Katze, was schnurrst du. Elfriede Ott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elfriede Ott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902862914
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und schon von Weitem zu rufen und zu gurren. In ihr ist ein kompletter Mutterschaftsfanatismus ausgebrochen.

      Aber nach etwa sechs Wochen entspringt sie leise und elegant dem Katzennest und verschwindet in der Frühlingsnacht, während in der Ferne der raue Katerbariton lockt. Am Morgen kehrt sie mit großen grünen Augen wieder und leckt sich das zerzauste Fell. Kommt dann ein Kätzchen, um sich vollzusaugen oder mit Mutters Schweifchen zu spielen, erhält es ein Kopfstück, das es umwirft, worauf es sich rollend, grollend und enttäuscht verzieht.

      Komm zu mir, Kätzchen, und höre: Das ist der Lauf der Welt. Das ist das Ende deiner Kindheit, es wird Zeit, dir ein Plätzchen zu verschaffen.

      Mit dem Rücken zu ihren Jungen, glatt geleckt, blickt die Katze zum Fenster hinaus. Sie lauscht offenbar der Stimme des Etwas, die spricht: »Du musst hinaus, du musst diese Nacht hinaus, denn er kommt!«

      Brächte ich ihr nach vierzehn Tagen eines ihrer Jungen, würde sie es feindselig wie eine Schlange anzischen.

       Die unsterbliche Katze

      Am Anfang dieser Geschichte von einer Katze steht – mit der Inkonsequenz, die für die Wirklichkeit bezeichnend ist –, ein Kater und zwar ein geschenkter.

      Jedes Geschenk hat etwas Übernatürliches. Jedes ist gleichsam aus einer anderen Welt, fällt vom Himmel, dringt ohne Rücksicht mit dem Elan eines Meteoriten auf uns und in unser Leben ein. Besonders dann, wenn es sich um einen geschenkten Kater mit blauem Bändchen handelt.

      So wurde er denn auf den Namen Philipp getauft. Infolge seiner unterschiedlichen moralischen Qualitäten nannten wir ihn dann auch Kujon oder Lumpi. Er war ein Angorakater, aber zausig und rostfarben wie irgendeine Miez aus unseren Landen.

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      Eines Tages fiel Philipp – im Zuge einer Expedition – vom Balkon einer Frauenperson auf den Kopf. Diese fühlte sich dadurch teils gekratzt, teils tief beleidigt und erhob gegen meinen Kater Anklage. Er sei ein gefährliches Tier, das vom Balkon ahnungslosen Passanten auf den Kopf springt. Ich konnte zwar die Unschuld meines seraphischen Tierchens beweisen, doch drei Tage später tat es seinen letzten Atemzug. Arsen und menschliche Bosheit hatten es dahingerafft.

      Als ich eben mit seltsam verschleierten Augen beobachtete, wie seine Glieder sich in letzten Zuckungen streckten, vernahm ich von der Eingangstüre her ein klägliches Miauen. Dort stand zitternd ein verirrtes, schmutziges Kätzchen, das abgemagert war wie ein Fakir und dreinsah wie ein verlorenes Kind. Nun, komm her, Miez! Vielleicht ist es ein Fingerzeig Gottes, der Wille des Geschickes, ein geheimnisvoller Wink oder wie man es sonst nennen mag, wenn man guten Willens und traurig ist. Am ehesten meine ich, dass mein Katerchen Philipp in der Sekunde seines Hinscheidens Ersatz geschickt hat.

      Das war also das Entrée der Katze, die wegen ihrer Bescheidenheit den Namen »Daisy« – Gänseblümchen – erhielt. Wie Sie merken, kam sie aus dem Unbekannten, aber ich lege Zeugnis dafür ab, dass sie sich auf ihren geheimnisvollen oder gar übernatürlichen Ursprung nichts zugutetat. Im Gegenteil! Sie benahm sich wie jede sterbliche Katze. Sie trank Milch, stahl Fleisch, schlief auf meinem Schoß und trieb sich nächtens herum.

      Als ihre Zeit kam, warf sie fünf Junge. Eines war rotbraun, eines schwarz, das dritte dreifärbig, das vierte dunkelgrau und das letzte gar ein Angora.

      Aha, da haben wir es!

      Ich begann, alle Bekannten zu stellen: »Hören Sie«, sagte ich großartig: »ich habe für Sie ein fantastisches Kätzchen!« Einige von ihnen wanden sich heraus – wahrscheinlich aus übermäßiger Bescheidenheit –, sie möchten wohl, können aber leider nicht und was dergleichen Ausreden mehr sind. Andere wieder waren so verblüfft, dass sie kein Wort herausbrachten, worauf ich ihnen schnell die Hand drückte und erklärte, die Sache sei demnach abgemacht. Das Katzenjunge würde ich ihnen beizeiten zustellen lassen. Und schon jagte ich dem nächsten zukünftigen Katzenbesitzer nach.

      Es gibt wohl nichts Schöneres als so eine Katzenmutterschaft. Man sollte sich eine Katze schon wegen ihrer Jungen anschaffen. Sechs Wochen später allerdings ließ Daisy ihre Kätzchen Katzen sein und wollte den heiseren Bariton des Katers von Nachbars Villa aus nächster Nähe genießen.

      Nach dreiundfünfzig Tagen entledigte sie sich junger Katzen, sechs an der Zahl. Nach Jahr und Tag waren es insgesamt siebzehn. Ich glaube, dass der Mann, der den Ausdruck »fruchtbar wie ein Kaninchen« prägte, meine Daisy nicht gekannt haben kann.

      Immer hatte ich gedacht, der Teufel hol’s, ich hätte weiß Gott wie viele Bekannte. Doch seit der Zeit, da sich Daisy mit der Katzenfabrikation befasst, erkenne ich, dass ich im Leben alleinstehe. Dass ich zum Beispiel niemanden habe, dem ich das sechsundzwanzigste Junge anbieten könnte.

      Wenn ich mich jemandem vorstelle, murmle ich meinen Namen und dann: »Möchten Sie vielleicht ein Kätzchen?« »Was für ein Kätzchen?«, fragen die Leute erstaunt. »Das weiß ich noch nicht«, antworte ich, »ich weiß nur, dass ich demnächst wieder welche bekomme.«

      Bald hatte ich den Eindruck, dass mich die Leute meiden. Vielleicht war der Neid die Ursache, weil ich so viel Glück mit Katzenjungen hatte.

      Nach Brehm haben Katzen zweimal im Jahr Junge. Daisy kam hohnlächelnd drei- bis viermal jährlich nieder und das ohne Rücksicht auf die Jahreszeit. Sie war eben eine übernatürliche Katze. Offenbar war ihr die Bestimmung auferlegt, den vergifteten Kater zu rächen und hundertfach zu ersetzen.

      Nach drei Jahren fruchtbarer Tätigkeit ging Daisy plötzlich ein. Dies war die Folge eines schweren Hiebes, den ihr irgendein Hausmeister unter dem unwürdigen Vorwand versetzt hatte, sie wäre in seine Speisekammer eingedrungen und hätte dort eine Gans gefressen.

      An dem Tag, da Daisy dahinschwand, kehrte ihre jüngste Tochter zu uns zurück, die ich meinem Nachbarn angehängt hatte. Sie blieb unter dem Namen Daisy II, dies in gerader Nachfolge ihrer verblichenen Mutter. Sie folgte geradezu vorbildlich nach. Als sie noch ein Katzenjüngferlein sein sollte, ging sie auf wie Kuchenteig und schenkte der Welt alsbald vier Junge. Eines schwarz, eines ziegelrot, eines gesprenkelt wie eine Pferdebohne und das vierte mit dem Schimmer durch Waschblau gezogener Betttücher.

      Daisy II warf dreimal jährlich mit der Präzision eines Naturgesetzes. Innerhalb von dreißig Monaten bereicherte sie die Fauna unserer Stadt durch einundzwanzig Katzen aller Farben und Rassen, die von der Insel Man ausgenommen, denn dort kommen die Katzen schwanzlos zur Welt.

      Das einundzwanzigste Junge brachte mich in größte Verlegenheit: Ich konnte keinen Abnehmer dafür finden. Eben hatte ich mich entschlossen, die Aufnahme in eine Freimaurerloge anzustreben, die mir einen neuen Bekanntenkreis erschließen sollte, als Nachbars Rolf Daisy II zu Tode biss. Wir trugen sie ins Haus und legten sie auf ein Bett. Ihre Kinnladen zuckten noch. Dann hörte das Zucken auf und schon entsprangen ihrem dichten Fell Brigaden von Flöhen. Das ist das untrügliche Zeichen des eingetretenen Katzentodes.

      Das hinterbliebene Kätzchen wurde mit dem Namen »Daisy III« begabt und warf vier Monate später fünf Junge. Seit dieser Zeit erfüllt sie ihre Mission gewissenhaft in Intervallen von fünfzehn Wochen. Sie versäumte nur einen Termin: Während der heurigen Sommerfröste. Ich verzeihe ihr.

      Man würde gar nicht glauben, dass sie eine so große, unsterbliche Aufgabe hat. Sie sieht aus wie eine gewöhnliche dreifarbige Hausmiez, die den ganzen Tag auf dem Schoß des Familienpatriarchen schläft – oder auf dessen Bett –, einen ausgeprägten Sinn für persönliche Bequemlichkeit hat, gegen Mensch und Tier gesundes Misstrauen hegt und, wenn es darauf ankommt, ihre Interessen und ihre angestammten Rechte mit Zahn und Kralle zu verteidigen weiß.