»Ich bin jederzeit bereit, mein Wort einzulösen. Sobald Ihre Schwester wieder gesund ist, werde ich Sie bitten, den Tag für das Fest zu bestimmen. Sie würden doch selbst keine Freude am Tanzen haben, solange Ihre Schwester noch krank ist.«
Lydia erklärte sich einverstanden.
»Ach ja, es ist viel besser, wir warten ab, bis Jane wieder wohlauf ist; bis dahin wird wahrscheinlich Hauptmann Carter wieder nach Meryton zurückgekehrt sein. Und wenn Sie Ihren Ball gegeben haben«, fügte sie hinzu, »dann werde ich darauf bestehen, dass die Offiziere auch einen veranstalten. Ich werde Oberst Forster sagen, es sei eine Schande, wenn er sich nicht dazu bereit erkläre.«
Mrs. Bennet fuhr mit ihren beiden Töchtern ab, und Elisabeth kehrte sogleich zu Jane zurück. Somit bot sich den beiden Damen und Darcy endlich die Gelegenheit, über Sitte im Allgemeinen und über die Manieren gewisser Leute im besonderen zu reden. Darcy jedoch konnte durch nichts dazu bewogen werden, in die Kritik einzustimmen, so viele Anspielungen auf dunkle Augen Caroline auch machen mochte.
10. KAPITEL
Der folgende Tag verging wie der erste. Mrs. Hurst und Caroline hatten am Morgen einige Stunden bei Jane zugebracht, die sich zwar langsam, aber merklich zu erholen begann. Nach dem Abendessen saßen alle wieder im Wohnzimmer. Darcy schrieb, Caroline saß neben ihm und unterbrach ihn von Zeit zu Zeit mit der Bitte, Grüße an seine Schwester von ihr auszurichten; Mr. Hurst und Bingley spielten eine Partie Piquet,1 und Mrs. Hurst sah ihnen dabei zu.
Elisabeth nahm sich eine Handarbeit vor und vergnügte sich damit, Darcy und Caroline zu beobachten. Die ständigen Bemerkungen Carolines, die sich bald auf seine Schrift, bald auf die Geradheit seiner Zeilen, dann wieder auf die Länge des Briefes bezogen, und die ungerührte Gleichgültigkeit, mit der er diese Bemerkungen anhörte, ergaben ein komisches Zwiegespräch, das gut mit ihrer Meinung von den beiden übereinstimmte.
»Wie wird sich Ihre Schwester über den Brief freuen!«
Keine Antwort.
»Sie schreiben ungewöhnlich schnell!«
»Im Gegenteil, ich schreibe äußerst langsam.«
»Wie viele Briefe Sie wohl im Laufe eines Jahres schreiben! Und überdies noch Geschäftsbriefe! Wie ich so etwas verabscheue!«
»Dann trifft es sich ja sehr günstig, dass nicht Sie, sondern ich sie schreiben muss.«
»Bitte bestellen Sie Ihrer Schwester, dass ich es nicht erwarten kann, sie wiederzusehen!«
»Ich habe ihr das gerade eben mitgeteilt.«
»Ich glaube, Ihre Feder ist gespalten. Geben Sie her, ich werde sie Ihnen zurechtschneiden. Das kann ich ganz besonders gut!« »Vielen Dank – ich schneide mir meine Federn lieber selbst.« »Wie können Sie nur immer so ebenmäßig schreiben?« Schweigen.
»Sagen Sie Ihrer Schwester, dass ich mich furchtbar freue, zu hören, dass sie sich weiter im Harfenspiel vervollkommnet hat. Und lassen Sie sie bitte wissen, dass ich ganz entzückt bin von ihrem kleinen Entwurf für eine Tischdecke; ich fände ihn Miss Grantleys Arbeit weit überlegen.«
»Würde es Ihnen wohl viel ausmachen, wenn ich Ihr Entzücken für einen späteren Brief aufhebe? Ich habe jetzt nicht mehr genug Platz, um ihm ganz gerecht zu werden.«
»Ach, das macht nichts. Ich werde sie ja im Januar selbst treffen. Aber schreiben Sie ihr immer so lange und so reizende Briefe?«
»Lang werden sie meistens; aber ob auch reizend, kann ich natürlich nicht beurteilen.«
»Für mich gilt es als ausgemacht, dass jemand, der aus dem Handgelenk so lange Briefe verfassen kann, unmöglich schlechte Briefe schreibt.«
»Als Kompliment war das schlecht gewählt, Caroline!« rief ihr Bruder herüber. »Darcy schreibt durchaus nicht aus dem Handgelenk. Er überlegt immer viel zu lange und sucht stets nach besonders schönen Ausdrücken. Hab’ ich nicht recht, Darcy?«
»Jedenfalls sind unsere Briefe sehr verschieden.«
»Ach«, protestierte Caroline, »Charles schreibt schrecklich unordentlich; er lässt Worte aus, und andere streicht er wieder durch.«
»Ja, meine Gedanken folgen einander so schnell, dass ich gar nicht die Zeit habe, sie alle zu Papier zu bringen; deshalb werden die Empfänger auch selten klug aus meinen Briefen!«
»Ihre bescheidene Selbstkritik ist entwaffnend, Mr. Bingley«, warf Elisabeth ein.
»Nichts könnte verkehrter sein, als einen Menschen nach seiner Bescheidenheit beurteilen zu wollen«, sagte Darcy. »Im Allgemeinen weist sie auf nichts anderes als auf mangelndes Selbstbewusstsein hin, und häufig ist sie bloß ein Prahlen mit umgekehrtem Vorzeichen.«
»Und zu welcher von beiden Gattungen zählst du mein bisschen Bescheidenheit?«
»Zur Prahlerei. Du bildest dir nämlich in Wirklichkeit etwas ein auf dein unordentliches Geschreibsel, da du im Stillen meinst, das rühre von dem schnellen Wechsel deiner Gedanken her, und da du im Übrigen eine solche Flüchtigkeit für recht interessant hältst. Etwas schnell zu erledigen reizt immer mehr, als etwas in Ruhe zu vollenden. Als du heute Morgen Mrs. Bennet gegenüber behauptetest, du würdest Netherfield, wenn du erst dazu entschlossen wärst, innerhalb von fünf Minuten verlassen, da wolltest du dich damit einer löblichen Eigenschaft rühmen; aber was ist schon lobenswert an einer Hast, die notwendig alles unerledigt lassen muss und die weder dir selbst noch sonst jemandem einen Vorteil bringt?«
»Hör’ auf!« rief Bingley. »Das ginge doch zu weit, wollte man sich an jedem Abend der törichten Dinge erinnern, die man am Morgen dahergeredet hat. Aber auf Ehre, ich meinte, was ich sagte, und ich meine es immer noch. Ich hab mit meiner Hast wirklich nicht lediglich geprahlt, um einen Eindruck auf die Damen zu machen.«
»Ich glaube dir schon, dass du meinst, was du sagst. Aber das überzeugt mich noch lange nicht, dass du tatsächlich so im Handumdrehen losziehen würdest, wie du angibst. Ich weiß, dass du dich dabei genau so von irgendeinem zufälligen Ereignis leiten lassen würdest wie jeder andere Mensch. Wenn du schon auf dem Pferde säßest und ein Freund sagte zu dir: ›Bingley, bleib lieber noch eine Woche‹, dann würdest du höchstwahrscheinlich vom Pferd steigen und noch einen Monat bleiben.«