"Denke, überlegen jetzt, was zunächst zu beginnen. Also das Lager da unten ist leer?"
"Sind ausgerückt, Sir, die Kiowas."
"Und was glaubt ihr, daß zu thun sei?"
"Denke, Sir, gehen hinab, nehmen Pferde und reiten davon."
"Ja, mein guter Bursche, glaubt ihr denn, daß diese Spitzbuben das nicht vorhergesehen und die Pferde bei Seite geschafft haben? Kennen den Grauen Bären und wissen, daß er seine Doppelbüchse in der Hand hat. Wieviel Schüsse habt ihr?"
"Vermute, wird dreißig und mehr geben."
"Gut. Paul kann die Büchse der Rothaut dort nehmen, der Bursche wird wohl auch noch etwas Pulver und Kugeln haben."
Paul hob die Büchse des Mannes, eines alten narbigen Kriegers, auf und nahm dessen Kugelbeutel und Pulverhorn an sich, auch das Messer, welches er am Gürtel trug, nahm er ihm fort. Der von des Trappers Fäusten halb erdrosselte Kiowa war wieder bei voller Besinnung und starrte die Gruppe vor ihm mit vor Wut funkelnden Augen an.
"Ja, alter Bursche", sagte der Trapper zu ihm, "es ist nicht gut, den Pranken des Grauen Bären zu nahe zu kommen. Halte dich ruhig, dann geschieht dir nichts, werde dir nur im äußersten Notfalle den Schädel einschlagen. Kinder", fuhr er, sich zu den jungen Leuten wendend, fort, "hinab wollen wir gehen und uns die Gegend ansehen. Kommt, Stone, teilen wir die Schüsse. Geht ihr voran, ich sichere von hier aus euren Übergang, angesichts meiner Doppelbüchse wird keiner der Roten wagen, auch nur seine Nasenspitze zu zeigen. Drüben nehmt ihr Deckung und sichert so mein Hinüberkommen. Dann wollen wir weiter sehen."
Sie teilten die Munition; Paul lud die dem Indianer abgenommene Büchse, und während sich der Trapper vor der Höhle hinter einem Felsstück etwas umständlich, um gesehen zu werden, niederließ, stiegen Bill und Paul hinab und kreuzten den Oshonta. Dort nahmen sie Stellungen ein, um die Mündung des Hohlweges, der zum Lager führte, bestreichen zu können. Hierauf ging der Trapper hinab und überschritt den Fluß. Vorsichtig nahten sie dem Eingang und lugten hinein, nichts war vom Feinde zu gewahren.
Langsam, die gespannten Büchsen in den Händen, schritten sie weiter, kein Indianer war zu schauen. Sie kamen in den Felsenkessel, einsam lagen die Wigwams da. Vorwärts schleichend erreichten sie den Ausgang, der zur Prairie führte. Weder innerhalb des Felsenkessels, noch hier in der Prairie war ein Pferd zu schauen, auch die Maultiere waren fort. Aber vor einem etwa eine Meile entfernten Gehölz sahen sie Pferde stehen, und gewahrten dabei einige Indianer. Zugleich aber auch eine hoch aufsteigende dunkle Rauchsäule.
"Aha, sie rufen Krähenfeder zurück", sagte der Trapper. "Was nun? Die Felsen dürfen wir im Tageslicht nicht verlassen, könnte nichts uns retten, wenn die Roten zurückkommen. Weiß auch nicht, ob diese Felsenwildnis nicht noch andre Eingänge hat als diesen. Den Oshonta hinabgehen?"
"Stromab muß ein Wasserfall sein, Oheim."
"Stimmt, Knabe, habe sein Rauschen in stiller Nacht deutlich gehört. Die Felsen drüben sind nicht zu übersteigen, schroffe Wände. Müssen hier in die Prairie entwischen oder den Oshonta stromauf oder stromab gehen. Können vor der Nacht nichts unternehmen, haben Luchsaugen, die Roten. Möchte wissen, wo mein Goldjunge, mein Puck steckt? Hoffe, dieser Sohn der Steppe schlägt den Roten ein Schnippchen, ist klüger und gewandter als die alle."
"Rechnest du nicht auf die Cheyennes, Oheim?"
"Ja, Junge, Cayugas wird uns schon beispringen, wenn er kann, ob aber sein Volk dem Kriege geneigt ist, dürfte zweifelhaft sein, und nach allem, was du mir berichtet hast, kann auch den Kiowas jetzt nichts an einem Kampfe mit den Cheyennes gelegen sein. Vermute, ist das Beste, ziehen uns, wenn die Krieger zurückkehren, in meine Höhle zurück und überlassen das Weitere der Nacht und dem Oshonta."
Mit scharfem Auge überflogen sie fortwährend die Steppe, und Stone brauchte sein Glas zu gleichem Zweck. Die Indianer an dem Gehölze veränderten ihre Stellung nicht, und die Rauchsäule stieg vor wie nach empor.
Paul, dessen von Natur gutes Auge durch seinen Aufenthalt in der Steppe geschärft war, erblickte zuerst in der Ferne heranjagende Reiter, und das Glas Stones bestätigte seine Wahrnehmung. Auch die Kiowas am Gehölz sahen die Reiter, wie aus ihrem Verhalten hervorging; einer von ihnen jagte den Kommenden entgegen.
"Na, Jungens, dann auf den Rückzug."
Sie traten den Rückweg durch das Felsenlabyrinth an. Am Flusse angekommen, warf Stone die dort noch aufgestellten Flinten bis auf eine, die er an sich nahm, ins Wasser, alle drei schwammen hinüber und kletterten zu der Höhle, welche dem Trapper als Gefängnis gedient hatte, empor. Der Indianer lag, wie vorher, in seinen Banden. Seiner erprobten Schlauheit und Erfahrung wegen war ihm die Bewachung des gefährlichen Gefangenen anvertraut worden. Um nicht zu oft den Oshonta kreuzen zu müssen, hatten die Kiowas einen Vorrat von Nahrungsmitteln und Trinkwasser in die Höhle gebracht, was den jetzigen Inhabern zustatten kam. Zu ersteigen war der Fels schwierig, und es konnte angesichts dreier sicherer Büchsen nur mit Opfern von Menschenleben geschehen. Da der Eingang der Höhle von unten und sicher auch von den gegenüberliegenden Felsen aus, wenn diese zu ersteigen waren, bestrichen werden konnte, wälzte der Trapper einige Felsbrocken, welche lose umherlagen, herbei, um ihn zu decken. Sie setzen sich nieder, um der Dinge zu harren, die da kommen sollten. Der Graue Bär zeigte seinen gewöhnlichen Gleichmut, und Paul schöpfte hieraus, wie aus der Hoffnungsfreudigkeit, welche der Jugend eigen ist, Mut, die so gefährliche Lage, in welcher sie sich befanden, kaltblütig hinzunehmen. Nur Stone sah verdrießlich aus.
"Nun, mein braver Kentuckymann", sagte der Trapper, "was umdüstert euch den Sinn? Seid nicht niedergeschlagen, war schon in ärgerer Gefahr als jetzt, und hat mir Gott immer davongeholfen."
"Ach, es ist nicht das", entgegnete ihm Stone, "was mir Sorgen macht, aber mir ist eingefallen, daß Paul Osborne noch minderjährig ist und gar keine rechtliche Verpflichtung eingehen kann, daß also der abgeschlossene Kontrakt wertlos ist."
Der Alte sah ihm einen Augenblick verdutzt in das frische, jetzt grämlich dreinschauende Angesicht und brach dann in ein Lachen aus, das den Felsen erbeben machte.
"Segne meine Seele, was seid ihr für ein Bursche, Stone - hahaha, sein Geschäft macht ihm Sorgen - hahaha! Na, Junge, ich habe fünf der besten Rosse, die je in der Prairie herumgelaufen sind, habe einen Vorrat an Kattun, Glasperlen, Pulver, Kugeln, Thee, Rum, Kaffee, wollenen Decken, mit dem ich drei Indianerstämme auskaufen kann, außerdem noch vierunddreißig prächtige Büffelhäute, zwei Leopardenfelle und noch manches andere, ich leiste mit meinem ganzen Vermögen Bürgschaft für Paul Osborne."
Des Büchsenschmieds Gesicht erheiterte sich.
"Ist ein Wort, Sir?"
"Das ist's. Paul zahlt oder ich, hier die Hand drauf."
"Dann ist's recht - bin zufrieden, seid ein Ehrenmann. Nun mögen die Roten kommen. Bin ein friedlicher Bursche, aber mein Skalp ist mir ziemlich wertvoll, möchte ihn gern noch in Louisville zur Schau tragen, ist ein Fakt."
Paul war von des Büchsenschmieds Sorge um ausreichenden Ersatz für seine Verluste, die in solch grellem Gegensatz zu den Gefahren, welche sie umdrängten, belustigt, gleich dem Trapper, und lachte auch. Der gefangene Kiowa vermochte sein Erstaunen über diese Ausbrüche der Heiterkeit in solch seltsamer Lage nicht ganz zu verbergen.
"Sage euch, Kinder", äußerte der Trapper, "ist eine goldene Regel: Nimm's kaltblütig. Hat mich durch manche Gefahren geleitet, hat mich hier unter der freundschaftlichen Bewachung des alten Banditen dort", er deutete auf den Kiowa, "vor Verzweiflung geschützt. Nehmt's kaltblütig, wie's auch kommt."
Ein Geräusch draußen erregte ihre Aufmerksamkeit. Hinauslugend gewahrten sie, wie die Kiowas durch den Felsenpaß große Steine vorwälzten, sorgsam sich gegen etwaige Schüsse vom gegenüberliegenden Ufer deckend.
"Aha", sagte der Trapper, als er das sah, "sie sind da, gleich wird der Tanz beginnen." Einige Schüsse von unten zeigten, daß die Kiowas zum