«Ich war sicher, daß sie ausgezeichnet reiten würde», sagte Julia. «Sie ist wie dazu geschaffen und auch ebensogut gebaut wie ihr Bruder.»
«Ja, und ebenso kühn und energisch», fügte Maria hinzu. «Ich finde immer, es hängt vom Charakter ab, wie man reitet.»
Als sie sich abends trennten, fragte Edmund Fanny, ob sie die Absicht hätte, morgen auszureiten.
«Nein – ich weiß nicht –, nicht wenn du das Pferd brauchst …», war ihre Antwort.
«Für mich persönlich brauche ich es überhaupt nicht, aber falls du nächstens einmal zu Hause zu bleiben gedenkst, würde Miss Crawford sich, glaube ich, sehr freuen, wenn sie das Pferd etwas länger, vielleicht den ganzen Vormittag benützen dürfte. Sie wünscht sich so sehr, bis zur großen Gemeindewiese zu reiten. Mrs. Grant hat ihr erzählt, welch schöne Aussicht man von dort genießt, und ich zweifle auch nicht, daß sie dem Ausflug gewachsen ist. Aber es kann natürlich an jedem beliebigen Morgen sein. Sie möchte um keinen Preis deine Gewohnheiten stören, und das wäre auch sehr unrecht. Sie reitet nur zum Vergnügen, du tust es um deiner Gesundheit willen.»
«Morgen reite ich nicht – bestimmt nicht», sagte Fanny. «Ich war in der letzten Zeit sehr oft aus und möchte lieber zu Hause bleiben. Du weißt ja, ich bin jetzt kräftig genug, um auch zu Fuß zu gehen.»
Edmund sah sehr erfreut aus, und damit mußte Fanny sich trösten. Der Ausflug zur großen Gemeindewiese fand am nächsten Tag statt. Außer ihr beteiligten sich alle jungen Leute daran und genossen ihn doppelt: einmal in Wirklichkeit und dann fast noch mehr, als sie ihn beim abendlichen Zusammensein noch einmal Revue passieren ließen. Eine gelungene Unternehmung dieser Art regt zu weiteren an, und nachdem sie zusammen auf der Gemeindewiese gewesen waren, verspürten sie Lust, am nächsten Tag etwas Ähnliches zu versuchen. Es gab manchen schönen Aussichtspunkt, den man den Fremden zeigen mußte, und wenn das Wetter auch sehr heiß war, fanden sich doch überall, wohin es sie lockte, schattige Wege; eine Schar von fröhlichen, jungen Menschen ist nie um einen schattigen Weg verlegen. So verbrachte man vier herrliche Sommertage damit, die Crawfords zu den schönsten Punkten zu führen und ihnen die Honneurs der Umgebung zu machen. Alles ging aufs beste, alle waren lustig und guter Dinge, die Hitze gerade nur lästig genug, um einen angenehmen Gesprächsstoff zu liefern – bis am vierten Tag die Freude einer der Beteiligten empfindlich getrübt wurde. Diese eine war Maria Bertram. Edmund und Julia waren zum Essen ins Pfarrhaus eingeladen, und sie war ausgeschlossen. Mrs. Grant hatte es in der besten Absicht, mit Rücksicht auf Mr. Rushworth, getan, der an diesem Abend halb und halb in Mansfield Park erwartet wurde; doch Maria empfand es als arge Beleidigung, und es war eine schwere Belastungsprobe für ihre guten Manieren, sich ihren Zorn und ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, ehe sie wieder daheim war. Und da obendrein Mr. Rushworth gar nicht kam und sie ihre schlechte Laune nicht einmal an ihm auslassen konnte, fühlte sie sich noch tiefer gekränkt; es blieb ihr kein anderes Mittel, ihre Wut zu erleichtern, als gegen ihre Mutter, ihre Tante und Fanny recht unfreundlich zu sein und ihnen den Abend möglichst gründlich zu verderben.
Gegen elf Uhr erschienen Edmund und Julia mit strahlenden Gesichtern, von der Nachtluft erfrischt und in bester Stimmung, im Salon, wo sie die drei Damen in der übelsten Laune antrafen; Maria geruhte kaum, die Augen von ihrem Buch aufzuheben,
Lady Bertram schlief schon halb, und sogar Mrs. Norris, die von der Verdrießlichkeit ihrer Nichte angesteckt war, zog sich in ein beleidigtes Stillschweigen zurück, als ihre ersten Fragen nach dem Dinner im Pfarrhaus nicht rasch genug beantwortet wurden. Die Geschwister mußten zuerst einmal ihrer Begeisterung über die herrliche Nacht und den wunderbaren Sternenhimmel Luft machen, sie waren zu erfüllt davon, um an etwas anderes zu denken; doch nach ein paar Minuten sah Edmund sich im Zimmer um und fragte: «Aber wo ist Fanny? Schon schlafen gegangen?»
«Nicht daß ich wüßte», entgegnete Mrs. Norris. «Sie war gerade noch hier.»
Fannys eigene sanfte Stimme erwiderte ihm vom anderen Ende des langen Zimmers – sie sei hier, auf dem Sofa. Mrs. Norris begann sofort zu zanken:
«Fanny, es ist ganz ungehörig, sich den ganzen Abend auf dem Sofa zu räkeln! Warum kannst du dich nicht hersetzen und eine nützliche Beschäftigung zur Hand nehmen wie wir alle? Wenn du keine eigene Arbeit hast, kann ich dich aus dem Armen-Korb versorgen. Der Kattun, den wir vorige Woche gekauft haben, ist überhaupt noch nicht angerührt, obwohl ich mir beim Zuschneiden schier den Rücken gebrochen habe. Du mußt endlich einmal lernen, an andere Menschen zu denken. Ein Unfug ist es, ein unerhörter Unfug, wenn eine junge Person ewig auf dem Sofa herumlungert …»
Bevor sie noch zur Hälfte ihrer Rede gekommen war, war Fanny an ihren Platz am Tisch zurückgekehrt und hatte ihre Arbeit wieder zur Hand genommen. Julia war nach dem angenehm verbrachten Abend so außergewöhnlich gut aufgelegt, daß sie Fanny großmütig in Schutz nahm. «Ich muß sagen, Tante, wenn alle Leute im Haus so selten auf dem Sofa zu finden wären wie Fanny!» rief sie aus.
«Fanny», sagte Edmund, der sie aufmerksam betrachtete, «ich bin sicher, daß du Kopfweh hast.»
Fanny konnte es nicht leugnen, versicherte aber, es sei nicht sehr schlimm.
«Das kann ich dir kaum glauben, dazu kenne ich dein Gesicht zu gut. Seit wann hast du Schmerzen?»
«Ach – seit Nachmittag. Es ist nur die Hitze.» «Bist du bei dieser Hitze ausgegangen?»
«Ausgegangen! Natürlich ist sie ausgegangen!» rief Mrs. Norris. «Möchtest du etwa, daß sie an einem so schönen Tag zu Hause sitzt? Wart ihr nicht alle draußen? Sogar deine Mutter war heute mehr als eine Stunde an der Luft.»
«Ja wirklich, Edmund», bestätigte Lady Bertram, die durch Mrs. Norris’ lautes Schelten wieder ganz wach geworden war. «Ich war über eine Stunde draußen. Dreiviertel Stunden bin ich im Garten geblieben, während Fanny Rosen geschnitten hat, und es war sehr angenehm, aber furchtbar heiß. In der Laube, wo ich gesessen bin, war es ja schattig, aber es hat mir wahrhaftig vor dem Rückweg gegraut.»
«Und Fanny hat Rosen geschnitten?»
«Ja, ich fürchte, es werden dieses Jahr die letzten sein. Dem armen Kind war auch warm genug, aber die Rosen konnten nicht mehr warten, sie waren schon ganz aufgeblüht.»
«Ja, das mußte sein», stimmte Mrs. Norris in merklich milderem Ton zu. «Aber ich frage mich, Schwester, ob sie sich nicht dabei ihre Kopfschmerzen geholt hat. Nichts macht so leicht Kopfschmerzen, als wenn man gebückt in der prallen Sonne steht. Na, morgen wird es wohl wieder gut sein. Vielleicht könntest du ihr deinen parfümierten Essig geben? Mein Fläschchen vergesse ich immer nachzufüllen.»
«Sie hat ihn schon längst», sagte Lady Bertram. «Sie hat ihn, seit sie zum zweitenmal von deinem Haus zurückgekommen ist.»
«Was!» rief Edmund. «Ist sie außerdem noch so weit gegangen? Den schattenlosen Weg zu Ihrem Haus, Tante, und das zweimal? Kein Wunder, wenn ihr der Kopf wehtut!»
Aber Mrs. Norris unterhielt sich angelegentlich mit Julia und hörte nicht.
«Ich dachte auch, daß es für sie zu anstrengend sein würde», sagte Lady Bertram. «Aber deine Tante wollte die Rosen für sich haben, und du weißt ja, sobald sie geschnitten sind, muß man sie ins Haus bringen.»
«Und es waren so viele Rosen, daß Fanny zweimal gehen mußte?»
«Nein, aber sie mußten im Gastzimmer zum Trocknen ausgebreitet werden, und Fanny hatte leider vergessen, hinterher das Zimmer abzusperren und den Schlüssel zurückzubringen, darum mußte sie zweimal laufen.»
Edmund sprang auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. «Und außer Fanny war niemand da, den man um den Schlüssel schicken konnte? Verzeihen Sie, Tante, aber das haben Sie nicht gut eingerichtet!»
«Ich