Und gleichzeitig sank die Fruchtbarkeit des Bodens. Die Stallfütterung war wenig entwickelt, und sie mußte unter der Sklavenwirtschaft noch abnehmen, da diese schlechte Behandlung des Viehes mit sich brachte. Ohne Stallfütterung gab es aber keinen Dünger. Ohne viele Düngung und ohne intensive Bestellung wurde dem Boden eben entnommen, was er liefern wollte. Nur auf den besten Böden lieferte diese Art Anbau lohnende Erträge. Die Menge solcher Böden wurde aber immer kleiner, je länger die Bebauung währte, je länger der Boden ausgesogen wurde.
Etwas Ähnliches haben wir noch im neunzehnten Jahrhundert in Amerika gesehen, wo unter der Sklavenwirtschaft in den Südstaaten der Boden ebenfalls nicht gedüngt und daher rasch erschöpft wurde, indes gleichzeitig die Anwendung von Sklaven bloß auf den besten Böden profitabel war. Die Sklavenwirtschach konnte sich dort nur dadurch halten, daß sie immer weiter nach Westen vordrang und immer wieder neues Land in Angriff nahm, den ausgesogenen Boden verödet hinter sich lassend. Das gleiche finden wir im römischen Reiche, und das war auch eine der Ursachen des steten Landhungers seiner Herren und ihres Strebens, durch Kriege neuen Boden zu erobern. Schon im Anfang der Kaiserzeit waren Süditalien, Sizilien, Griechenland verödet.
Aussaugung des Bodens und wachsender Mangel an Arbeitskräften, dabei deren irrationelle Anwendung – das konnte nichts anderes ergeben als stetiges Abnehmen der Bodenerträge.
Gleichzeitig sank aber auch das Vermögen des Landes, Lebensmittel aus dem Auslande zu kaufen. Gold und Silber wurden immer rarer. Denn die Bergwerke versiegten wegen Mangels an Arbeitskräften, wie wir gesehen. Von dem vorhandenen Gold und Silber floß aber immer mehr ab ins Ausland, teils nach Indien und Arabien zur Erkaufung von Luxusmitteln für die übrigbleibenden Reichen, namentlich aber zur Bezahlung der barbarischen Nachbarvölker. Wir haben ja gesehen, daß die Soldaten immer mehr aus diesen rekrutiert wurden; immer mehr stieg die Zahl derjenigen unter ihnen, die ihren Sold, oder doch alles, was ihnen schließlich am Ende ihrer Dienstzeit davon blieb, mit sich ins Ausland nahmen. Je mehr die Wehrkraft des Reiches verfiel, desto mehr versuchte man aber auch, die gefährlichen Nachbarn zu beschwichtigen und bei guter Laune zu erhalten, was durch Zahlung reicher Tribute am ehesten erreicht wurde. Wo das nicht gelang, da brachen die feindlichen Scharen nur zu oft in das Reichsgebiet ein, um es zu plündern. Auch das entführte ihm wieder einen Teil seines Reichtums.
Dessen letzter Rest wurde endlich verpulvert durch das Streben, ihn zu schützen. Je mehr die Wehrkraft der Bewohner des Reiches verfiel, je seltener die Rekruten des Inlandes wurden, je mehr man solche jenseits der Grenzen holen mußte und je stärker der Andrang der feindlichen Barbaren wurde, je mehr also die Nachfrage nach Söldnern wuchs, indes ihr Angebot abnahm, desto höher stieg der Sold, den man ihnen zahlen mußte.
„Er betrug seit Cäsar jährlich 225 Denare (196 Mark) und außerdem erhielt der Mann monatlich zwei Drittel Medinnen (der Medinnus = 54 Liter) Getreide, das sind vier Modien, später erhielt er sogar fünf Modien. Ein Sklave, der nur von Getreide lebte, erhielt monatlich ebensoviel. Bei der Mäßigkeit des Südländers war mit dem Getreide also der größte Teil des Nahrungsbedürfnisses zu bestreiten. Domitian erhöhte den Sold auf 300 Denare (261 Mark). Unter den späteren Kaisern wurden auch noch die Waffen unentgeltlich geliefert. Septimius Severus und später Caracalla haben den Sold noch weiter erhöht.“
Dabei war aber damals die Kaufkraft des Geldes viel höher als heute. So meinte Seneca zur Zeit Neros, ein Philosoph könne mit einem halben Sesterz (11 Pfennig) im Tag leben. 40 Liter Wein kosteten 25 Pfennig, ein Lamm 40 bis 50 Pfennig, ein Schaf 1½ Mark.
„Man sieht, daß bei solchen Preisen der Sold des römischen Legionärs sehr bedeutend war. Und außer dem Sold erhielt er noch Antrittsgeschenke von neuen Kaisern ; in Zeiten, wo alle paar Monate ein neuer Kaiser von den Soldaten aufgestellt wurde, machte auch das viel aus. Nach Ablauf der Dienstzeit bekam er ein Entlassungsgeschenk, welches zur Zeit des Aug1istus 3.000 Denare (2.600 Mark) betrug, von Caligula zwar auf die Hälfte reduziert, dann aber von Caracalla wieder auf 5.000 Denare (4.350 Mark) erhöht wurde.“ (Paul Ernst, Die sozialen Zustände im römischen Reich vor dem Einfall der Barbaren, Neue Zeit, XI, 2, S. 253 ff.)
Und dabei mußte noch der Umfang des stehenden Heeres in dem Maße ausgedehnt werden, in dem die Angriffe auf die Reichsgrenzen an allen Seiten zahlreicher wurden. Zur Zeit des Augustus umfaßte es 300.000 Mann, später mehr als das Doppelte.
Das sind ungeheure Zahlen, wenn man bedenkt, daß, dem damaligen Stande der Landwirtschaft entsprechend, die Bevölkerung des Reiches sehr dünn und der Überschuß, den ihre Arbeit lieferte, sehr gering war. Beloch berechnet die Bevölkerung des ganzen römischen Reiches, das ungefähr viermal so groß war wie das jetzige Deutsche Reich, zur Zeit des Augustus auf etwa 55 Millionen Einwohner. Italien, das heute allein 33 Millionen enthält, zählte damals nur 6 Millionen. Diese 55 Millionen mit ihrer primitiven Technik mußten ein Heer unterhalten, ebenso groß wie das, welches für das heutige Deutsche Reich eine drückende Last bildet trotz des enormen technischen Fortschritts, der seitdem vor sich gegangen ist, ein Heer angeworbener Söldner, die weit besser bezahlt wurden als der deutsche Wehrmann von heute.
Und während die Bevölkerung abnahm und verarmte, stiegen gleichzeitig die Lasten des Militarismus immer mehr.
Das hatte zwei Ursachen, die beide den ökonomischen Zusammenbruch vollendeten.
Dem Staat oblagen damals vornehmlich zwei Aufgaben: das Kriegswesen und das Bauwesen. Wollte er die Ausgaben für jenes steigern, ohne die Steuern zu erhöhen, so mußte er dieses vernachlässigen. Und das geschah auch. Zur Zeit des Reichtums und der großen Überschüsse der Arbeit massenhafter Sklaven war auch der Staat reich und imstande gewesen, große Bauten aufzuführen, die nicht bloß dem Luxus dienten, der Religion, der Hygiene, sondern auch dem Wirtschaftsleben. Mit Hilfe der enormen Menschenmassen, über die er gebot, baute der Staat jene kolossalen Werke, die wir heute noch bewundern, jene Tempel und Paläste, Wasserleitungen und Kloaken, aber auch ein Netz ausgezeichneter Straßen, das Rom mit den entferntesten Enden des Reiches verband und ein kraftvolles Mittel ökonomischen und politischen Zusammenhalts und internationalen Verkehrs wurde. Und daneben große Bewässerungs- und Entwässerungswerke. So bildeten zum Beispiel die Pontinischen Sümpfe ein ungeheures Gebiet fruchtbarsten Landes südlich von Rom, durch dessen Entwässerung 100.000 Hektar der Bodenkultur erschlossen wurden. Nicht weniger als 33 Städte standen einmal dort. Der Bau und die Erhaltung von Entwässerungsanlagen der Pontinischen Sümpfe bildeten eine ständige Sorge der Machthaber Roms. Diese Anlagen verfielen so vollständig, daß heute noch das ganze Gebiet der Sümpfe und ihres Umkreises eine unfruchtbare Einöde ist.
Sobald die Finanzkraft des Reiches erlahmte, ließen dessen Beherrscher eher alle diese Werke verfallen, als daß sie den Militarismus einschränkten. Die kolossalen Bauten wurden zu kolossalen Ruinen, die um so eher verfielen, als man bei dem zunehmenden Mangel an Arbeitskräften es vorzog, das Material zu gelegentlichen Neubauten, die nicht zu umgehen waren, durch Abreißen der alten Werke zu gewinnen, statt es aus Steinbrüchen zu holen. Diese Methode hat die antiken Kunstwerke mehr geschädigt, als die Verheerungen der eindringenden Vandalen und sonstiger Barbaren.
„Der Beschauer, der einen trauervollen Blick über die Ruinen des alten Rom wirft, gerät in Versuchung, das Andenken der Goten und Vandalen ob des Unheils zu verwünschen, zu dessen Vollführung sie weder Zeit noch Kraft noch vielleicht auch die Neigung hatten. Der Sturm des Krieges mochte einige hohe Türme dem Erdboden gleichmachen; aber die Zerstörung, welche die Grundlagen