Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Karl Wezel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222193
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nicht sein und mit meinem Liebhaber mich in solchen Umständen wie Amalie befinden. Die Ehre ist ein skrupulöses Geschöpf: So gern sie Skrupel macht, so gern hört sie dieselben auch an; das Point d'honneur hält wohl zurück, aber es setzt keinen Finger in Bewegung.

      Das ganze Resultat seiner Beratschlagung war, daß seine Ehre ihn verbinde, jedes Schicksal mit Amalien zu teilen und ihr seinen Schutz nimmermehr zu entziehn. Kurz darauf stellte ihm eine andre Überlegung vor, was für Aussichten er durch seine Entfliehung sich in Ansehung seiner Glücksumstände benommen und in was für ein mühseliges kummervolles Leben er sich hineingeworfen, was für ein Vermögen er zurückgelassen und in welche Armut er hineingerennt sei, daß er, ohne die stärkste Rache von Amaliens Eltern zu fürchten, in langer Zeit noch nicht sichtbar werden könne, kurz, daß alles Glück für ihn verloren und alles Unglück gewiß sei. – Doch die Ehre verbindet mich, dies gemeinschaftliche Schicksal mit Amalien zu tragen! war abermals sein Schluß.

      Indessen – Amalie befindet sich hier nicht übel; wenn ich ihr zu ihrem Unterhalte etwas Zureichendes zurückließe und ausginge, um eine Versorgung zu suchen, die uns beide nähren könnte, wäre dies nicht klüger und gerechter gegen sie, als wenn ich untätig bei ihr bliebe? – die Ehre will es.

      Nein, hieß es ein andermal, eine schlechte Versorgung! Was für eine werde ich finden? – Ich habe sie aus der Bequemlichkeit herausgerissen; ich muß sie ihr wiederschaffen. Meine Ehre verbindet mich dazu.

      Aber wie schaffe ich ihr die eingebüßten Bequemlichkeiten wieder? – Wohlan! ich gehe aus; wo ich sie finde, teile ich sie mit ihr.

      Doch Amalie wird sich über meine Abwesenheit und über ihre verlaßnen Umstände zu Tode grämen.

      Hierauf sagte ihm seine Ehre kein Wort, und hätte es ein Rest von Liebe zu Amalien nicht dahin gebracht, so wäre die arme Unglückliche noch denselben Tag von ihm heimlich verlassen worden. So verschob sich der Anschlag noch. – Doch nicht lange; denn die Nacht darauf stahl er sich fort, nachdem er ihr eine unbeträchtliche Summe zurückgelassen hatte.

       Inhaltsverzeichnis

      Amalie, da sie seine Abwesenheit bemerkte, kam nicht einen Augenblick lang auf die Vermutung einer Untreue; sie fand hingegen eine Menge für Siegmunden rühmliche Ursachen, die ihn zu einer solchen heimlichen Entfernung bewegt haben konnten. Sie glaubte nichts gewisser, als daß er Absichten habe, nach deren Erreichung er zu ihr zurückkommen werde. Um indessen von den Leuten, in deren Hause sie war und die nicht um die Hälfte mehr so freundlich aussahen, weil sie vermuteten, daß ihre Bezahlung bald aufhören möchte, noch weiter geduldet zu werden, entschloß sie sich, mit Arbeiten ihnen das Brot abzuverdienen. Sie arbeitete also, so gut es ihre Kräfte erlaubten, seufzte, weinte im stillen und erwartete zuversichtlich, daß Siegmund sie bald aus diesem Zustande befreien werde: eine Hoffnung, die ihr Kräfte, Mut, Geduld und alles gab!

      Siegmund setzte unterdessen seine Wanderschaft unter mancherlei Schicksalen fort, und hätte er gewußt, daß Amaliens Anverwandte nichts weniger als Neigung hatten, sie zurückzuholen, sondern sehr wohl zufrieden waren, daß sie diese Partie ergriffen hatte, so würden alle seine Vorsichten, seine Entdeckung zu verhüten, unnötig gewesen sein und er sich verschiedene Beschwerlichkeiten erspart haben. Der ganze Erfolg seiner Reise war nichts als eine Reihe Anschläge, Vereitlungen, Projekte, Versuche, getäuschte Erwartungen, und am Ende blieb ihm nichts übrig, als Amalien auf immer zu vergessen und in der Neuen Welt ein Glück zu suchen, das er in der Alten nicht finden konnte. Auch mußte ihm dieser Entschluß nicht schwer werden, da die lange Entfernung von seiner Geliebten ihn von seiner ehmaligen Liebe nichts als ein augenblickliches vorübergehendes Andenken an sie in einer einsamen traurigen Stunde zurückgelassen hatte; demungeachtet konnte er ihn so wenig fassen, daß er sich sogar die erwünschteste Aussicht, unter vorteilhaften Bedingungen in einer englischen Kolonie anzukommen, entgehen ließ, das Anerbieten eines Freundes, ihn mit dahin zu nehmen und für ihn allen seinen Kredit anzuwenden, ausschlug und zu Amalien zurückeilte.

      Die Ursache einer so plötzlichen Veränderung seiner Gesinnungen war diese: Als er am meisten mit seiner Überfahrt nach Amerika umging, wurde ihm eines Abends in einer Gesellschaft die Geschichte eines Mannes erzählt, die so völlig die seinige war, daß es seine Begebenheiten unter fremdem Namen zu sein schienen – die Geschichte eines ungetreuen Liebhabers, der sein Glück in Amerika gesucht, es nicht gefunden hatte und zuletzt vom Donner erschlagen worden war, welches die ganze Gesellschaft für eine gerechte Strafe seiner Untreue erklärte und den Treulosen mit den schimpflichsten Namen brandmarkte. Eine hochgespannte Seele braucht nur leise Berührungen, um Empfindung ihrer selbst zu erwecken. – Siegmund wurde bestürzt, begab sich eilends fort, verschloß sich in seine Wohnung, wo die Ehre ihm die schärfste Gesetzpredigt hielt und ihn sich als den schwärzesten Verräter vorstellte; eine solche Vorstellung war für ihn abscheulicher als der schmählichste Tod, er nahm also eine Entschließung, die ihn von der Qual befreite, sich in dem verhaßten Lichte eines ehrlosen Betrügers zu betrachten. Er beschloß, sein Leben zu endigen und, nach seinem Ausdrucke, der Strafe des Himmels zuvorzukommen; doch, um Amalien wenigstens durch seine Reue genugzutun, unternahm er eine weite Reise zu ihr zurück, ohne zu wissen, wo er sie finden sollte. Er kam auch wirklich an dem Orte an, wo er sie verlassen hatte, erkundigte sich unter der Hand nach ihr, erfuhr, daß sie sich zeither beständig von Handarbeit habe nähren müssen, noch bei dem nämlichen Manne sei, bei welchem er sie gelassen hatte, daß sie nach dem Tode seiner Mutter seine Hausfrau vorstelle, aller Vermutung nach seine wirkliche Frau werden möchte und ihres gegenwärtigen Standes völlig gewohnt sei, außer daß man zuweilen eine Abwesenheit des Geistes, eine Melancholie bemerkte. Diese Erkundigungen, so vorsichtig sie auch geschahen, waren doch zu Amaliens Ohren gekommen; sie wußte nicht, von wem sie geschahen, aber doch daß sie um ihrentwillen gemacht wurden. Siegmund sahe sie sogar, als sie auf das Feld ging, von der Sonne verbrannt, bleich, in dürftiger Kleidung, mit einem Gesichte, auf welches Kummer und Melancholie einen starren unbeweglichen Blick gedrückt hatten, ohne Reiz, ohne Anmut; ihre Augen, die er sonst die Augen der Venus nannte, waren itzt wie ein paar erloschne Sterne, ohne den mindesten Geist, starr, ihre ganze Miene ein Bild der Stupität; und hätte er ihr Gehirn sehen können, so würde er gefunden haben, daß ihre Miene der Abdruck davon war, so sehr hatte die harte Begegnung ihrer Anverwandten und ihre nachmaligen Bekümmernisse ihren vorher glänzenden Verstand daniedergedrückt.

      Dieser Anblick war für Siegmunden so gut als die fürchterlichste Bestrafung. Sehen, beschließen, tun war eins; er zog ein Terzerol aus der Tasche und schoß sich auf der Stelle vor den Kopf.

      Amalie hörte den Schuß, und als wenn sie eine geheime Ahndung dahin riefe, ging sie nach dem Orte zu, wo er gefallen war. Sie fand einen Menschen, der mit dem Tode rang und bei ihrer Ankunft die Augen öffnete. Sie erschrak und blieb bestürzt stehn, ohne zu wissen, wozu sie sich entschließen sollte. Ein innerlicher Zug nötigte sie, sich zu nähern und den Toten zu betrachten, und gleichwohl hielt sie die Furcht zurück. Sie hatte das Herz nicht; endlich lief sie nach Hause, machte den Zufall bekannt, und Siegmund wurde gerichtlich aufgehoben. Bei der Durchsuchung fand man ein Billett an Amalien, welches er ihr vermutlich hatte überliefern lassen wollen, wenn er nicht durch Amaliens Erblickung in eine zu plötzliche Hitze getrieben worden wäre. Ihr Aufenthalt, ihr Name und andre Umstände waren in der Aufschrift zu deutlich bezeichnet, als daß man sie nicht hätte erkennen sollen. Das Billett war folgendes:

      Amalie,

      Ich verließ Sie, nicht um Ihr Verräter zu werden, sondern um so lange herumzuwandern, bis mich das Glück in den Stand setzte, Ihnen den Verlust zu ersetzen, den Sie durch meine Liebe erlitten haben. Das Glück hat es nicht gewollt; und meine Ehre verlangt, daß ich Ihnen auch für die Falschheit des Glückes Genugtuung schaffe. Vergessen Sie mich, denn ich bin treulos genug gewesen, Sie um eines ungewissen Glückes willen, das ich mir in Amerika versprach, auf immer vergessen zu wollen. Beten Sie für meine Seele, denn ehe Sie dieses Billett empfangen, bin ich tot.

      Siegmund

      Amalie, die bisher schon öftern Anfällen von Schwermut ausgesetzt gewesen war, verfiel bei Empfange dieses Briefes in die trübsinnigste