Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962813598
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bat ich är­ger­lich. »Ich habe eben die Fla­sche leer ge­trun­ken, sor­gen Sie so­fort für eine neue!«

      »Sie woll­ten doch um neun auf Ihre Bank ge­hen, mein Herr«, er­in­ner­te mich Po­la­kow­ski auf sei­ne lei­se, flüs­tern­de Art. »Es ist neun.«

      »Ich kann jetzt nicht ge­hen«, sag­te ich är­ger­lich. »Sie se­hen doch, dass ich krank bin, Po­la­kow­ski. Ich wer­de mor­gen ge­hen oder heu­te Nach­mit­tag. Jetzt ho­len Sie erst den Schnaps.«

      »Dann muss ich den Ring ver­kau­fen, mein Herr«, sag­te Po­la­kow­ski. »Der Jude hat mir nur fünf­zehn Mark drauf ge­ben wol­len; wenn ich ihn ver­kau­fe, be­kom­me ich fünf­und­zwan­zig Mark.«

      »Fün­f­und­zwan­zig Mark!«, rief ich em­pört. »Der Ring hat neu neun­zig Mark ge­kos­tet!«

      »Jetzt ist es ein al­ter Ring, und der Jude will auch le­ben, Herr«, flüs­ter­te Po­la­kow­ski gleich­mü­tig. »Wenn ich den Ring für fünf­und­zwan­zig Mark ver­kau­fen darf, ist der Korn so­fort hier.«

      »Und wie kön­nen fünf­zehn Mark schon alle sein?«, rief ich er­bit­tert. »Ein Abendes­sen und eine Fla­sche Korn – das macht doch kei­ne fünf­zehn Mark!«

      »Und die Zim­mer­mie­te, mein Herr?«, frag­te Po­la­kow­ski ein­schmei­chelnd. »Soll ich ar­mer Mann gar nichts ha­ben? Ich muss Ih­nen üb­ri­gens zwölf Mark für die Stu­be rech­nen, Herr … Ich weiß, ich weiß«, sag­te er ei­lig und knack­te wie­der ein­mal be­son­ders laut und ekel­haft mit sei­nen Ge­len­ken. »Ich habe sie­ben Mark ge­sagt, und ich bin ein Mann von Wort. Aber Sie ma­chen viel Wirt­schaft, Herr, und Sie rich­ten das Zim­mer hin, und Sie ge­hen mit Klei­dern und Schu­hen ins Bett, das rui­niert die Wä­sche! Das kos­tet al­les Geld, und wir sind sehr arme Leu­te …«

      »Spitz­bu­ben seid ihr«, schrie ich wü­tend. »Sche­ren Sie sich zum Teu­fel, ich zie­he!«

      »Sehr wohl, mein Herr«, sag­te Po­la­kow­ski und ging.

      Aber na­tür­lich blieb er der Sie­ger. Nach ei­ner Wei­le stand ich, vom Durst ge­pei­nigt, auf und ächz­te die Trep­pe hin­ab und rief ihn (lan­ge ließ Po­la­kow­ski sich ru­fen), und ich schmei­chel­te ihm und gab ihm die Er­laub­nis, mei­nen Ehe­ring für fünf­und­zwan­zig Mark zu ver­kau­fen – und dann end­lich, nach ei­ner lan­gen, lan­gen Zeit qual­vol­len War­tens, be­kam ich eine neue Fla­sche Korn und konn­te wie­der trin­ken und bre­chen, trin­ken und bre­chen.

      So wur­den aus ei­nem Tag ein zwei­ter und ein drit­ter und eine Rei­he von Ta­gen, und ich ver­ließ die Stu­be bei Po­la­kow­ski nie …

      15

      In die­ser ers­ten Wo­che, die ich bei Po­la­kow­ski zu­brach­te, gin­gen mei­ne bei­den Rin­ge, mei­ne gol­de­ne Uhr und mei­ne Ak­ten­ta­sche in sei­nen Be­sitz über. Ich bin fest da­von über­zeugt, dass der Jude nur eine vor­ge­scho­be­ne Per­son und dass der ei­gent­li­che Er­wer­ber mei­ner Gold­sa­chen der »sehr arme Mann« Po­la­kow­ski selbst war. Was ich da­für be­kam, war lä­cher­lich we­nig. Vi­el­leicht zwölf bis vier­zehn Fla­schen Schnaps, die Fla­sche zu vier Mark ge­rech­net (üb­ri­gens hol­te er auch im­mer min­de­re Qua­li­tä­ten), und dann und wann ein we­nig Es­sen. Denn ich aß fast gar nichts mehr.

      Sah ich mich jetzt ge­le­gent­lich im Spie­gel an, so be­trach­te­te ich mit grau­sa­mer Wol­lust mein Ge­sicht, das, von al­ten Bart­stop­peln be­deckt, ge­dun­sen und doch ab­ge­zehrt, ja wie aus­ge­brannt aus­sah. ›So zer­stört man sich selbst‹, sag­te ich mir dann frohlo­ckend. Und gleich dach­te ich wei­ter an Mag­da und wie sie er­schre­cken wür­de, wenn sie mich in die­sem Zu­stand sähe, und wie ich es ihr dann ins Ge­sicht schleu­dern wür­de, dass sie, sie al­lein die schmäh­li­che Ur­sa­che die­ser Ver­än­de­rung sei!

      Ge­sund­heit­lich ging es mir sehr wech­selnd in die­sen Ta­gen. An die ge­plan­te Ent­wöh­nung dach­te ich na­tür­lich mit kei­nem Ge­dan­ken mehr, ich trank, so­viel ich in mei­nen Ma­gen be­kom­men konn­te. Meis­tens streik­te er, und ich hat­te viel Mühe, mein Quan­tum in mich hin­ein­zu­be­kom­men; zu an­de­ren Zei­ten war er aus rät­sel­haf­ten Grün­den wil­lig ge­nug, zu schlu­cken und zu be­hal­ten, was er be­kam.

      Dann hat­te ich gute Stun­den. Dann saß ich am Fens­ter, die Fla­sche im­mer dicht bei mir, ich sang lei­se vor mich hin, alte Volks- und Wan­der­lie­der, und sah da­bei hin­aus auf die Stadt un­ter mir, bis zu dem Haus hin, das fern im bläu­li­chen Duns­te lag und das das Mei­ne war. Dann dach­te ich dar­an, was Mag­da jetzt wohl tun wür­de; und in die­sen Stun­den war ich fest da­von über­zeugt, dass ich sie lieb­te wie eh und je, und dass sie es war, die un­se­re Lie­be ver­ra­ten hat­te. Dann mal­te ich mir aus, wie ich ei­nes Ta­ges ge­sund und fröh­lich heim­keh­ren wür­de: Ir­gend­wie war ich auf ge­heim­nis­vol­le, aber sehr recht­li­che Wei­se in den Be­sitz von viel Geld ge­langt, und ich mach­te alle glück­lich, und alle be­wun­der­ten mich, und wenn sie nicht ge­stor­ben sind, so le­ben sie noch heu­te.

      Aus sol­chen kin­di­schen Träu­men er­weck­te mich Po­la­kow­ski rau ge­nug. Er er­öff­ne­te mir, dass es we­der Schnaps noch Quar­tier bei ihm mehr gäbe, wenn ich nicht so­fort Geld her­bei­schaff­te …

      Wir ge­rie­ten in ein end­lo­ses Ge­zän­ke, von sei­ner Sei­te im­mer höf­lich, lei­se, ein­schmei­chelnd, von der mei­nen grob, mit jäh­zor­ni­gem Auf­flam­men und dann fast wie­der in Trä­nen schwim­mend. Aber es half mir gar nichts, dass ich ihm im­mer wie­der vor­warf, zu wel­chen Wu­cher­prei­sen er mei­ne Gold­sa­chen an sich ge­bracht, wie we­nig, fast nichts, er da­für ge­lie­fert; er ver­schanz­te sich hin­ter sei­nem Ju­den, der eben nicht mehr ge­ben woll­te, schwor Stein und Bein, dass er noch nicht einen Pfen­nig an mir ver­dient habe, und blieb un­er­bitt­lich da­bei, dass ich Geld schaf­fen oder zie­hen müss­te.

      Ja, schon jetzt mach­te er dunkle An­deu­tun­gen, dass sich die Po­li­zei viel­leicht sehr für Per­so­nen wie mich in­ter­es­sie­ren wür­de, und dass ei­gent­lich solch Woh­nen ohne jede An­mel­dung gar nicht zu­läs­sig sei und ihn in Ge­fahr brin­ge. Auf die­ses dro­hen­de Ge­schwätz gab ich da­mals noch gar nichts, aber ge­wiss war es mir, dass ich Geld schaf­fen muss­te, der sanf­te Po­la­kow­ski war hart wie ein Kie­sel­stein.

      Das Ein­zi­ge, was ich von ihm er­reich­te, war, dass er mir noch eine Fla­sche Korn »in Vor­schuss« be­sorg­te, da­mit ich für mei­ne nächt­li­che Ex­pe­di­ti­on auch »frisch« sei. Ich hat­te ge­ra­de einen mei­ner »gu­ten« Tage, das heißt, einen Tag, an dem mein Kör­per dem Al­ko­hol gut ge­sinnt war; das war noch ein Glück. An ei­nem an­de­ren Tag hät­te ich eine sol­che Wan­de­rung un­mög­lich un­ter­neh­men kön­nen.

      Dass der Weg zur Bank mir ver­sperrt war, wuss­te ich: Dort hat­te man be­stimmt schon längst mein Ver­schwin­den an­ge­zeigt und die Wei­sung ge­ge­ben, bei ei­nem et­wai­gen Auftau­chen von mir nichts ohne vor­he­ri­ge Benach­rich­ti­gung zu zah­len. Ich muss­te also in mein ei­ge­nes Haus ein­bre­chen. Der Ge­dan­ke, da­bei Mag­da zu be­geg­nen, war mir heu­te, da mir eine sol­che Be­geg­nung ziem­lich si­cher war, nicht so an­ge­nehm wie vor ei­ner Wo­che, da ich von ihr nur ge­träumt hat­te. Aber es muss­te sein.

      Ich schob die Korn­fla­sche in mei­ne Ho­sen­ta­sche – der sanf­te Po­la­kow­ski hat­te mir hart­nä­ckig die leih­wei­se Her­ga­be mei­ner Ak­ten­ta­sche ver­wei­gert – und mach­te mich auf den Weg. Es war kurz nach Mit­ter­nacht. Po­la­kow­ski ließ mich aus