verehrte. Besonders hervorstechende Acte desselben waren ein Wettlauf von Jünglingen, bei welchem dieselben traubentragende Weinreben (ὤσχους) im Heiligthum des Dionysos empfingen und mit diesen bis zu jenem Tempel der A. Skiras liefen, und ein zugleich an die Weinlese und an den Zug des Theseus nach Kreta erinnernder Festzug von demselben Heiligthume zu demselben Tempel, in welchem s. g. oschophorische Lieder zu Ehren des Dionysos und der Ariadne gesungen wurden und verkleidete Knaben und Mädchen an die Noth der letzten Sendung erinnerten
434. In solchem Grade hatte sich bei diesem Gebrauche die natürliche Beziehung auf die Zeit der Weinlese, in welcher Athena neben Dionysos gefeiert wurde
435, mit der mythologischen auf jene Seefahrt des Theseus und mit andern Erinnerungen des ältesten attischen Seewesens verschmolzen, welche jener Tempel in dem alten Hafenorte am treuesten bewahrt hatte
436. Dahingegen bei den Festen der Athena Polias auf der Burg von Athen die Anfertigung und Darbringung eines Peplos, mit welchem das alte Holzbild im Erechtheum jährlich neubekleidet wurde, den leitenden Faden der meisten Gebräuche bildete. An den
Chalkeen (S. 142) begann die Arbeit der dabei unter Aufsicht der Athenapriesterinnen und von zwei Arrhephoren beschäftigten Mädchen und Frauen, welche ἐργαστῖναι hießen
437, wie Athena als Ἐργάνη vorzugsweise Spinnerin und Weberin war: ursprünglich wohl nicht blos in dem Sinne der weiblichen Kunstarbeit, sondern in einem ähnlichen wie die Spinnerin Berta der deutschen Mythologie; wenigstens erklärt sich so der bedeutungsvolle Umstand daß man grade an diesem, dem Hephaestos und der Athena geweiheten Feste, welches in die letzten Tage des Saatmonates Pyanepsion fiel, das Gewebe am Peplos begann, und daß dieser Peplos an den Panathenaeen d. h. im Monate der Erndte dargebracht wurde. Weiter folgten im Monate Thargelion bei zunehmender Hitze und während der Reife der Feldfrüchte die
Plynterien und
Kallynterien, wo das Geschlecht der Praxiergiden gewisse Sühngebräuche verrichtete, indem sie den Peplos des Athenabildes abnahmen und wuschen, das Bild selbst verhüllten und den Tempel absperrten: angeblich zum Gedächtniß der Aglauros, welche zuerst die Aufsicht über den Schmuck der Göttin gehabt habe, der nach ihrem Tode ein ganzes Jahr lang ungereinigt geblieben sei
438, in der That aber wohl auch hier mit Beziehung auf die Zeit des Jahres und die reifenden Feldfrüchte, um sich der Gunst der himmlischen Segensgöttin für diese um so mehr zu versichern. Namentlich pflegte man in der Procession der Plynterien eine Masse von Feigen umzutragen und diese παλάϑη ἡγητορία zu nennen, weil diese Frucht zuerst reifte und deshalb für die früheste milde Nahrung des Menschen und eine besonders edle Culturfrucht galt, daher man bei ihrer Pflege neben den eigentlichen Culturgöttern Demeter und Dionysos auch der Athena und des Zeus gedachte
439. Ferner die
Errhephorien oder
Arrhephorien, ein Gebrauch welcher um die Zeit der Skirophorien vollzogen wurde und mit diesem Feste sogar in einem näheren Zusammenhange gestanden zu haben scheint
440. Arrhephoren hießen nehmlich vier aus edlen Familien ausgehobene Mädchen zwischen 7 und 11 Jahren, welche jährlich längere Zeit im Dienste der Athena Polias auf der Burg beschäftigt waren
441, ihren Namen aber speciell dieser Feierlichkeit verdankten. Die Priesterin der Athena übergab ihnen dann gewisse verborgene Heiligthümer, welche zwei von ihnen bei der Nacht in einen unterirdischen Raum in der Nähe des Heiligthums der Aphrodite in den Gärten trugen, worauf sie dort ähnliche Heiligthümer (ἀπόρρητα) empfingen und diese auf die Burg brachten, wo nach Vollziehung dieses Gebrauchs jedesmal zwei andere Mädchen anstatt ihrer eintraten. Ohne Zweifel mit Hindeutung auf den nächtlichen Thau und die Erfrischung der schmachtenden Feldfrüchte, denn ἀρρηφόροι oder ἐρρηφόροι sind wörtlich Thauträgerinnen
442; auch wird diese Ceremonie ausdrücklich auf Herse, die Schwester der Pandrosos und Aglauros bezogen, obwohl auch diese beiden andern Kekropiden, welche überhaupt immer als zusammengehörige Gruppe und als Umgebung der Athena gedacht werden müssen, um dieselbe Zeit wie es scheint vom Volke durch Speiseopfer verehrt wurden
443. Endlich die
Panathenaeen, welche zugleich ein Gedächtnißfest der Vereinigung sämmtlicher Bewohner Attikas zu einem von der gemeinschaftlichen Schutzgöttin beseelten Gesammtstaate waren und den Cyclus ihrer Feste mit der Darbringung des Peplos abschlossen. Es gab gewöhnliche Panathenaeen, welche jährlich, und große, welche in jedem fünften Jahre mit besonderem Glanze gefeiert wurden. Erichthonios galt für den Stifter des ritterlichen Spieles, Theseus für den Begründer seiner über ganz Attika ausgedehnten Bedeutung
444. Die Zeit der Pisistratiden hatte den gymnischen Wettkampf und den der Rhapsoden, die des Perikles musikalische Wettkämpfe, andere Zeiten andere Arten von Lustbarkeit und Wetteifer hinzugefügt, so daß dieses Fest, wenn es in seiner ganzen Herrlichkeit und in vollem Staate d. h. als große Panathenaeen gefeiert wurde, neben den Eleusinien und den großen Dionysien das glänzendste heiligste bedeutungsvollste war. Die ritterlichen gymnischen und musischen Uebungen beschäftigten die ersten Tage, bis mit dem 28 Hekatombaeon, an welchem man die Göttin geboren glaubte; der eigentliche Haupttag des Festes anbrach
445. Namentlich wurde an diesem Tage die große Procession gehalten, von welcher uns der bekannte Cellafries vom Parthenon eine lebendige Anschauung gewährt. Auch wurden vor und nach dieser Procession überreichliche Opfer dargebracht, auf welche eben so reichliche Festschmäuse und eine allgemeine Volksspeisung folgten
446. Der feierlichste Act blieb indessen immer die Darbringung des Peplos, jenes reichen, mit den kunstvollsten Bildern geschmückten Obergewandes, welches schon in der Ilias die troischen Frauen ihrer Burgpallas darbringen und an welchem in Athen die Mädchen und Frauen ihre besten Künste der Weberei und Stickerei zu üben pflegten. Die eingewebten Bilder waren gewöhnlich Gruppen aus der Gigantomachie, in welcher Athena neben dem Zeus immer als die eigentliche Siegerin genannt wurde
447. Doch pflegten auch die Thaten der von Athena geführten und beseelten Heroen, mit der Zeit auch Vorfälle aus der attischen Geschichte und die Bilder berühmter Männer eingewebt zu werden
448. Durch die Stadt wurde das Prachtstück an einer mastbaumartigen Stange segelartig ausgespannt auf einem Wagen oder einem Schiffe herumgeführt. Das ganze Fest diente zur lebendigsten Vergegenwärtigung aller der Segnungen und des ganzen wunderbaren Gedeihens, dessen sich Athen unter der Obhut seiner erhabenen Göttin zu erfreuen hatte. Treten ihre natürlichen Gaben bei solcher Fülle der großartigsten Anstrengungen und Erinnerungen hinter den ethischen und geistigen Stiftungen zurück, so beweist doch mancher Gebrauch daß man auch jener an diesem Feste gedachte, namentlich der für das Land außerordentlich wichtigen Olivenpflanzung. Die schönsten Greise wurden nach einer Anordnung, die man auf den Erichthonios zurückführte, ausgesucht um als ϑαλλοφόροι d. h. mit immer grünen Zweigen des Oelbaums in den Händen der Procession zur besondern Zierde zu gereichen
449, und die Sieger in den Kampfspielen erhielten als Preis die bekannten panathenaeischen Amphoren mit dem Oele der heiligen Bäume
450.
Sind in dieser Uebersicht alle Beziehungen der Göttin zu dem Naturleben sammt den Anknüpfungspunkten für ethische Ideenreihen hervorgetreten, so wird nun ihre Thätigkeit für so viele und so wichtige Zwecke des menschlichen Lebens um so besser verständlich werden.
Zunächst gehört dahin die kriegerische Seite der Athena wie sie namentlich in den älteren Hymnen und Sagen, vorzüglich in der Ilias so ganz besonders hervortritt451. Sie entspricht der stürmischen Seite ihrer Naturbedeutung