Endlich die unmittelbaren Beziehungen des Zeuscultus zu allen möglichen ethischen Seiten des Familien-, des socialen und des Staatslebens, in welches kein anderer Gott auf so vielseitige Weise eingriff als er, immer als höchstes und letztes Princip aller Ordnung und Regierung, aber dabei freundlich und milde, ein Freund der patriarchalischen Behaglichkeit, der altherkömmlichen Lebenssitte, auch des heiteren Wohllebens. Ueberall erscheint Zeus hier als Vater der Götter und Menschen und als König wie er bei Homer so oft genannt wird, als König im Sinne der heroischen Zeit d. h. als das patriarchalische Oberhaupt der Familien und Stämme und zugleich als Richter, wie dieses Hesiod in den W. T. einschärft. Besonders interessant ist es diese Idee durch alle jene kleineren und größeren Gliederungen zu verfolgen, an denen das antike Leben so reich war, von dem einfachen Haushalte bis zur allgemeinen Landes- und Stammesverbindung sowie nach den verschiedenen Seiten des Rechtswesens, des geselligen Verkehrs, des Fremdenverkehrs. So im Hauswesen der im innern Hofe verehrte Ζ. ἑρκεῖος und der den Heerd behütende ἐφέστιος oder ἑστιοῦχος, der unsichtbare Patron der Familie, der ihre Glieder zusammenbindet264, der Schirmvogt des Familienrechtes und Hausregimentes, an dessen Altar der Hausvater als Priester seines Hauses waltet: daher dieser Altar und das Bild des Ζ. ἑρκεῖος in den alten Königsburgen, die zugleich Mittelpunkte des Staates waren, von besonderer Heiligkeit und Bedeutung zu sein pflegte265. Als ζύγιος und γαμήλιος oder τέλειος ist Zeus neben der Hera ein Patron des ehelichen Lebens266, als πλούσιος und κτήσιος schafft er dem Hause Besitz in seine Vorrathskammer267. Endlich in den weiteren Kreisen der bürgerlichen Einigung nach Geschlechtern und Phratrien wurde er als γενέϑλιος, πατρῶος, φράτριος, ἀπατούριος verehrt268, in weiteren landschaftlichen und Stammesverbindungen auch als das unsichtbare Haupt von diesen, z. B. der Ζ. Ὁμολώιος bei den Aeolern in Thessalien und Boeotien, besonders in Theben, Ζ. Ὁμαγύριος bei den Achaeern, Ζ. Ἑλλάνιος oder Πανελλήνιος auf Aegina, welcher auf dem höchsten Gipfel der Insel thronte und durch Aeakos und sein Gebet für alle die sich zu dem Namen der Hellenen bekannten so bedeutungsvoll geworden war, mit der Zeit in immer weiteren Kreisen269. Ferner ist, da es bei allen solchen Verbindungen nicht an festlichen Zusammenkünften und heiterer Lust und Freude fehlte, Zeus darüber auch zum Gotte heiterer Freundschaft und guter Kameradschaft geworden, in welcher Bedeutung er als Ζ. φίλιος, ἑταιρεῖος, χάρμων verehrt und mit den Attributen des Dionysos dargestellt wurde270. Im Staate galt er am meisten als König, βασιλεύς, welches Prädikat ihm trotz aller politischer Veränderungen auch in der späteren Zeit verblieb271, er der selbst der Olympische König ist und auf seine Würde und Rechte streng zu halten pflegte als Princip aller königlichen Herrschaft gedacht, welche nach dem bekannten Spruche die Vielherrschaft ausschloß. Daher sind alle die alten Könige der Sage, Minos Aeakos Tantalos Dardanos, entweder seine Söhne oder seine Lieblinge und nahe Vertraute. Und wie Zeus selbst meist thronend und nie ohne das Symbol des Scepters, des königlichen und richterlichen Ehrenstabes vorgestellt wurde, so haben auch die irdischen Könige ihre Scepter von ihm. Im Geschlechte der Pelopiden hatte sich solch ein Scepter fortgeerbt, welches später als Reliquie zu Chaeronea verehrt wurde272. In historischer Zeit war dieses alte Königthum mit den Symbolen seines göttlichen Rechtes zwar meist verschollen; doch behauptete es sich mit dem Stamme der Herakliden in Sparta, auch in Makedonien und Epiros, deren älteste Traditionen deshalb gleichfalls bei dem Zeusdienste anknüpfen. In Sparta waren beide Könige aus dem von Zeus begründeten Stamme zugleich Priester des Zeus, der eine des Ζ. Οὐράνιος der andere des Ζ. Λακεδαίμων, d. h. des Königs Zeus im himmlischen Götterstaate und des göttlichen Königs von welchem die lakedaemonische und spartanische Basileia abgeleitet wurde273. In Makedonien, wo die Könige sich gleichfalls vom Stamme des Herakles ableiteten, wurde dieselbe Beziehung in dem Gottesdienste des Bottiaeischen Zeus der Residenzstadt Pella festgehalten274, in Epiros, wo der Aeakidenstamm regierte, in dem des Dodonaeischen. Auch Kallimachos dichtet deshalb in seinem Hymnus auf Zeus v. 79 ff. im Sinne des Alterthums und der Ptolemaeer, welche gleichfalls den Kopf und die Insignien des Zeus auf ihre Münzen zu setzen pflegten, obwohl mit einer im Sinne des hellenistischen Königthums veränderten Gedankenfärbung. Die gewöhnliche griechische Demokratie aber behauptete dieselbe Rechtsidee, indem sie den Zeus als höchsten Schirmherrn ihrer Burgen (Ζ. πολιεύς), ihrer Raths- und Volksversammlungen (Ζ. βουλαῖος, ἀγοραῖος) und sonst der verschiedensten Ordnungen und Obrigkeiten des staatlichen und städtischen Lebens verehrte
Автор: | Ludwig Preller |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | |
Жанр произведения: | Сделай Сам |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9788027230273 |
Macht des Himmels, den Ζ. μαιμάκτης versöhnenden Wallfahrten und Opfergebräuchen260. Weit wichtiger als diese Bedeutung des Ζ. καϑάρσιος ist indessen die ethische, wie sie sich besonders in gewissen Gebräuchen und Traditionen der Mordsühne ausspricht, deren in alten religiösen Instituten und Sagen häufig gedacht wird, denn Zeus war ja auch ein Gott des Lichtes und der ätherischen Klarheit und schon deshalb mußten sich vorzugsweise in seinem Cultus kathartische Ideen entwickeln. Dazu kommt daß von ihm als höchstem Ordner und Gesetzgeber des menschlichen Lebens auch die Störungen desselben durch sinnverwirrende Leidenschaft, die so leicht als göttliche Plage erscheint, abgeleitet wurden. Also von Zeus kommt das Verhängniß der Geistesverwirrung (ἄτη) die den Menschen zum Verbrechen treibt, aber Zeus ist auch Urheber der Sühnung und sühnenden Wiederherstellung der durch Verbrechen und Leidenschaft gestörten Ordnung. Er ist Rächer der Blutschuld und jeder anderen Schuld (ἀλιτήριος, ἀλάστωρ, παλαμναῖος), aber auch der Sühner und Abwender aller bösen Schuld und alles bösen Schadens (ἀλεξίκακος, ἀποτρόπαιος), und eine heilende Zuflucht jedes bußfertigen Verbrechers261. Und so erscheint er auch in vielen alten Sagen, besonders in der vom Ixion, dem ersten Mörder und dem ersten ἱκέτης, den Zeus von der Blutschuld reinigt, der aber gleich darauf von neuem und ärger sündigt und deshalb von Zeus in der bekannten Weise gestraft wird. Ferner in den merkwürdigen und sinnverwandten Sagenkreisen von Lykaon und den Lykaoniden262 und Athamas und den Athamantiden, auf welchen letzteren die Argonautensage führen wird. Aber auch die Danaiden wurden auf Befehl des Zeus durch Athena und Hermes gesühnt (Apollod. 2, 1, 5), welche Götter hier wie gewöhnlich als die vertrauten und verwandten Vollstrecker seines Willens erscheinen. Und so wurde Theseus, als er mit dem Blute der Räuber befleckt nach Athen kam, von den Phytaliden am Altare des Ζ. μειλίχιος gereinigt, welchem Gott in Argos nach einem blutigen Aufstande ein Bild zur Sühne errichtet wurde; und Orestes genas nach lakedaemonischer Sage auf einem Steine sitzend, den man Ζ. καππώτας d. i. καταπαύτας, den Beruhiger nannte263. Endlich ist auch auf den kretischen Sühnpriester Epimenides zu verweisen, da er ganz der Sphäre des kretischen Zeuscultes angehörte, ein Priester welcher zu seiner Zeit in der Kunst der Sühnungen und Reinigungen, mit denen auch kathartische Heilkunde und Wahrsagerei verbunden zu sein pflegte, besonders berühmt war und sich um Athen in der Zeit der Kylonischen Unruhen als Sühner und Verordner von gottesdienstlichen Gebräuchen nicht wenig verdient machte.