In dem gewöhnlichen Cultus des häuslichen und öffentlichen Lebens traten dagegen weit mehr die religiösen und sittlichen Momente des Zeusdienstes hervor und zwar mit den verschiedensten Antrieben zur Frömmigkeit und zur Gerechtigkeit.
So war Zeus zur Pflege der körperlichen Rüstigkeit und Streitbarkeit, die bei den Griechen so wesentlich zum Begriffe der ἀρετὴ gehörte, eins der wirksamsten Vorbilder und zugleich Stifter der wichtigsten Institute zur Uebung derselben. Denn der Sieg über die Titanen und Giganten hatte zugleich die ethische Bedeutung des Ingrimms über alles Wüste und Unholde, welches Zeus mit gewaltiger Faust niederwirft um eine bessere Ordnung der Dinge herzustellen, wie sein Sohn und Bote Herakles in demselben Sinne auf der Erde wirkt. Daher sind beide ganz vorzugsweise ἀγώνιοι und Herakles weihte dem Zeus das große Nationalspiel der Olympien zu Elis, welchen Spielen der Gott selbst als thronender Olympier d. h. als Titanensieger vorstand, wie dieses auch in der örtlichen Sage hervorgehoben wurde. Außerdem stand noch ein zweites von den vier großen Nationalspielen unter seinem Schutze, die Nemeen, und in Ithome feierte man dem Zeus in älterer Zeit sogar gymnische und musische Weltkämpfe (Paus. 4, 33, 3), welche letzterem durch die enge Verbindung des Musendienstes mit dem Zeusdienste motivirt waren. Die arkadischen Lykaeen sind schon erwähnt; in Argos verehrte man einen Ζ. σϑένιος mit einem Kampfspiele das man Σϑένια nannte, also den Gott der körperlichen Stärke, welche Seite sonst am Zeus nicht so häufig wie z. B. am Poseidon hervorgehoben wird; doch sind Κράτος und Βία aus der theogonischen Dichtung und aus Aeschylos als seine unzertrennlichen Begleiter bekannt, wie Ζῆλος und Νίκη. Denn auch der Sieg und die Entscheidung der Schlachten kommt vom Zeus250, der deshalb selbst der Anführer im Kriege ist (ἀγήτωρ), welcher im Kampfe hilft als στήσιος (stator) und den Sieg und Triumph schenkt als τροπαῖος. Daher man ihn auch als den kriegerischen und streitbaren schlechthin verehrte, als ἄρειος, wie Zeus ja der Vater des Ares und der Athena war und namentlich Ares nach seiner physikalischen und ethischen Bedeutung fast ganz mit diesem Ζ. ἄρειος zusammenfällt. Zu Olympia gab es einen Altar dieses Gottes, an welchem Oenomaos der Sage nach vor seinen blutigen Wettkämpfen geopfert hatte251 und in Epiros pflegten sich nach altem Herkommen der König und das Volk beim Ζ. ἄρειος gegenseitige Treue zu geloben (Plut. Pyrrh. 5). In ganz eigentümlicher Gestalt aber tritt diese kriegerische Auffassung in dem karischen Culte des Ζ. Λαβρανδεύς, Χρυσάωρ und Στράτιος hervor, den man auf Münzen mit der Streitaxt, auf anderen in vollständiger Hoplitenrüstung erblickt: ein Dienst welcher nach Herodot den Karern Lydern und Mysern als verwandten Völkern gemeinsam war252 und in welchem wie es scheint Zeus zugleich die physikalische Bedeutung des Donnerers, des später in Kleinasien oft erwähnten Ζ. βροντῶν, und die ethische des nationalen Kriegsgottes und Heerführers hatte.
Ferner hatte Zeus auch an der nationalen Mantik einen bedeutenden Antheil. Denn als Weltherrscher ist dieser Gott auch Inhaber und Verkündiger der Weltgesetze (ϑέμιστες), deren Personification und Prophetin Themis deshalb seine Gemahlin ist, Daher sieht er Alles und weiß Alles (Hesiod W. T. 267 πάντα ἰδὼν Διὸς ὀφϑαλμὸς καὶ πάντα νοήσας) und es versteht sich bei dieser geistigen Allgegenwart des obersten Himmelsgottes von selbst daß auch die Zukunft in seiner Hand ist und alle Andeutungen und Verkündigungen derselben auf ihn als auf ihre höchste Quelle zurückweisen. Vorzüglich sind es die himmlischen Erscheinungen durch die er seinen Willen verkündigt, besonders der Blitz und Donner und sein königlicher Vogel, der Adler253, aber auch alle anderen himmlischen Erscheinungen, wie sie namentlich der Landmann oder der Schiffer beobachtete, daher alle diese Erscheinungen unter dem allgemeinen Ausdruck Διοσημίαι zusammengefaßt wurden. Eine andre Klasse solcher vom Zeus kommenden Andeutungen sind die geisterartigen Stimmen und Klänge der Luft und das dämonische, ohne bestimmten Anlaß sich verbreitende Gerücht, welches die Alten ὄσσα nannten254 auch ὀμφαὶ d. i. omina, daher der allgemeine Beiname Ζ. πανομφαῖος. Daher ist der alte hochberühmte Prophet Tiresias wesentlich ein Prophet des Zeus und seine Weissagung eine Gabe dieses Gottes und überhaupt zielt alle Kunst der Weissagung dahin den Rath des Zeus zu erspähen, welcher indessen, wie Hesiod einschärft, immer viel reicher ist als alle prophetische Erkenntniß255. Von dem Orakel des Zeus zu Dodona ist bereits die Rede gewesen. Neben demselben galt in historischer Zeit besonders das Ammonium in Libyen, welches zwar aegyptischen Ursprungs war, aber so zeitig mit Griechenland in Verbindung stand und von dort so oft befragt und durch Hymnen und religiöse Sendungen gefeiert wurde, auch unverkennbar auf Dodona so bedeutend eingewirkt hat, daß es unbedenklich unter den hellenischen Cultusstätten des Zeus erwähnt werden darf256. Aber auch zu Olympia bestand ein Orakel des Zeus und zwar ein sehr alterthümliches, das in früherer Zeit auch sehr berühmt gewesen und in späterer wenigstens von Sparta aus befragt wurde257 ; das weissagerische Geschlecht der Iamiden stand demselben bis zu den letzten Zeiten des Griechenthums vor, indem es die doppelte Kunst der Divination übte, in der alterthümlichen und weit verbreiteten Form der Empyromantie d. h. der Weissagung aus dem brennenden Opfer, und der Weissagung nach mantischen Stimmen und Klängen. Endlich galt das berühmteste aller griechischen Orakel, das zu Delphi, zwar nicht unmittelbar für ein Orakel des Zeus, wohl aber der pythische Apoll für den Mund des Zeus, Διὸς προφήτης, schon bei Homer und noch entschiedener bei den attischen Dichtern258.
Desgleichen war Zeus in dem Systeme der griechischen Reinigungen und Sühnungen einer der wichtigsten und wirksamsten Götter. Denn er ist auch καϑάρσιος und zwar in der doppelten Sphäre des Naturlebens und des menschlichen Lebens. In der ersteren Hinsicht haben schon die oben behandelten Localdienste, besonders der attische, auf den allgemeinen Zusammenhang der religiösen Ideen geführt, welchen verwandte Gebräuche noch mehr ins Licht setzen werden. Vorzüglich diejenigen welche den in der heißesten Zeit des Jahres, zur Zeit der Hundstage verehrten Gott des erfrischenden Thaus und der kühlenden Winde betreffen, den Zeus ἰκμαῖος und Sender der Etesien, auf welchen Cult wir bei den Mythen vom Aristaeos und Aktaeon ausführlicher zurückkommen werden. Hier sei nur auf die merkwürdigen Gebräuche des Berges Pelion hingewiesen, von denen Dikaearch in einem Bruchstück seiner Beschreibung von Griechenland erzählt. Auf dem obersten Gipfel dieses fruchtbaren und reich bevölkerten Gebirgs befand sich die in vielen Sagen erwähnte Chironische Höhle, der Sitz jenes wegen seiner Heilkraft und der Erziehung vieler junger Helden berühmten Kentauren, und ein Heiligthum des Zeus ἀκραῖος d. h. des Gottes der Bergspitzen und des Wetters, welches in der ganzen Umgegend sehr angesehen war259. Namentlich pflegten beim Beginn des heißesten Sommers, wenn der Hundsstern am Himmel erschien, ausgewählte Jünglinge aus der Stadt Demetrias, wie es scheint, in Procession zu diesem Heiligthum hinaufzuziehn, und zwar bekleidet mit frischen und recht zottigen Widderfellen: so kalt war es oben auf jenem Gipfel, setzt Dikaearch hinzu, doch war der wirkliche Grund dieses Gebrauchs ohne Zweifel ein religiöser.