»Na, geh scheißen, altes Haus. Drüben in Spülzelle. Dass du aber keine drinnen stößt, sonst alles Qualm und Doktor schimpft.«
»Bestimmt nicht, Herr Oberwachtmeister.«
Und Kufalt verschwindet in der Spülzelle, deren Tür er anlehnt. Der Sicherheit halber zieht er die Hosen runter, aber dann stellt er sich mit dem Rücken gegen den Spion, nimmt hastig den Schein aus dem Halstuch, schiebt ihn tief in die Socken (so, Batzke, Kippe is nich), macht sich zurecht, lässt einen Augenblick die Wasserleitung laufen und stellt sich wieder in Reih und Glied.
Petrow steckt den Kopf prüfend in die Spülzelle und zieht ihn befriedigt zurück. »Nicht geraucht, keine gestoßen, braver Kerl, Kufalt.«
Und Kufalt fühlt sich ob dieses Lobes richtig gerührt.
Doch Batzke flüstert: »Na, Mensch, Kufalt, wie is …? Kommst du rüber mit der Sore oder soll ich …?«
Und Kufalt dagegen: »Und was ist mit dem dicken Jud und der nackten Schickse? Mensch, hau bloß ab, bei mir immer Fehlmeldung!«
»Na also«, grinst Batzke. »Hast du den Stubben auch hochgenommen? Sauber! Sauber!«
Aus der Ecke grollt eine drohende Stimme: »Wie lange sollen wir hier noch in Socken auf dem kalten Fußboden stehen? Eine Schweinerei ist das! Beschweren werde ich mich!«
Petrow grinst. »Die Herren aus dem Zuchthaus? Hat sich Medizinalrat so angeordnet. Kann ich nichts machen, Herren. Beschweren sich bei Medizinalrat.«
»Möchte ich auch wissen«, sagt Kufalt leise zu Bruhn, »warum diese Schweinerei ist. Zehnmal habe ich mir schon den Husten bei dieser Steherei auf dem kalten Fußboden geholt.«
»Dass wir den Herren Lazarettkalfaktoren ihr Linoleum nicht zerkratzen«, meint Batzke.
»I wo«, erklärt Bruhn, der alles weiß. »Das ist schon sechs, acht Jahre her, da hat mal ein Gefangener dem Arzt die Latschen um den Kopf gehauen. Seitdem darf kein Gefangener mehr in Latschen zu ihm.«
»Verdammte Schweinerei«, knurrt Kufalt. »Wir dürfen uns hier erkälten, weil …«
»Wir sind eben Vieh«, sagt Batzke. »Aber ich will’s denen draußen auch fein zeigen, was ich für ein Vieh bin!«
Die Gefangenen sind dahingeschmolzen wie Schnee an der Sonne, es hat mehr Krach gegeben, mehr Geschrei, empörte Proteste oder weinerliches Gewinsel, aber zum Schluss hat immer die dicke Schulter des Lazaretthauptwachtmeisters die Leute aus der Tür gekantet, Petrow hat sie weiterbefördert, hat mitfühlend ihre Klage angehört und ist froh gewesen, wenn er sie aus dem Lazarett raus hatte. Nun kommen nur noch die beiden Zuchthäusler und die Entlassungen dran.
»Pass auf, jetzt gibt’s Krach«, rät Kufalt.
»Glaub ich nicht«, zweifelt Bruhn. »Sollte mich wundern.«
Und nach fünf Minuten erscheinen die beiden wieder aus dem Arztzimmer, mit denselben ausdruckslosen Gesichtern, und diesmal taucht der Herr Medizinalrat selbst hinter ihnen auf. »Der Hauptwachtmeister bringt Ihnen gleich die Medizin rauf. Ja, auch Watte. Jawohl.«
»Die können’s besser, die Jungen«, beneidet sie Kufalt.
»Ach was«, sagt Bruhn, »feige ist er bloß, der Doktor. Das können doch Lebenslängliche sein – und was riskieren die schon, wenn sie ihm in die Fresse schlagen? Lebenslänglich bleibt immer lebenslänglich. Das weiß der Doktor ganz gut.«
»Kehrt! Den Arzt anschauen! Das sind die Leute, die diese Woche zur Entlassung kommen, Herr Medizinalrat.«
»Schön.« Der Medizinalrat sieht nicht hoch. »Die Leute können abgeführt werden. Alle gesund, alle arbeitsfähig, Herr Hauptwachtmeister.«
»Dafür haben wir hier nun eine Stunde gewartet«, sagt Bruhn.
»Aber ich schreibe eine dicke Beschwerde, wenn ich raus bin«, erklärt Kufalt.
»Vieh muss wie Vieh behandelt werden«, grinst Batzke. »Recht hat er, der Pflasterkasten!«
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