Die besten Wildwestromane & Seegeschichten. Franz Treller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Treller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238613
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zu versuchen, um den jungen Weißen zu befreien.

      Er vermochte von seinem jetzigen Standort aus mehrere Felsschluchten weithin zu überblicken. Die Nacht nahte schnell, und es war klar, daß die Seneca die Verfolgung bald aufgeben und zum Lagerplatz zurückkehren würden. Tatsächlich tauchte bereits einer der Krieger, auf dem Rückweg begriffen, auf und kam auf ihn zu. Ni-kun-tha ließ ihn nahe herankommen, zielte und schoß. Der Mann stürzte zusammen. Der Miami war mit wenigen Sprüngen neben ihm, nahm dem Toten Büchse und Skalp, sprang in eine Seitenschlucht und kletterte über die Felsen, den ziemlich weit zerstreuten Feinden entgegen.

      Er brauchte nicht lange herumzuspähen, als er zwei von ihnen, die den Schuß gehört haben mochten, die Schlucht zur Rechten herabkommen sah. Er hatte beide Gewehre, über die er jetzt verfügte, schußfertig gemacht. Die Irokesen waren natürlich der Meinung, einer der ihren habe den Flüchtigen entdeckt und nach ihm geschossen. Sie sahen sich scharf um, beachteten aber weiter keine Vorsichtsmaßregeln, die dem waffenlosen Gegner gegenüber ja auch unnötig erschienen.

      Sobald sie in Schußweite waren, feuerte Ni-kun-tha. Einer der Männer fiel, durch die Brust getroffen, auf das Gesicht, der andere stand ein paar Sekunden wie erstarrt und sah zu dem Felsgipfel empor, von dem der Schuß gefallen war; er mußte den dort aufsteigenden Pulverdampf sehen. In blitzschneller Erkenntnis suchte er Deckung, allein es war zu spät; die Kugel des Miami erreichte ihn noch im Sprung; zwischen die Schulterblätter getroffen, brach er zusammen.

      Jetzt tauchte fast unmittelbar hinter dem Gefallenen der letzte Verfolger auf. Da er die beiden Krieger in ihrem Blut liegen sah, zuckte er zusammen und sprang, einen leisen Überraschungsschrei ausstoßend, hinter den nächsten Felsen.

      Ni-kun-tha nahm seine beiden Gewehre, glitt den Felsen hinab, lief in Richtung auf den Fluß, hielt nahe des Ausgangs der Schlucht inne, lud seine Waffen und kletterte am nächsten Felsenhang hoch. Auf dem Gipfel legte er sich nieder und umwand sich den Kopf mit Gräsern und Zweigen. Seine funkelnden Augen durchspähten die sich seinem Blick darbietenden Schluchten und Gipfel. Nach einer Weile gewahrte er auf einem Felsen fast genau gegenüber den Feind in bedrohlicher Stellung. Der Mann mußte ihn gesehen haben, denn die Büchse des Seneca war auf ihn gerichtet. Der Miami vermochte seinerseits nur einen Teil des Kopfes und des rechten Armes seines Gegners zu erkennen. Er schoß trotzdem, erkannte aber sogleich, daß seine Kugel das Ziel verfehlt hatte. Er griff zu der zweiten Büchse und zielte abermals. Zwei Schüsse knallten gleichzeitig, aber weder Ni-kun-tha noch der Irokese traf; der Miami hörte die Kugel dicht an seinem Ohr vorüberpfeifen.

      Aufspringend eilte der junge Häuptling mit erstaunlicher Schnelligkeit, die abgeschossene Büchse in der Hand, an der Rückseite des Felsens hinab und lief auf die Stellung des Seneca zu, um diesen, bevor er noch laden konnte, zu überraschen und den Kampf mit Messer und Tomahawk zu beenden. Er wußte, daß er diesen Feind nicht entrinnen lassen durfte. Denn kam er heil zum Feuer zurück, war es um John zweifellos geschehen. Die beiden überlebenden Irokesen hätten es nie gewagt, mit einem so gefährlichen Feind auf den Fersen, sich durch einen Gefangenen in der Bewegungsfreiheit hindern zu lassen.

      Ni-kun-tha hatte einen zweifellos sehr gefährlichen Feind vor sich. Er sah, um eine Felsecke blickend, den Irokesen in kaum fünfzig Schritt Entfernung auf sich zukommen. Offenbar hatte er seine Stellung in der gleichen Absicht wie sein Gegner verlassen. Im Augenblick, da sie sich erblickten, blieben beide Indianer stehen und maßen einander mit haßerfüllten Augen. Der Irokese ließ den Kolben seiner Büchse zur Erde sinken und griff zum Pulverhorn. Ni-kun-tha tat es ihm nahezu gleichzeitig nach. Sich gegenseitig unausgesetzt im Auge behaltend, begannen beide, mit kurzen, genau berechneten Griffen ihre Büchsen zu laden. Beide wußten: derjenige von ihnen, der dem anderen auch nur eine Sekunde Vorsprung ließ, war unweigerlich verloren. Das Pulver war im Lauf; beide schoben gleichzeitig den Pfropf nach. Wie Soldaten auf dem Exerzierplatz zogen sie die Ladestöcke und stießen sie in die Läufe. Blitzschnell griff Ni-kun-tha zur Kugel und wickelte sie in das Pflaster aus weichem Leder, aber der Irokese war ebenso schnell, in der gleichen Sekunde setzten beide die Ladestöcke an, um sie hinabzutreiben. Ein, zwei, drei Stöße – die Kugeln saßen auf der Ladung. Jetzt galt es das Pulver noch auf die Pfanne zu schütten, und die Gewehre waren schußfertig. Bis jetzt war keiner der beiden Gegner dem anderen auch nur um einen Handgriff zuvorgekommen.

      Ein Gedanke zuckte Ni-kun-tha blitzartig durchs Hirn: in der schnellen Ausführung und im Gelingen lagen Sieg oder Tod: Es mußte möglich sein, durch starkes Aufstoßen des Büchsenkolbens auf den Boden genügend Pulver durch das ziemlich weit gebohrte Zündloch in die Pfanne zu bringen. Gedanke und Ausführung waren nahezu eins. Während der Irokese sein Gewehr hob, um die Pfanne in den Bereich seines Pulverhornes zu bringen, stieß Ni-kun-tha seine Büchse mit hartem Ruck kräftig auf den felsigen Boden, riß sie im gleichen Augenblick an die Wange und schoß. Der Schuß brach; durch das Herz getroffen, sprang der Seneca hoch und fiel nieder auf das Gesicht.

      Ni-kun-tha wollte eben einen gellenden Siegesschrei ausstoßen, als ihm bewußt wurde, daß er den am Feuer zurückgebliebenen Seneca dadurch warnen würde. Schweigend ging er zu dem Gefallenen, bemächtigte sich der blutigen Siegestrophäe und suchte dann auch noch die beiden anderen Toten auf, um den Skalp an sich zu bringen. Dann wählte er sorgfältig das beste der Gewehre aus, nahm außerdem noch Pulverhorn, Kugelbeutel, Messer und Tomahawk an sich und zog sich in ein Versteck zurück, von dem aus er die Prärie überblicken und das buschige Flußufer wie den dunklen Waldsaum im Hintergrund wahrnehmen und beobachten konnte. Geduldig wartete er, bis die Nacht völlig hereingebrochen war, dann ging er, außer den eigenen auch noch die für John bestimmten Waffen und Ausrüstungsgegenstände tragend, dem Fluß entgegen. Oberhalb der Lagerstelle überquerte er das Gewässer, nachdem er sich für den trockenen Transport der Waffen und des Pulvers ein kleines Floß gebaut hatte, und betrat das jenseitige Ufer.

      An dem hell lodernden Feuer saß der alte Irokese, bald in die Glut starrend, bald angestrengt lauschend oder auf John blickend, der mit Stäben gefesselt regungslos neben ihm lag. Beide hatten den fernen Widerhall der Schüsse vernommen, John von schmerzlichen Gedanken bewegt, mußte er doch damit rechnen, daß sämtliche Schüsse seinem roten Freunde galten und daß eine Kugel davon ihr Ziel schließlich erreichte. Nun herrschte nachtschwarze Dunkelheit ringsum, und längst war der Kampflärm verstummt. Jeden Augenblick konnten die Verfolger zurückkommen. War Ni-kun-tha gefangen oder gar gefallen, gab es keine Hoffnung mehr.

      Ein leises Geräusch in seinem Rücken ließ den Irokesen herumfahren. Ein jäher Ausruf des Erstaunens entfuhr ihm, als im Schein des lodernden Feuers, Siegesfreude im bronzenen Antlitz, der verhaßte Miamihäuptling vor ihm stand, den blinkenden Tomahawk wurfbereit in der Hand. So völlig fassungslos und entsetzt war der alte Krieger, daß er sekundenlang zu jeder Bewegung unfähig stand, dem Todfeind in die funkelnden Augen starrend.

      »Der Sohn Tana-ca-ris-sons grüßt dich, Seneca!« rief Ni-kun-tha. Der Tomahawk, mit unfehlbarer Sicherheit geschleudert, fuhr in die Stirn des reglosen Mannes; lautlos brach der Mann in die Knie und stürzte zusammen.

      John war heftig zusammengezuckt, als er die ihm so wohlbekannte Stimme vernahm; jetzt entrang sich ein Freudenschrei seinem Mund. Die heftige Bewegung, mit der er sich hochreißen wollte, hätte ihm fast die Kehle zugeschnürt; aufstöhnend sank er zurück. Sekunden später fielen seine Bande; Ni-kun-tha kniete neben ihm und verhalf ihm zu einer sitzenden Stellung. »So, Schnelle Büchse«, lächelte der Häuptling, »Ni-kun-tha wieder da.«

      »Und die Irokesen?« stammelte John.

      Der Miami wies auf die frischen Skalpe an seinem Gürtel; der junge Weiße zuckte unwillkürlich zurück; ein Schauer überlief ihn. »Wie hast du das fertiggebracht?« flüsterte er.

      Ni-kun-tha erstattete in kurzen Worten Bericht. Ein grollendes Lachen ausstoßend, schloß er: »Die Seneca werden künftig heulen, wenn sie den Namen Ni-kun-tha hören. Ni-kun-tha ist der Sohn seines Vaters, ist der König der Miami!«

      »Ich hielt dich für schwerkrank, beinahe für tot«, sagte John, der die jähe Wendung immer noch nicht zu fassen vermochte.

      »Ni-kun-tha tat wie der Fuchs«, lächelte der Häuptling. »Du nie gesehen? Fuchs stellen ganz tot. So Ni-kun-tha. Irokesen glauben, er tot – dumme Coyoten!«