Das kleine Dummerle und andere Erzählungen zum Vorlesen im Familienkreise. Agnes Sapper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes Sapper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118433
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war er beruhigt; das mußte er gleich daheim erzählen, die wußten das gewiß nicht. Er gab das Wohnungsuchen auf und ging heim.

      Als Frau Pfäffling im Kreis der Ihrigen erzählte, daß sie an diesem Nachmittag vergeblich in vielen Häusern gewesen sei, sagte Frieder ganz ernsthaft: »Ich habe auch Wohnungen gesucht und keine gefunden.« »Du hast gesucht? ja wo denn? wie denn?« fragten alle durcheinander und während er erzählte, wurde er von den Großen unbarmherzig ausgelacht und von den Eltern gezankt, daß er allein in fremde Häuser gegangen war. Frieder ließ das Köpfchen hängen. Niemand bemerkte, daß Tränen in seinen Augen standen, nur die kleine Else sah es, weil sie gerade an ihn herankam und zu ihm aufsah, und sie streichelte den Bruder. Sie verstand auch noch nicht, warum die andern lachten, und das tat dem Frieder wohl, in ihren Augen war er doch kein Dummerle!

      Frau Pfäffling hatte aber doch eine Wohnung ausfindig gemacht. Freilich war sie auch teurer als die seitherige, gerade etwa um soviel teurer als Herrn Pfäfflings Reise gekostet hätte, aber es waren doch so viele Zimmer darin, daß die große Familie gut Platz hatte. Frau Pfäffling berichtete genau über die innere Einteilung. »Du hast ja noch gar nicht gesagt, in welcher Straße sie liegt, das möchte ich doch vor allem wissen,« sagte Herr Pfäffling. Da kam es etwas zögernd heraus: »Sie liegt in der Hintern Katzengasse Nr. 13.«

      »In der Hintern Katzengasse? Die kennt man ja nicht einmal dem Namen nach. Wollen wir doch sehen, wo die liegt.« Auf demselben Tisch, wo kürzlich die Karte vom Fichtelgebirge aufgelegen war, wurde nun der Stadtplan ausgebreitet, und wieder steckten sich alle Köpfe zusammen, bis die Hintere Katzengasse gefunden wurde. Sie führte von der Vorderen Katzengasse nach der alten Trödlergasse. »Eine feine Lage ist’s nicht,« sagte Pfäffling.

      »Nein, aber dort nimmt man uns doch auf. Die Kaiserstraße wäre feiner gewesen, wo unser Dummerle gesucht hat.«

      »Wem gehört denn das Haus?«

      »Einem Seifensieder.«

      »Riecht’s da nicht den ganzen Tag nach dem Seifenbrei?«

      »Es riecht wohl ein wenig, das kann nicht anders sein.«

      »Da ist wohl auch kein Gärtchen oder Hof dabei, und das Haus ist nördlich gelegen, ein Sonnenstrahl dringt kaum in diese engen Gassen,« sagte Pfäffling seufzend. »Es können nicht alle auf der Sonnenseite wohnen,« erwiderte Frau Pfäffling, »wie viele müssen im Schatten vorlieb nehmen!«

      »Wollen wir morgen noch einmal suchen, und dann, wenn wir gar nichts Besseres finden, nun, dann müssen wir uns eben begnügen.«

      Am nächsten Tag fand sich nichts Besseres und mit schwerem Herzen wurde der Beschluß gefaßt, in der Hintern Katzengasse Nr. 13 einzumieten.

      Inzwischen war in der schönen Wohnung, die Frieder in der Kaiserstraße angesehen hatte, eine kleine Teegesellschaft versammelt. Die Dame des Hauses erzählte von dem kleinen Pfäffling, der mit dem Ränzchen auf dem Rücken nach einer Wohnung bei ihr gesucht habe. Wie groß mußte die Verlegenheit der Familie sein, wenn sie alle Kinder bis herunter zum sechsjährigen ausschickte auf Suche nach Wohnung! Ein älteres Fräulein aus der Gesellschaft, das ein warmes Herz für die Not anderer Leute hatte, erklärte, da müsse geholfen werden. Gleich am nächsten Morgen wolle sie zu Herrn B. gehen, der kenne alle Wohnungen der Stadt, der müsse Rat schaffen. So ging Fräulein A. zu Herrn B. und dieser wieder zu Frau C., und als die Sache noch ein Stück weiter durchs Alphabet gelaufen war, kam eines Morgens der Schreinermeister Hartwig, fragte nach dem Musiklehrer Pfäffling und sagte dem Dienstmädchen, er habe eine Wohnung anzubieten. Herr Pfäffling gab eben in seinem Zimmer Geigstunde, während am andern Ende der Wohnung einer seiner Jungen Klavier übte, und zwischen darin saßen die Zwillinge und sangen so laut sie konnten darauf los, weil sie die zweierlei Musik übertönen wollten.

      Frau Pfäffling hatte in der Küche die Frage wegen der Wohnung vernommen und hätte sie nur gekonnt, sie hätte heimlich alle Musik zum Schweigen gebracht; aber da führte ihr das Mädchen schon den Herrn her und weil auch gerade die andern Kinder über den Gang sprangen, so konnte man kaum das eigene Wort verstehen. Die Mutter führte Herrn Hartwig ins Zimmer und im Vorbeigehen faßte sie einen ihrer Jungen und flüsterte ihm zu: »Es ist ein Hausherr da, rufe den Vater, und mache, daß man euch nicht so hört.«

      Das wirkte; die Kinder wußten ja, um was es sich handelte. »Ein Hausherr,« so ging’s von Mund zu Mund; alle Musik, aller Lärm verstummte, auf den Zehen schlichen sich die Kinder hinaus, lautlos wurden die Türen geschlossen, eine ungewohnte Stille herrschte im Haus. Herr und Frau Pfäffling waren allein mit dem Schreinermeister Hartwig. »Wenn Sie noch keine Wohnung gefunden haben,« sagte dieser, »so möchte ich Ihnen eine in meinem Hause anbieten, draußen in der Frühlingsstraße. Platz genug gäbe es da, und es schadet auch nichts, daß Sie zehn Kinder haben.«

      »Sieben, sieben, bloß sieben,« riefen die beiden Eltern wie aus einem Mund.

      »Um so besser, uns hat man von zehn gesagt; es hat sich halt so herumgesprochen in der Stadt und darüber haben sich die Kinder vermehrt. Es ist ein großer Holzplatz am Haus, da können sich die Kinder tummeln. Und was den Mietzins betrifft, da werden wir uns schon einigen. Bei uns ist’s nämlich so: Mich hat noch nie ein Lärm gestört, und meine Frau, die hat die Liebhaberei Gutes zu tun, wie eben jeder Mensch so seine Liebhaberei hat. Darum sagt sie: Eine gute Mietpartei nehmen ist keine Kunst, aber eine schlechte Mietpartei aufsuchen, das ist christlich.«

      Der »schlechten Mietpartei« klangen diese Worte wie Musik, und nach fünf Minuten schon war Pfäffling mit dem freundlichen Hausherrn unterwegs in die Frühlingsstraße und ließ sich von der Hausfrau mit der christlichen Liebhaberei, Gutes zu tun, die sonnige Wohnung zeigen und ohne Schriftstück, mit freundlichem Handschlag wurde der Mietvertrag zu billigem Preis abgeschlossen. Fröhlichen Herzens ging unser Musiklehrer von der Frühlingsstraße in die Hintere Katzengasse, freute sich, als er schon von ferne den Seifengeruch in die Nase bekam, und teilte dem Seifensieder mit, daß er sich zu einer andern Wohnung entschlossen habe. Dann vorbei an der Buchhandlung, wo er zum zweitenmal die Karte vom Fichtelgebirge verlangte, und nun heim zur begeisterten Schilderung der künftigen Wohnung in der Frühlingsstraße.

      Die ganze Familie teilte seine Freude; nur der Frieder hörte zufällig nichts davon, weil er eben mit seiner Harmonika im Hof war, und niemand dachte daran, daß er die Neuigkeit nicht erfahren hatte. Er wunderte sich im stillen, als beim Mittagstisch alle so vergnügt vom nahen Umzug sprachen und sogar sagten, sie bekämen es viel schöner als jetzt; denn er dachte, es handle sich noch um die Hintere Katzengasse. »Mir gefällt’s besser da,« sagte er, »weil wir doch einen Hof haben.« »Der elende Hof voll Wäschepfosten,« sagte einer der Brüder, »da will ich doch lieber einen Holzplatz.«

      »Schau, schau, dem Frieder allein ist die neue Wohnung nicht gut genug, der will eben in die Kaiserstraße,« sagte der Vater neckend zu ihm, und auch die andern lachten. Es wußte niemand, daß man ihm eigentlich die neue Wohnung verdankte, auch er selbst nicht, und so schwieg Frieder. Er fand es zwar wunderlich, daß man heute so zufrieden sein sollte mit dem Tausch, aber ihm kam ja oft etwas sonderbar vor, was die Großen sagten, und er fragte nie viel, sie hatten alle immer keine Lust, ihn aufzuklären.

      So kam es, daß Frieder bei der Meinung blieb, man habe in der Hintern Katzengasse eingemietet.

      »Wenn der Umzug doch sein muß, dann so bald wie möglich,« sagte Pfäffling, »noch vor meiner Reise«, und mit großem Eifer wurden alle Vorbereitungen getroffen. Manche Bekannte boten ihre Hilfe an, und viele luden die Kinder für den Umzugstag zu Tisch, so daß es eine ganz schwierige Beratung gab, was man annehmen konnte und ablehnen mußte. Die Eltern hatten viel zu tun; sie überließen es den Kindern, wo und wie jedes zu seinem Mittagstisch gelangen würde. So fanden die großen Jungen glücklich heraus, daß Brauns auf zwölf Uhr und Schwarzens auf ein Uhr geladen hatten, das konnten sie beides vereinigen, und sie freuten sich königlich auf das doppelte Mittagessen.

      Der Tag des Umzugs kam. Gegen Mittag fuhr der vollbeladene Wagen ab, die Eltern folgten ihm in die neue Wohnung, während die Kinder gleich von ihren Schulen aus zu den Familien, die sie geladen hatten, gegangen waren und sich’s da schmecken