Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962813598
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lie­ber Freund«, sag­te der An­walt voll­tö­nend und schüt­tel­te das große Mi­men­haupt. »Wie jung Sie doch sind mit Ihren vier­zig Jah­ren! (Nicht wahr, Sie sind doch vier­zig Jah­re?) Im­mer mit dem Kopf durch die Wand! Im­mer das Kind mit dem Bade aus­schüt­ten! Nun, nun, Sie wer­den un­ter ge­eig­ne­ter ärzt­li­cher Pfle­ge auch noch ru­hi­ger wer­den!« Sein wi­der­lich freund­li­ches Grin­sen hat­te jetzt et­was un­aus­sprech­lich Höh­ni­sches. »Im Üb­ri­gen gehe ich wohl nicht fehl in der An­nah­me, dass ich mich nicht als der An­walt Ihres Ver­trau­ens be­trach­ten darf?«

      »Ganz rich­tig, Herr Dr. Hus­ten.«

      Ich aber folg­te ihm erst in ei­ni­gem Ab­stand und be­gab mich wie­der zu mei­ner Sä­ge­rei auf den Holz­hof. Dort be­rich­te­te ich Mord­horst haarklein die statt­ge­hab­te Un­ter­re­dung, wur­de von ihm zum ers­ten Male be­lobt und in mei­ner Ab­sicht be­stärkt, eine ei­li­ge Schei­dung von Mag­da zu be­trei­ben und ihr die Ver­wal­tung mei­nes Ei­gen­tums zu ent­zie­hen.

      1 Bea­tri­ce Har­ra­den (1864–1936), bri­ti­sche Frau­en­recht­le­rin und Au­to­rin. <<<

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      Aber zu al­le­dem kam ich vor­läu­fig nicht mehr, an­de­re, mir wich­ti­ger er­schei­nen­de Er­eig­nis­se scho­ben sich da­zwi­schen. Als am Mor­gen nach dem Be­such des Rechts­an­walts Dr. Hus­ten der Wär­ter un­se­re Zel­len auf­schloss und ich mit dem ge­füll­ten Kü­bel zum Spül­be­cken eil­te, blieb ich plötz­lich ver­blüfft ste­hen. Ich trau­te mei­nen Ohren nicht, und doch, es war kei­ne Täu­schung: Aus ei­ner eben ge­öff­ne­ten Zel­le drang eine ein­schmei­cheln­de, lei­se flüs­tern­de Stim­me, jene Stim­me, die so un­zer­trenn­lich mit mei­nen Al­ko­hol­räuschen ver­knüpft war, jene Stim­me, die ich aus mei­nes Her­zens tiefs­tem Grun­de hass­te: Po­la­kow­skis Stim­me!

      Ich wag­te einen ei­li­gen Blick. Ja, da stand er mit dem sanf­ten, mehr gelb­li­chen als bräun­li­chen Ge­sicht, mit dem dunklen Voll­bart und dem schlicht zu­rück­ge­stri­che­nen dunklen Haupt­haar, das einen gol­dig-röt­li­chen Schim­mer hat­te, stand da und re­de­te ein­schmei­chelnd sanft auf sei­nen Zel­len­ge­nos­sen ein, wo­bei er an den Fin­gern zog, dass sie knack­ten. Si­cher woll­te er dem an­de­ren et­was ab­schnacken, er, der arme, aber ehr­li­che Ar­bei­ter!

      Ich eil­te, so schnell ich nur konn­te, an der Zel­le vor­bei, leer­te und säu­ber­te mei­nen Kü­bel und schlich in mei­ne Zel­le zu­rück, acht­sam, nicht ge­se­hen zu wer­den. An die­sem Mor­gen muss­te Düs­ter­mann, so sehr er auch murr­te, den »Au­ßen­dienst« beim Zel­len­rei­ni­gen ma­chen, Be­sen und Scheu­er­tuch ho­len und fri­sches Wasch­was­ser her­bei­schaf­fen: Ich hat­te nicht den Wunsch, von Po­la­kow­ski ge­se­hen zu wer­den.

      In­ner­lich aber er­füll­ten mich Scha­den­freu­de und Tri­umph: Sie hat­ten den lis­ti­gen, heuch­le­ri­schen Po­la­kow­ski er­wi­scht, sie hat­ten ihn ge­kitscht, und nur ein Ge­dan­ke be­un­ru­hig­te mich noch: Ob es de­nen auch ge­lun­gen war, Po­la­kow­ski die Beu­te oder doch einen we­sent­li­chen Teil von ihr ab­zu­ja­gen. Doch auch dar­über soll­te ich nicht lan­ge im Un­ge­wis­sen blei­ben. Wie im­mer ging es auf den Holz­hof, ohne Po­la­kow­ski, ent­we­der, weil er sich nicht zur Ar­beit ge­mel­det hat­te oder weil beim In­spek­tor be­kannt war, dass wir »in der­sel­ben Sa­che sa­ßen«. In sol­chen Fäl­len wird sorg­fäl­tig ver­mie­den, zwei Kom­pli­zen mit­ein­an­der in Kon­takt kom­men zu las­sen.

      Mord­horst und ich, wir stell­ten uns an un­se­ren Sä­ge­bock und be­gan­nen un­ser Ta­ge­werk, dies­mal der an­ge­nehms­ten Art: glat­te, schwa­che Kie­fern­rol­len, ein Kin­der­spiel für trai­nier­te Män­ner, wie wir es wa­ren. Die ers­te Rol­le war zer­sägt, und wäh­rend ich die zwei­te auf dem Bock zu­recht­leg­te, stell­te ich mei­nem Ar­beits­ka­me­ra­den die je­den Mor­gen wie­der­hol­te Fra­ge: »Was Neu­es im Bau?«

      »Mhm!« mach­te Mord­horst und setz­te die Säge an. Dann: »Eine neue Ein­lie­fe­rung. Ein Gau­ner, wie es aus­sieht. So ein Scheiß­po­la­cke.«

      Wir be­gan­nen zu sä­gen.

      Dann hielt ich wie­der inne. »Was hat er denn aus­ge­fres­sen?«

      »Wer? Was aus­ge­fres­sen?« frag­te Mord­horst, der mit sei­nen Ge­dan­ken längst wo­an­ders ge­we­sen war, wahr­schein­lich wie­der bei sei­nem ewi­gen bit­te­ren Vor­wurf an das Schick­sal, warum er ge­ra­de in ei­nem sol­chen Dreck­nest bei sol­cher un­wür­dig klei­nen Mau­se­rei hoch­ge­gan­gen war. »Wer? Was aus­ge­fres­sen?«

      »Der Scheiß­po­le doch!«, er­in­ner­te ich. Mit ei­ner wah­ren In­brunst wie­der­hol­te ich die gro­be Be­zeich­nung.

      »Ach der? Was trau­en sich denn sol­che Brü­der schon? Alle Po­len sind fei­ge …« Und er woll­te wie­der zu sä­gen an­fan­gen. Ich aber hielt den Sä­ge­bü­gel fest.

      »Nee, sag mal, Mord­horst, das in­ter­es­siert mich wirk­lich. Ich glau­be, ich habe den Bru­der heu­te früh ge­se­hen.«

      »Das kann an­ge­hen; auf dei­ner Sta­ti­on liegt er. Also was er aus­ge­fres­sen hat? Lei­chen­fled­de­rei na­tür­lich, zu was an­de­rem hat solch ein Po­la­cke doch kei­ne Trau­te. Lei­chen­fled­de­rei an ei­nem be­trun­ke­nen Speck­jä­ger, so ei­nem be­sof­fe­nen Bür­ger, ver­stehst du?«

      »Ver­ste­he«, ant­wor­te­te der be­trun­ke­ne Speck­jä­ger. »Und hat er sei­nen Raub in Si­cher­heit ge­bracht?«

      »Kei­ne Ah­nung. Wird er doch – so doof ist selbst ein Po­la­cke nicht!«

      »Er­kun­di­ge dich mal, Mord­horst. Mich in­ter­es­siert das näm­lich sehr.«

      »Wa­rum in­ter­es­siert dich das denn so? Ich fin­de das ko­misch.«

      »Ich aber gar nicht. Weil ich näm­lich der be­trun­ke­ne Speck­jä­ger ge­we­sen bin, den der Kerl ge­fled­dert hat. Du er­in­nerst dich doch, Mord­horst, das ist der Wirt, der mich in mei­ner Be­sof­fen­heit hopp­ge­nom­men hat. Ich habe dir doch von ihm er­zählt.«

      »Ach, so ist das!«, sag­te Mord­horst und grins­te vor Ver­gnü­gen. »Der wird ja einen schö­nen Ro­chus auf dich ha­ben, wenn er dich zu se­hen kriegt. Wo du ihn in den Bun­ker ge­bracht hast!«

      »Also er­kun­di­ge dich, Mord­horst, ob er die Sa­chen bei­sei­te ge­bracht hat. Er hat zwei gol­de­ne Rin­ge und eine gol­de­ne Uhr von mir, Ta­fel­sil­ber für zwölf Per­so­nen, einen rinds­le­der­nen Kof­fer mit Sa­chen, eine le­der­ne Ak­ten­ta­sche und vier­tau­send