Nun mag sich die Frage stellen, wem diese »jedermanns Arbeit« gehört. Inwieweit ist eine neue Sichtweise vonnöten oder beispielsweise die soziale Institution Jugendhilfe angesprochen, sich mit der Schulsozialarbeit als einen kompetenten und qualifizierten Partner für soziale Aufgaben in der Schule einzubringen? Inwieweit formuliert, steuert und reflektiert sie ihren Aufgabenbereich konkret, inwieweit tut dies die Schule? Deshalb liegt die Frage, was Jugendhilfe über Schule wissen muss, ebenso nahe wie die Frage danach, inwieweit eine Kooperation beider Partner angemessen leistbar ist und was insbesondere die Schulsozialarbeit in Form schulorientierter Kenntnisse wie dazu beitragen kann. Eine neue Sichtweise besteht also darin, das berufliche Feld klar und präzise beschreiben zu können und zu erklären, vor welchem Hintergrund ich methodisch arbeite und worauf sich meine Haltung stützt.
Dazu richten wir einen metaperspektivischen Blick auf das System »Schule«, denn das ist das tägliche schulsozialpädagogische Tätigkeitsfeld. Es werden Synergieeffekte deutlich werden, die es dem Schulsozialarbeiter erleichtern, Schule besser zu verstehen, sein sozialpädagogisches Handeln zu reflektieren und die Beratungstätigkeit mit dem Blick auf Systeme zu stärken, mit denen er täglich zu tun hat. Aber zunächst …
Der etwas andere Blick auf Schule
Schauen wir mit den Augen der Schule, sehen wir ein reichhaltiges Potenzial an Entwicklungsenergie. Ständig in Bewegung, arbeiten Schulen am Schulprogramm und Profil ebenso, wie sie neue Methoden und neue Formen der Kooperation mit Eltern entwickeln und sich gegenüber Gemeinden und Institutionen öffnen (Schratz u. Steiner-Löffler 1998). Stellvertretend dafür stehen unterschiedliche Entwicklungsprogramme wie zum Beispiel das Konzept »Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule (GÖS)« (Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 1999) oder Modellprojekte wie »Selbstständige oder eigenverantwortliche Schule« mit einem von Schulexperten herausgegebenen Leitfaden (Hammer et al. 2014). In den Schulgesetzen der Bundesländer finden sich dazu unterschiedliche Formulierungen hinsichtlich Qualitätsentwicklung, Profilbildung, Innovation, aber auch zu Gestaltungsfreiraum und Eigenverantwortung zur Verbesserung von Schule. Damit werden Schulen aufgefordert, pädagogische Initiativen zu ergreifen, sich ihrem Umfeld zu öffnen, außerschulische Initiativen und nicht zuletzt Eltern als Partner in die Gestaltung des Schullebens einzubeziehen. Integrative Konzepte inhaltlich pädagogischer Zusammenhänge von Unterricht und Betreuung sind als eine Chance von Schulentwicklung zu verstehen (Schirp 1997; Burk 1990; Holtappels 2003).
Schulentwicklung ist ein weites Feld und in den letzten Jahren zu einer Chiffre geworden. Schulentwicklung ist ein Prozess, ein Systemzusammenhang von Organisations-, Personal- und Strukturentwicklung, von Unterrichts-, Projekt- und Kooperationsgestaltung. Ganz besonders ist die Schulentwicklung aber Entwicklung der Einzelschule. Sie rückt als pädagogische Handlungseinheit immer mehr in den Mittelpunkt von Reformbemühungen (Rolff et al. 2000). Insofern spricht Jürgens (2014) von einem Perspektivenwechsel, nämlich Verantwortung anteilig an den Ort zu verlagern, an dem Gestaltung und Handlung stattfinden, in die einzelne Schule. »Mit der Einzelschule ist das Ganze der Schule gemeint« (Rolff et al. 2000, S. 14), und je nach Betrachtungsebene können sich unterschiedliche Schwerpunkte bilden (Huber u. Büeler 2009). Gegenüber »Qualität« gewinnt der Begriff »Wirksamkeit« an Bedeutung, und Schulexperten wie Huber et al. (2014) sehen in der schulischen Entwicklung die erzieherische Wirksamkeit zwischen Zielvorstellung und pädagogischer Umsetzung. Als Erfolgsfaktoren für Entwicklungsprozesse nennt Schley (1998) die Bereitschaft zu Veränderung, Übernahme von Eigenverantwortung der Mitarbeiter wie auch die Pflege einer Kommunikations-, Konflikt- und Vertrauenskultur. Schule ist jedoch auch ein konflikthaftes Kräftefeld mit unterschiedlichen Beteiligten, in dem sich diese Aufgabe abspielt.
»Entgegen allen Immobilitätsthesen haben sich Schulen als erstaunlich lernfähig und wandlungsfähig erwiesen, haben neue Funktionen übernommen, Integrationsaufgaben bewältigt und die inneren Strukturen weiterentwickelt. Dennoch: Lust und Frust liegen dicht beieinander. Was den einen gut gelingt, scheitert bei den anderen […]. Trotz vieler gelungener Beispiele überwiegt allerdings immer noch der programmatische Charakter« (ebd., S. 13).
Es stellen sich Fragen: wie der strukturelle und der inhaltliche Wandel gelingen können, wie wir eine emotionale Neuorientierung erreichen und wie die Betroffenen zu Beteiligten werden. Zur Bewältigung systemeigener Widersprüche, aber auch von Vielfalt und Komplexität stellt der Autor das eigene soziale Handeln als unverzichtbares Element in den Mittelpunkt.
Schule ist ein soziales System. Es geht um das Ganze und um jeden Einzelnen. Jedes große und kleine System hat eine eigene Dynamik, und die Aufgabe eines Systems besteht darin, die eigene Existenz zu sichern (Sinn- und Systemerhalt). Systeme bestehen aus Elementen, die eine Beziehung sowohl untereinander als auch zur Umwelt haben. Systeme haben eine Funktion und bilden ineinandergreifende und aufeinander bezogene Subsysteme. Eine komplexe Aufgabe wie Schulentwicklung ist nicht dadurch zu bewältigen, dass man Schulen von oben etwas aufbürdet und die einzelnen Menschen außer Acht lässt, denn das System Schule besteht aus
»kommunizierenden und kooperierenden Menschen […]. Die Menschen sind es, die Schule machen. Schule ist eine komplexe Organisation […]. Das macht sie vielseitig, entwicklungsoffen und gestaltbar« (ebd., S. 15 f).
Schule ist in Bewegung, denn auch
»Lehrer und Lehrerinnen müssen Aufgaben erfüllen, die sie bisher nicht in ihr berufliches Selbstverständnis verortet haben […], weil sich das Umfeld, die Schülergenerationen und die Lehrerinnen und Lehrer im Laufe ihrer beruflichen Sozialisation ändern« (Rolff 2012, S. 12).
Schule ist vielfältig, und von unterschiedlichen Ebenen aus wird man immer nur bestimmte Seiten sehen können. In Systemen kann nicht von linearen Ursache–Wirkungs-Beziehungen, sondern muss von Wechselwirkungen ausgegangen werden. Es kann nicht an einer Stelle etwas verändert werden, ohne dass es Auswirkungen auf andere Bereiche gäbe (Rolff et al. 2000).
Deshalb sind Unterstützung und Beratung nötig und verständlich, denn es geht nicht nur um Methoden und Projekte oder Technik und Methodik, so Rolff, sondern die Einstellung zum Menschen gibt den Ausschlag für Wachstum und Entwicklung. Eine Zusammenarbeit mit Beratern ist daher wünschenswert und unerlässlich. So sprechen Huber et al. (2014) von einem weitverbreiteten Bemühen in Expertenkreisen, die Qualität an Schulen weiterzuentwickeln bis hin zum einzelnen Schüler. In Krisen geht es nicht nur um die Organisation »Schule«, wo Menschen miteinander kommunizieren, auch auf allen anderen Ebenen des Schullebens, wo Schüler, Lehrer und Eltern miteinander kommunizieren, kann es zum Ungleichgewicht kommen, zu Kritik, zu Ärger, zu Enttäuschung, zu Frustration, wenn die Balance gestört ist. Deshalb ist nicht nur die Orientierung am System »Schule«, sondern die an jedem einzelnen Schüler und Lehrer erforderlich, wenn man die Motivation und die Bereitschaft zu Lernen und Lehren erhöhen will (Just 2016b). Schule muss sich entwickeln, zielorientiert und strukturiert. Fachleute nennen dies Organisationsentwicklung (OE). Das muss jede Schule für sich selbst tun. Dabei kann sie auf eine Schulentwicklungsberatung zurückgreifen als ein
»offenes, planmäßiges und langfristiges Vorgehen im Umgang mit Veränderungsforderungen und Veränderungsabsichten in sozialen Systemen« (Rolff 1993, S. 153).
Bei der Schulentwicklungsberatung tätig sind einschlägig ausgebildete Schulentwicklungsberater.3 Ein Schulentwicklungsberater moderiert den Entwicklungsprozess der Schule, beginnt bei Problemen im Alltag und setzt bei Stärken und Bedürfnissen aller Beteiligten an. Durch die Beratung soll eine Übereinstimmung von Werten und Zielen erzeugt und eine konstruktive Kommunikationsstruktur bewirkt werden. Sie soll die Bereitschaft zur Kooperation erhöhen, damit Schulen sich besser veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und Bedürfnissen ihrer Mitglieder anpassen können. Nicht zuletzt soll die Problemlösungsfähigkeit erhöht werden (Rolff et al. 2000). Da systemisches Denken als ein Grundprinzip der Organisationsentwicklung verstanden wird, ist auch der systemische Beratungsansatz