Jetzt sprach Magda, und der Inspektor nickte und schüttelte den Kopf und trat mit dem Fuß auf, und plötzlich sah er zu mir herüber und entdeckte mich wohl hinter dem Glas, und wirklich und wahrhaftig, der Mann hob den Arm und schüttelte die Faust gegen mich, vor den Augen meiner Frau und Hinzpeters, und nun schrie er sogar ein Schimpfwort gegen mich, und das lautete nicht anders wie: »Oller Leutebetrüger!« Ich wartete, ich wartete darauf, dass Magda den Frechling vom Hof weisen würde, aber sie redete nur auf ihn ein, und nach einer Weile ließ der Inspektor die Faust wieder sinken, und sie verhandelten weiter.
Mich ekelte vor der Schlappheit meines Weibes, und nach einer Weile, als sie immer noch verhandelten, setzte ich mich an meinen Schreibtisch nieder, öffnete das bewusste Fach und stärkte mich. Wieder nach einer Zeit, während ich da so gesessen und an nichts gedacht hatte, ging die Tür auf, und Magda kam blass herein, eine Mappe in der Hand. Sie legte die Mappe auf den Tisch und fing an, mit den Papieren zu rascheln, sonst war es ganz still bei uns im Kontor, und der Alkohol ging sachte in mir herum und machte mich friedlich und zufrieden.
Plötzlich aber ließ Magda die Papiere fallen, sie warf den Kopf auf den Tisch und weinte wild drauflos. Ich war sehr hilflos, wusste gar nicht, was ich tun sollte, war auch in dem jetzigen angenehmen Zustand viel zu bequem, etwas zu tun. So sagte ich nur etwas matt: »Aber was ist denn nur los? Beruhige dich bloß, Magda, es wird ja alles halb so wild sein!«
Sie aber warf den Kopf hoch und starrte mich mit ihren tränenüberströmten Augen an und rief: »Es ist doppelt schlimm! Es ist zehnfach schlimm! Nicht genug, dass du alle Tage stark betrunken bist, bringst du auch noch unsere Firma in Verruf. Überall erzählen sich schon die Leute, dass wir unsolide geworden seien und auf Betrug ausgehen …«
»Halt, stopp, Magda«, sagte ich langsam, und plötzlich war es mir ganz recht, dass es endlich zu einer Aussprache zwischen uns kam, und ich war fest entschlossen, ihr nichts zu ersparen … »Halt, stopp, Magda«, sagte ich. »Nicht so viel auf einmal! Was das angeht, dass ich alle Tage stockbetrunken sein soll, so möchte ich dich wohl fragen, ob du mich je einmal hast torkeln sehen oder lallen hören? Ich nehme dann und wann ein Gläschen, das gebe ich ohne Weiteres zu, aber ich vertrage es auch. Es macht mich klarer. Den Alkohol soll meiden, wer ihn nicht verträgt, das bin aber nicht ich.«
»Sieh«, sagte ich langsam und schloss wieder das bewusste Schreibtischfach auf, »hier haben wir eine Flasche Kognak, die war heute früh um neun Uhr noch voll, und jetzt ist etwa ein Drittel heraus, ein gutes Drittel, sagen wir. Stammle ich deswegen? Bin ich nicht Herr meiner Glieder? Bin ich unklar im Kopfe? Ich bin zehnmal klarer als du! Ich würde es nicht zulassen, dass ein hergelaufener Mistbock meine Frau Betrügerin schimpft, in die Fresse würde ich solchem Kerl schlagen!« schrie ich plötzlich.
Und fuhr ruhiger fort: »Du aber verhandelst mit ihm und begütigst ihn, und wenn ich dich und das ängstliche Huhn, den Hinzpeter, recht kenne, so habt ihr ihm sogar den guten Erbsenabschluss gestrichen oder die Preise erhöht …« Ich sah sie spöttisch an.
»Gewiss haben wir das!«, rief sie, und ihre Tränen waren jetzt versiegt, und sie sah mich ohne jede Liebe und Zuneigung an. »Gewiss haben wir das. Wir haben den Abschluss gestrichen, den guten Kunden sind wir aber trotzdem los für alle Zeit.«
»Soso«, antwortete ich noch viel spöttischer. »Ihr habt den Abschluss gestrichen. Ich bin ja hier bloß der letzte Laufbursche, und das, worunter ich meinen Namen setze, ist nur ein Wisch! Ich will dir aber eins sagen, Magda: Wenn der Inspektor Schmidt vom Fliederhof seinen Abschluss nicht bis auf den letzten Zentner erfüllt, so klage ich gegen ihn, und ich werde recht bekommen. Denn ein Abschluss ist ein Abschluss, das wird dir jeder Rechtsanwalt sagen, und wenn er mein niedriges Angebot angenommen hat, so ist das seine Schuld, nicht meine. Ich habe ihn nicht besoffen gemacht, sondern er hat mich besoffen machen wollen, und wenn er dabei hereingefallen ist, ist es nicht meine Schuld.
Und, Magda«, sagte ich und stand jetzt auf von meinem Stuhl, »ich will dir noch sagen, dass ich hier der Chef bin, ich allein, und wenn Abschlüsse gelöst werden sollen, so werde ich gefragt und kein anderer. Das passt mir nicht mehr, dass du dich hier aufspielst, und willst mich unter deinen Fuß treten und redest von Stockbesoffenheit, wo ich nüchtern bin wie ein Aal im Wasser und zehnmal klüger und tüchtiger als du. Ich bin hier der Chef, und mich verdrängst du nicht. Geh wieder zu deinen Kochtöpfen, da rede ich dir nicht hinein. Ich habe dich nicht hierher gebeten, aber jetzt bitte ich dich, zu gehen.«
Ich hatte sehr ernst und überlegt gesprochen, und während ich so sprach, war mir immer klarer geworden, dass ich wirklich in allem recht und sie in allem unrecht hatte. Nun setzte ich mich wieder.
Magda hatte mich sehr aufmerksam angesehen, während ich so gesprochen hatte, gleichsam als wollte sie jedes einzelne Wort von meinem Munde ablesen. Nun, da ich geendet hatte, nickte sie und sagte: »Ich sehe schon, dass mit dir nicht mehr zu reden ist, Erwin. Du hast jedes Gefühl für Recht und Unrecht verloren. Dem Inspektor hat sein Graf gesagt, er wird die Stellung verlieren, wenn dieser betrunkene Abschluss nicht auf der Stelle rückgängig gemacht wird, und du sollst wegen Betrugs angezeigt werden …«
»Das soll er nur tun!«, rief ich spöttisch. »Dir imponiert natürlich solch Graf, bloß weil er sich blaublütig schimpft, mir aber nicht so viel!« Ich schnippte mit den Fingern. »Er soll mich nur anzeigen, er wird schon sehen, wie er dabei hereinfällt!«
»Ja«, rief wieder Magda, »dir ist es schon ganz gleichgültig geworden, ob dein ehrlicher Name vor den Gerichten in den Schmutz gezerrt wird, das habe ich jetzt alles leider begreifen müssen. Doch ich gebe es auf, mit dir darüber zu reden, der Schnaps hat jedes Rechtsgefühl in dir zerstört. – Ich möchte dich aber etwas anderes fragen, Erwin …«
»Frage nur zu«, antwortete ich mürrisch, war aber sehr auf meinem Posten, denn mir schwante schon, dass jetzt nichts Gutes kommen würde. »Wer viel fragt, bekommt viel Antwort.«
»Ich brauche nicht viel Antwort«, sagte Magda wieder, »ich brauche nur ein einfaches, klares Ja oder Nein.« Sie holte Atem, sie sah mich fest an. Dann sagte sie: »Bist du noch ein Mann von Wort, Erwin? Ich meine, stehst du noch zu dem, was du mir einmal versprochen hast?«
»Natürlich tue ich