hörte er ein Geräusch an der Tür – ein leises Klacken, als der Riegel zurückschnappte – dann eine Bewegung am Türknauf. Er drehte sich langsam im Dunkeln um.

      Der Senator stieß das Kind jetzt sanft an, damit es in die finsterste Ecke des Zimmers ging. »Schnell, Markie. Versteck dich. Und nicht wieder rauskommen!«

      Während der Junge in den schattigsten Winkel des Raums lief, stand Cartwright beschwerlich auf, wobei seine steifen Kniegelenke wie zum Protest knackten, und wartete mit trotzig vorgeschobenem Kinn auf die Männer.

      Im selben Moment, als die Tür nach innen aufging, erhellte ein weiterer Blitz das gesamte Zimmer. Im staccatoartigen Geflacker konnte man erkennen, dass niemand im Flur stand.

      Der Senator schluckte schwer; sein Hals war trocken wie altes Pergamentpapier.

      Nun sagte er mit zitteriger Stimme, die einem beherrschten Ratsmitglied nicht gerecht wurde: »Zeigt euch.«

      Beim zweiten Wort blitzte es wie auf Kommando noch einmal, und das gleißende Licht gab die Acht endlich preis.

      Die Meistersoldaten verharrten regungslos vor Cartwright wie antike Statuen.

      Es waren acht Elitekämpfer, jeder äußerlich unverkennbar und mit sehr speziellen Fertigkeiten ausgestattet. Gemeinsam stellten sie ein Mordkommando dar, dass Senatoren und Stabschefs in erster Linie als die Force Elite kannten.

      Sie hatten sich bereits im Zimmer verteilt. Einer sah aus wie der andere; wächserne Gesichter mit vollkommen gefühlskalten Augen.

      Keiner bewegte sich.

      Keiner sagte etwas.

      Ihre Militäruniformen waren schwarz, und sie trugen matt glänzende Stiefel und schwarze Barette mit dem Symbol der Gruppe. Einem grinsenden Totenschädel mit zwei wie Knochen überkreuzten Tantō-Messern.

       Meine Kinder …

      Als weitere Blitze ausblieben, wurden die Acht plötzlich eins mit der Finsternis.

      »Wie könnt ihr mir das nur antun?« Der Senator trat einen Schritt zurück, was wohl seinem Selbsterhaltungstrieb geschuldet war. »Ich habe euch erschaffen! Euch alle

      Draußen donnerte es kurz laut, und die darauffolgende, unbehagliche Stille schien eine kleine Ewigkeit zu dauern.

      Schließlich fügte Cartwright wie ein Politiker mit allumfassender Macht hinzu: »Ich verlange sofort, dass ihr mir antwortet!«

      Die Lamellen der Fensterläden dämpften das Licht kaum, als es abermals blitzte, und es wurde erneut blendend hell im Zimmer. In dieser Sekunde blickte der Senator ins Antlitz seines Mörders, der nur wenige Zoll vor ihm stand – er spürte den flachen Atem des Mannes auf seiner Haut und bemerkte sofort, wie ausdruckslos dieser ihn anschaute.

      Er hatte weder gehört, wie der Mann nähergekommen war, noch wie die übrigen den Raum verlassen hatten.

      Er stand seinem Mörder nun ganz allein gegenüber.

      »Wo sind denn die anderen hin?«, rang er sich ab und schaute sich panisch um. Waren die Acht wirklich imstande, sich so schnell und leise zu bewegen, dass sie keine Hinweise darauf hinterließen, überhaupt je dagewesen zu sein?

      »Sie kennen die Verordnung«, erwiderte der Mörder schlicht. »Die anderen suchen gerade das Anwesen ab. Niemand darf zurückgelassen werden.«

      »Dann dürften sie enttäuscht sein«, gab Cartwright zurück, »denn außer mir ist niemand hier.«

      »Doch, ein Junge. Fünf Jahre alt.« Der Mörder äußerte dies so dermaßen gleichgültig und empfindungslos, dass der Senator genau wusste, dass sie ihre Mission absolut unparteiisch und pflichtbewusst ausführen und alle töten würden, die zu exekutieren sie beauftragt worden waren, sogar ein unschuldiges Kind.

      »Mein Enkelsohn ist aber nicht hier«, behauptete Cartwright hastig.

      Noch ein Blitz. In der vorübergehenden Helligkeit konnte er einen weiteren Blick auf das Gesicht des Mannes erhaschen, in dem sich nichts als Gleichgültigkeit lesen ließ. Er sah jung aus mit seinen ebenmäßigen Zügen und der straffen Haut, die sich über seine spitzen Wangenknochen und eine sogar noch markantere Kieferpartie zu spannen schien. Er war bestimmt zwei Meter groß, und seine Figur wies ihn als Gewichtheber aus, der viele Stunden Training dafür aufgebracht hatte, seine Arme, Brust und Schultern zu stählen. Außerdem galt er unter einer Reihe von Killern als Wunderkind und war der Jüngste in seiner Gruppe.

      »Bitte«, flüsterte Cartwright nun. »Ich habe dich erschaffen. Ich habe dein ganzes Team erschaffen. Ohne mich wäre die Force Elite gar nichts.«

      Im Dunkeln hörte er, wie der Mann langsam ein Kampfmesser aus der Scheide zog.

      »Sie haben sich leider zu weit aus dem Fenster gelehnt, Senator.«

      »Ich habe ein Monster geschaffen, und jetzt bringt es mich um!«

      »Ich führe lediglich die Befehle eines Ranghöheren aus. Das wissen Sie … und Sie kennen auch den Grund dafür.«

      Cartwright wich zurück, und streckte seine Hände flehentlich nach vorn aus. »Bitte tut meinem Enkelsohn nichts«, bat er mit ernster Stimme. »Ich verlange nichts weiter von euch, als ihn zu verschonen.«

      »Würde ich dies tun, wäre es eine Pflichtunterlassung.«

      »Er ist doch gerade mal fünf Jahre alt, verdammt!«

      »Und außerdem eine Bedrohung, die es auszumerzen gilt.«

      Erneut flammte ein Blitz auf. In einer seiner Hände hielt der Mörder ein KA-BAR-Messer dessen Klinge auf der einen Seite glatt und auf der anderen gezackt war.

      »Ich habe dich einst entdeckt. Ich habe dich zu dem gemacht, was du heute bist«, sagte der Senator. »Willst du wirklich denjenigen umbringen, der dich zum Kopf der Acht ernannt hat, zum Anführer der Force Elite?«

      Der Einbrecher entgegnete darauf nichts. Er rückte lediglich mit hochgehaltener Waffe näher, bereit zum Zustechen, Aufschlitzen und zum Töten.