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Längst wohnt Paul Osborne wieder in Woodhouse am Arkansas; der alte Brown ist sein Vormund, und die schwarzen Gentlemen und Ladies tragen ihren jungen Herrn auf den Händen. Bill Stone, der Mann des Friedens, hat sich mit Hilfe Pauls in Monmouth als Büchsenmacher niedergelassen und macht ein glänzendes Geschäft. Einige Meilen von Woodhouse, in einer einsamen Savanne, haust der "Grizzly" genannte ehemalige Trapper. Seinen wirklichen Namen kennt man nicht. Die Steppe war öde für ihn geworden, als ihm der Sohn seines Herzens fehlte, und er siedelte sich in der Nähe der ehemaligen Heimat, in der Nähe seines Neffen an. Oftmals sucht Paul, der mit großer Liebe an ihm hängt, ihn auf, und hie und da kommt der Alte auch nach Woodhouse. Und dann erinnern sie sich gemeinsamer Abenteuer in der fernen Steppe am Verdigris und Ohsonta und denken des Jünglings, in dessen unscheinbarer Hülle ein solch reines, edles Herz schlug, um dort für ewig still zu stehen.
Unter einer Traueresche, deren Zweige im schattigen Teile des Gartens tief herniederhängen, hat Paul einen einfachen Obelisk aus dunklem Granit errichten lassen, der in goldenen Buchstaben die Inschrift trägt: "Dem Kinde der Prairie."
Manchmal sah man im Abendscheine den alten Trapper sinnend vor dem Steine stehen, und seine Augen waren feucht, wenn er sich langsam hinwegwandte, um sein abgelegenes Heim aufzusuchen.
DER KÖNIG DER MIAMI
Ni-kun-tha – der Schnelle Falke
Way-te-ta – der blonde Indianer
BEGEGNUNG AUF DEM ONTARIO
Ein heftiger Sturm peitschte die Wasser des Ontariosees und wühlte seine Fluten bis in die Tiefe auf. Weißmähnigen Riesenrossen gleich jagten die Wogen dahin; die Luft sprühte vom Gischt, den der harte Südwest den Wellenkämmen entführte. Der riesige See glich einem Meer im Orkan; die bergehohen Wogen bedrohten alles Lebende auf seiner Oberfläche. Die Geräusche des Sturmes und der übereinanderstürzenden Wassermassen vereinigten sich zu einer unheimlichen Sinfonie. Unter dem fahldüsteren Himmel jagten die schwarzen Wolken wie gespenstige Schiffe dahin; sie hingen so tief, daß sie die haushohen Wellenköpfe zu berühren schienen.
Da der Sturm plötzlich und unvermittelt eingesetzt hatte, ohne warnende Boten vorauszusenden, hatten nicht alle Fahrzeuge, die sich in diesem Augenblick auf dem Ontario befanden, rechtzeitig das schützende Ufer erreichen können. Ein einzelnes leichtes Rindenkanu kämpfte hart mit den Wogen; gleich einer Nußschale wurde es hin und her geworfen. In dem winzigen Fahrzeug saßen drei Männer, die es mit einer bewundernswerten Ruhe und Kaltblütigkeit lenkten. Einer der drei Indianer – denn um solche handelte es sich – handhabte das Steuer, während die beiden anderen die schaufelartigen Ruder bedienten. Die Lippen der Männer waren fest zusammengepreßt, die funkelnden Augen unverwandt auf das Wasser gerichtet. Es gehörten nicht nur Mut und Kühnheit, sondern auch eine unvergleichliche Geschicklichkeit dazu, das Kanu vor dem Winde zu halten und seine Bewegungen dem Wellengang anzupassen. Ein einziger falscher Ruderschlag, ein kurzes Nachlassen des Steuers mußten unweigerlich dazu führen, das leichte Gefährt quer vor den Wind zu bringen und es damit dem sicheren Untergange zu weihen. Denn das Ufer war weit und Hilfe nirgendwo zu erwarten.
Zwei der Indianer waren bereits gesetzten Alters, der dritte ein noch sehr junger Mann, der indessen sein Ruder mit gleicher Sicherheit wie sein älterer Gefährte führte; auch sein Gesicht zeigte die gleiche steinerne Ruhe. Das Kanu tänzelte wie ein Spielzeug zwischen den Wellen, bald verschwand es zwischen den Wasserbergen, bald erschien es auf der Spitze eines Wellenkammes, vom Gischt umsprüht. Mit unheimlicher Geschwindigkeit, mehr vom Sturm als von der Muskelkraft seiner Insassen getrieben, jagte es unaufhaltsam gen Osten.
Plötzlich begann einer der Indianer zu singen. Die getragenen, eintönigen Laute mischten sich mit dem Donnern des Sturmes und dem Gurgeln der Wellen; es war, als verschmölzen sie mit dem Tosen der Elemente zu einer phantastischen Melodie. Die beiden Gefährten des Singenden hörten zu, ohne in ihren Anstrengungen im geringsten zu erlahmen. Nicht jedes Wort des Gesanges wurde deutlich, aber immer wieder hoben sich klar und deutlich einige Satzfetzen aus dem großen Brausen heraus:
»Nana-bosch, großer Manitu – du bist über allem – du bist gut!
Die Wasser beherrschst du und den Wind in den Lüften!
Sieh deine Kinder in Not, Nana-bosch!
Sollen sie leben, so besänftige das Wasser!
Sollen sie sterben, so öffne das Tor zu den ewigen Gründen!
Du bist groß, Nana-bosch, du bist gut, deine Kinder sind dein!«
Die Worte klangen auf, vermählten sich mit dem Toben der Wasser und Winde und ertranken darin. Unentwegt handhabten die drei Indianer Ruder und Steuer, aber ihre Kräfte begannen allmählich