"Alle Wetter, Krähenfeder hat seine besten Schützen da unten aufgestellt, er meint es ernstlich."
Der Donner von des Kentuckyers Büchse einte sich mit dem Hall von drei, vier Gewehren, die zu nicht geringer Überraschung der Belagerten von den gegenüberliegenden Felsen abgeschossen wurden. Die Kugeln der auf der Höhe postierten Schützen schlugen dicht neben dem Eingange ein. Aber schnell wie der Blitz riß der Trapper die Doppelbüchse an die Wange, zweimal entlud sie sich, und zweimal ertönte ein Schmerzensschrei von drüben. Auch der Kentuckyer hatte getroffen. Ein Verwundeter, der drüben jäh emporgesprungen war, taumelte nach vorn und blieb dicht am Abgrund liegen, sich mit den Händen an die wenigen dort vorhandenen Grashalme klammernd. Ließ er diesen Halt fahren, stürzte er in beträchtliche Tiefe. Emporzuklettern fehlte ihm augenscheinlich die Kraft. Mit Schaudern sah Paul den Mann über dem Abgrund schweben.
Während der Trapper und Bill eilfertig luden, erschien auf dem Felsen ein halbes Dutzend dunkler Köpfe, von Büchsenläufen begleitet, und nur die vorgewälzten Felsstücke und die Vorsicht, mit welcher sie sich hinter diesen hielten, schützten die Insassen der Höhle vor Verderben.
"Schieß, Junge", rief der Alte.
Paul schoß, aber die in Aufregung abgeschossene Kugel traf den Fels.
Mit einem Schrei, wie ihn nur die Todesangst auspreßt, stürzte jetzt der verwundete Kiowa in den Abgrund.
Wieder krachten von gegenüber Schüsse, denen sich solche, die unten abgefeuert waren, beigesellten. Wieder schossen Bill und der Trapper, ob mit Erfolg war nicht zu erkennen. Einen Augenblick herrschte hierauf Totenstille. Durch diese drang ein leises Geräusch zu des Trappers feinem Ohr - er lugte hinab: "Jetzt gilt's, Kentuckyer, das Messer heraus, sie stürmen!"
Bill und Paul sahen, sich vorneigend, zwanzig Kiowakrieger, welche den Ohsonta herabgeschwommen waren, den Felspfad, der zu ihrer Festung führte, heraufkommen. Die Gewehre der Weißen waren abgeschossen. Von drüben und unten begann wieder das Feuer, das die Belagerten hinderte, irgendeinen Teil ihres Körpers bloßzustellen, und die Stürmenden drangen rasch näher.
"Na, kommt", sagte der Trapper und reckte die herkulischen Arme, "ihr sollt rasch genug wieder hinuntergelangen."
Die stürmenden Krieger waren jetzt so weit emporgelangt, daß die Kiowas unten es geraten hielten, ihr Feuer einzustellen.
Der Trapper, Bill und Paul, waren entschlossen, mit letzter Kraft zu kämpfen.
Die Vordersten der Kiowas - sie konnten nur hintereinander hinaufgelangen, so eng war der Pfad - zögerten einen Augenblick, dem so gefürchteten Gegner entgegenzutreten.
Ein gellender Ruf Krähenfeders, der von unten heraufdrang, trieb sie vorwärts.
Da krachte es von dem stromauf gegenüberliegenden Felsen her zweimal, und die zwei vordersten Kiowas, welche dem Höhleneingang schon sehr nahe gelangt waren, stürzten getroffen nieder. Alles wandte den Blick nach der Stelle, von welcher das Feuer gekommen war. Noch einmal krachte es dort, der Dritte in der Reihe der Kiowas brach zusammen. Da war kein Halt mehr, in wilder Flucht, sich überstürzend, sprangen die Angreifer hinab und verschwanden im Ohsonta.
Auf dem Felsen drüben aber tanzte eine wilde, groteske Gestalt in wunderlichen Sprüngen umher, und die gewaltige Stimme Pucks drang herüber: "Gieb's ihnen, Oheim, Puck ist da!"
"Hurra!" erklang des Trappers Stimme mit der Kraft Stentors.
"Hurra!" wiederholten Paul und Bill.
"Puck, Herzensjunge, kamst zu rechter Zeit. Hurra!"
Auf die Kiowas mußte dieser Vorgang einen gewaltigen Eindruck gemacht haben, denn sie waren lautlos verschwunden. Auch Puck war in die Felsen hinabgetaucht. Erblickt hatten ihn, außer den Belagerten, nur die diesen auf den Felsen gegenüber aufgestellten Krieger. Diese waren durch Abgründe von Puck getrennt. So überraschend war das Eingreifen Pucks in das Gefecht, so geheimnisvoll märchenhaft seine so toll auf dem Felsen umherspringende, unförmliche Gestalt, daß keiner der Kiowas zum Schusse sich aufraffte.
"Mein Junge, mein Goldjunge", sagte der Trapper gerührt, "wußte ja, daß du kamst. - Ruht euch aus, Kinder", wandte er sich an die jungen Leute, "glaube nicht, daß die Kiowas heute zum zweitenmal angreifen. Hat ihnen mein Medizinmann gewaltigen Respekt eingeflößt, halten ihn für einen Zauberer. Will hoffen, daß der Junge dort einen geschützten Zufluchtsort hat. Prachtjunge, der Puck, was, Paul?"
"Ja, Oheim, ein tapferer, edelmütiger Mensch."
"Segne meine Seele, ist der kleine Mann ein Schütze", sagte Bill. "Schoß den Lasso durch, mit dem mich die blutigen Prairieräuber schleifen wollten, und jetzt auf fast dreihundert Schritt drei Treffer. Segne meine Seele, kann der Mann schießen. Vermag's ihm nicht nachzutun, ob ich gleich mit der Rifle aufgewachsen bin."
"Ja, treu wie sein Herz, sind Auge und Hand; er schießt nie fehl. Prachtjunge! Hat den sämtlichen luchsäugigen Kiowas Sand in die Augen gestreut. Er ist schlau genug, sie alle an der Nase herumzuführen. Gott schütze ihn." Nach einer Weile sagte der Trapper: "Daneben übrigens kann eine kleine Mahlzeit nichts schaden, bin gerade im Frühstücken gestört worden, als ihr kamt."
Ruhig, als ob draußen nicht mordlustige Wilde lauerten, griff er zu den vorhandenen Nahrungsmitteln und speiste mit Appetit, und von diesem Beispiel angeeifert, folgten ihm Paul und Bill darin. Doch vergaßen sie nicht der Vorsicht; von Zeit zu Zeit schlich einer oder der andre zum Eingang und spähte hinaus.
Als sie gegessen hatten, sagte der Büchsenschmied: "Wird mein Vater sehr ungehalten sein, wenn er erfährt, daß ich mich auf Krieg eingelassen habe, empfahl mir stets, sollte Frieden halten. Bin auch ganz dafür, habe die Notion, ist das richtige."
"Bin eurer Meinung, Stone, wenn uns die Roten nur in Frieden lassen wollten, wäre mir ganz recht. Habt euch aber wacker gehalten, seid ein furchtloser Geselle."
"Kalkuliere, Sir, werde meinen Mann stehen. Sagte mein Vater immer: 'Suche keinen Streit, Bill, geht's aber nicht anders, dann hau auch wie ein Tiger hinein.' Ist ein kluger Mann, mein Vater."
"Was werden wir beginnen, Oheim?" fragte Paul.
"Hängt davon ab, was Puck vorhat, werden bald von ihm hören, ist listig wie ein Fuchs."
Der Tag neigte sich, und Dunkelheit brach herein; nichts hatte während dieser Stunden die Stille gestört, als ein schwach von der Stelle, wo Puck erschienen war, herüberdringendes Geschrei und ein Geräusch, wie wenn Steine herniederpolterten.
Die Nacht brach umso dunkler herein, als der Himmel umzogen war.
Zur Überraschung der in der Höhle Befindlichen flammte unten Feuerschein auf. Die Kiowas hatten Haufen von dürrem Gras und Holz in der Nähe des Flusses angezündet.
"O", sagte der Trapper, "sie fürchten, wir werden zu entkommen suchen oder einen Überfall machen."
"Wäre das letztere nicht übel, Grizzly", meinte Bill, "kämen, glaube ich, leichter aus der Schlinge, als wenn wir den blutigen Wasserfall hinunterrutschen."
"Ich denke, ihr seid ein friedfertiger Mann, Stone?"
"Hm, Sir, bin's, aber möchte gerne meinen Skalp behalten."
"Kommen nicht durch, Junge, sind zu viele, zu viele mit Büchsen da drüben."
"Könnten wir nicht die Flucht stromauf versuchen, Oheim?"
"Wäre recht, Paul, aber kannst dich darauf verlassen, daß der Strom besetzt ist."
Ein Blitz erhellte die Nacht und ferner Donner ließ sich hören. Große Tropfen fielen hernieder, und bald ergoß sich unter leuchtenden Wetterstrahlen und wiederhallenden Donnerschlägen ein strömender Regen, der im Nu die Feuer der Kiowas verlöscht hatte.
Mit staunender Bewunderung sahen sie oftmals alles um sich her in Feuerschein gehüllt, dessen Glanz selbst durch die herniedersausenden Wassermassen