Die landwirtschaftliche Arbeit hat die Eigentümlichkeit, daß sie bloß zu gewissen Zeiten des Jahres viele Arbeitskräfte erfordert, zu anderen, namentlich im Winter, nur wenige. Das ist ein Problem auch für moderne größere landwirtschaftliche Betriebe, es war ein noch schwierigeres unter dem System der Sklavenarbeit. Denn den Lohnarbeiter kann man entlassen, wenn man ihn nicht braucht, und holen, wenn man seiner bedarf. In der Zwischenzeit möge er sehen, wo er bleibe. Dagegen konnte der größere Landwirt doch nicht jeden Herbst seine Sklaven verkaufen und im Frühjahr neue ankaufen. Das wäre ihn teuer zu stehen gekommen. Denn im Herbst hätten sie nichts und im Frühjahr sehr viel gegolten. Er mußte also suchen, sie zu beschäftigen auch in der Zeit, in der die Landwirtschaft ruhte. Noch waren die Traditionen der Vereinigung von Landwirtschaft und Industrie lebendig, noch verarbeitete der Bauer selbst Flachs, Wolle, Leder, Holz und andere Produkte seines Betriebs zu Kleidern und Geräten. So wurden jetzt auch die Sklaven des landwirtschaftlichen Großbetriebs in der Zeit der Ruhe der Landwirtschaft zu industriellen Arbeiten angehalten, zur Weberei und zur Fabrikation und Verarbeitung von Leder, zur Anfertigung von Wagen und Pflügen, zur Herstellung von Töpfereien aller Art. Aber sie produzierten bei vorgeschrittener Warenproduktion nicht bloß für den eigenen Betrieb und Haushalt, sondern auch für den Markt.
Waren die Sklaven billig, so konnten auch ihre industriellen Produkte billig sein. Geldausgaben erforderten sie nicht. Der Betrieb, das Latifundium, lieferte für die Arbeiter die Lebensmittel und Rohstoffe, meist auch die Werkzeuge. Und da die Sklaven auf jeden Fall während der Zeit erhalten werden mußten, in der sie für die Landwirtschaft nicht notwendig waren, wurden alle industriellen Produkte, die sie über die Bedürfnisse des eigenen Betriebs und Haushaltes hinaus produzierten, ein Überschuß, der auch bei niedrigen Preisen einen Profit lieferte.
Kein Wunder, daß sich ein freies, starkes Handwerk angesichts dieser Konkurrenz der Sklavenarbeit nicht entwickeln konnte. Die Handwerker blieben in der antiken, namentlich der römischen Welt, arme Teufel, die meist allein, ohne Gesellen, arbeiteten, in der Regel nur das ihnen gelieferte Material im Hause des Kunden oder zu Hause verarbeiteten. Von einem kraftvollen Handwerkertum, wie es sich im Mittelalter entwickelte, ist da keine Rede. Die Zünfte bleiben schwach, die Handwerker in ständiger Abhängigkeit von ihren Kunden, meist größeren Grundbesitzern, als deren Klienten sie oft eine recht parasitenhafte Existenz an der Grenze des Lumpenproletariats führen.
Aber der Großbetrieb mit Sklaven war gerade nur imstande, ein Erstarken des Handwerks und eine Entwicklung seiner Technik zu hindern, die im Altertum stets auf einer niederen Stufe blieb, der Armut des Handwerkers entsprechend: dessen Geschicklichkeit konnte unter Umständen ungemein hoch steigen, seine Werkzeuge blieben stets kümmerlich und primitiv. Aber dasselbe war der Fall im Großbetrieb selbst. Die Sklaverei wirkte auch in diesem hemmend auf jede technische Entwicklung.
d. Die technische Rückständigkeit der Sklavenwirtschaft
In der Landwirtschaft bedeutete der Großbetrieb damals noch nicht eine Bedingung höherer Leistungsfähigkeit, wie im Bergbau. Wohl erzeugte die zunehmende Warenproduktion eine fortschreitende gesellschaftliche Arbeitsteilung auch in der Landwirtschaft; manche Betriebe warfen sich auf Körnerbau, andere auf Viehzucht usw. Auch erstand mit dem Großbetrieb schon die Möglichkeit seiner Leitung durch wissenschaftlich gebildete Männer, die über die bäuerliche Routine hinausragten. In der Tat finden wir denn in den Ländern des landwirtschaftlichen Großbetriebs, so bei den Karthagern, dann bei den Römern, bereits eine Theorie der Landwirtschaft, die so hoch stand, wie die europäische im achtzehnten Jahrhundert. Aber es fehlten die Arbeitskräfte, die vermöge dieser Theorie den Großbetrieb über den bäuerlichen Betrieb hinaus erhoben hätten. Schon die Lohnarbeit steht hinter der Arbeit des freien Landeigentümers an Interesse und Sorgfalt zurück, so daß sie nur dort lohnend wird, wo der Großbetrieb technisch dem Kleinbetrieb bedeutend überlegen ist. Aber der Sklave im Großbetrieb, der nicht im patriarchalischen Familienverhältnis steht, ist ein noch weit unwilligerer, ja geradezu ein auf den Schaden des Herrn erpichter Arbeiter. Schon in der Haussklaverei galt die Arbeit des Sklaven nicht als ebenso ausgiebig, wie die des freien Eigentümers. Odysseus bemerkt bereits:
„Dienende, wenn nicht mehr ein gebietender Herrscher sie antreibt,
Werden sofort saumselig, zu tun die gebührende Arbeit.
Schon ja die Hälfte der Tugend entrückt Zeus waltende Vorsicht
Einem Mann, sobald nur der Knechtschaft Tag ihn ereilet!“
Wie ganz anders erst Sklaven, die täglich bis aufs Blut gepeinigt wurden, die voll Verzweiflung und Haß dem Herrn gegenüberstanden! Der Großbetrieb hätte dem Kleinbetrieb technisch gewaltig überlegen sein müssen, wollte er mit gleicher Arbeiterzahl dasselbe Resultat erzielen wie dieser. Aber er war ihm nicht nur nicht überlegen, er stand ihm vielfach nach. Die Sklaven, selbst mißhandelt, ließen ihre ganze Wut an dem Arbeitsvieh aus, das nicht gedieh. Ebenso war es unmöglich, ihnen feinere Werkzeuge in die Hand zu geben.
Schon Marx hat darauf hingewiesen. Er sagt von der „auf Sklaverei gegründeten Produktion“:
„Der Arbeiter soll sich hier, nach dem treffenden Ausdruck der Alten, mir als instrumentum vocale (sprechendes Werkzeug) von dem Tier als instrumentum semivocale (stimmbegabtes aber sprachloses Werkzeug) und dem toten Arbeitszeug als instrumentum mutuum (stummes Werkzeug) unterscheiden. Er selbst läßt aber Tier und Arbeitszeug fühlen, daß er nicht ihresgleichen, sondern ein Mensch ist. Er verschafft sich das Selbstgefühl seines Unterschiedes von ihnen, indem er sie mißhandelt und con amore verwüstet. Es gilt daher als ökonomisches Prinzip in dieser Produktionsweise, nur die rohesten, schwerfälligsten, aber gerade wegen ihrer unbehilflichen Plumpheit schwer zu ruinierenden Arbeitsinstrumente anzuwenden. Bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs fand man daher in den am Meerbusen von Mexiko liegenden Sklavenstaaten Pflüge altchinesischer Konstruktion, die den Boden aufwühlen wie ein Schwein oder ein Maulwurf, aber ihn nicht spalten oder wenden ... In seinem Sea Bord Slave States erzählt Olmstedt unter anderem: ‚Man zeigt mir hier (in diesen Sklavenstaaten) Werkzeuge, die bei uns kein vernünftiger Mensch einem Arbeiter, für den er Lohn zahlt, aufhalsen würde; deren außerordentliche Schwere und Plumpheit muß meines Erachtens die Arbeit mindestens um zehn Prozent größer machen, als die bei uns üblichen Werkzeuge. Aber ich bin auch überzeugt, daß, angesichts der Achtlosigkeit und Ungeschicklichkeit, mit der sie die Sklaven benutzen müssen, es unwirtschaftlich wäre, ihnen weniger schwere und rohe Werkzeuge in die Hand zu geben, und daß Geräte, wie wir sie ständig und mit Vorteil unseren Arbeitern in die Hand geben, nicht einen Tag in einem Kornfeld Virginiens aushalten würden, trotzdem der Boden dort leichter und freier von Steinen ist als bei uns. Auch wenn ich frage, warum dort überall Maultiere an Stelle von Pferden in den Farmen gehalten werden, wird mir als erster Grund dafür, und eingestandenermaßen der triftigste, angegeben, daß Pferde die Behandlung nicht aushalten, der sie von den Negern ausgesetzt werden. Pferde werden bei ihnen bald lahm oder steif, indes Maultiere es aushalten, wenn man sie mit Knütteln schlägt, oder sie hie und da ein- oder zweimal kein Futter bekommen, und sie erkälten sich nicht und werden nicht krank, wenn man sie vernachlässigt und überanstrengt. Aber ich brauche nur zum Fenster des Zimmers zu gehen, in dem ich schreibe, um fast jedesmal eine Behandlung der Tiere zu sehen, die in den Nordstaaten unfehlbar zur sofortigen Entlassung des Kutschers durch den Farmer führen würde.‘“ (Kapital, I, 2. Aufl., S. 185)
Unintelligent, verdrossen, schadenfroh, darauf erpicht dem verhaßten Peiniger zu schaden, wo sich eine Gelegenheit bot, produzierte die Sklavenarbeit des Latifundiums weit