»Jetzt bin ich aber gespannt.«
»Er kaufte den kleinen Laden etwa einen Monat vor dem Bankraub«, berichtete nun Sammy Porters weiter. »Er übernahm Jane Fence, die heutige Mrs. Bracer. Nach dem Bankraub erschien sie nicht mehr. Er hat nie wieder etwas von ihr gehört.«
»Ich wette, Sie haben herausgefunden, wo Jane Fence damals gewohnt hat.«
»Das auch«, sagte Porters und lächelte. »Wir haben drei Vermieter aufgespürt, bei denen Jane Fence seinerzeit gewohnt hat. Dann riß die Kette aber plötzlich ab.«
»Konnten die Vermieter sich daran erinnern, mit wem Jane Fence befreundet war?«
»In einem Falle konnte man das. Die Frau des Vermieters, eine richtige Klatschtante, hat ein ganz ungewöhnliches Gedächtnis.«
»Konnte sie vielleicht sogar Namen nennen?«
»Sie schwört Stein und Bein, daß Janes Freund Mussel hieß.«
»Mussel?« fragte Rander überrascht zurück und sah zu seinem Butler auf. Der schien nichts gehört zu haben, so unbeteiligt wirkte er.
»Ich habe natürlich auch die Ohren gespitzt, als dieser Name fiel«, redete Porters weiter. »Vielleicht ist das unser gesuchter Hank Mussel. Über den haben meine Leute bisher nichts erfahren können. Ein bekannter Ganove ist das auf keinen Fall, sonst wüßten wir das.«
»Immer wieder stolpern wir über diesen Mussel«, sagte Mike Rander. »Er muß doch aufzufinden sein.«
»Haben Sie diesen Namen auch anderswo mal gehört?« wollte Porters wissen.
»Bleeding, der Mann im Zuchthaus, schreibt sich mit einer Lana Mussel«, antwortete Rander.
»Hat er bei diesem Namen die Ohren gespitzt?«
»Das konnte er nicht, denn er weiß ja nichts davon, was der sterbende Bracer zu Parker gesagt hat.«
»Demnach hätten wir also einen ganz hübschen Vorsprung, wie?«
»Das ist fraglich, Sammy. Wir wissen nicht mal, wo diese Lana Mussel sich aufhält. Ich wollte Wanders nicht direkt danach fragen.
»Wo also sollen wir den Hebel ansetzten, Mr. Rander? Ich warte nur auf das Stichwort.«
»Wenn ich Ihnen das nur nennen könnte, Sammy. Zur Zeit muß ich kurztreten.«
»Parker, haben Sie nichts auf Lager?« fragte Porters und wandte sich dem Butler zu.
»Sir, ich möchte mich gewiß nicht lächerlich machen. Aber könnte man nicht Anwalt Furning anrufen?«
»Wozu sollte das gut sein, Parker?«
»Könnte Mr. Porters sich nicht als Hank Mussel melden?«
Rander und Porters sahen sich an und grinsten.
»Nicht schlecht, warum soll man es nicht versuchen?« sagte Mike Rander. »Können Sie Stimmen imitieren?«
»Ich bin leicht heiser.«
»Mit Ihrer freundlichen Genehmigung möchte ich den Versuch dann unternehmen«, sagte Parker. Er wartete die Antwort des Anwalts nicht ab, sondern ging ans Telefon und wählte die Nummer. Schon allein aus der Tatsache, daß er bereits die Nummer auswendig kannte, ließ sich ersehen, daß er diesen Plan von langer Hand vorbereitet hatte. So war Parker! Seine Gedanken, seine Taktik und seine Handlungen wirkten auf den ersten Blick hin meist skurril und abwegig. Aber wenn man genauer nachdachte, gab es keine andere Möglichkeit, als die, zu der er riet.
Der Butler hatte seine Verbindung bekommen.
Was nun folgte, war unheimlich. Nicht Parker sprach, sondern ein Mann, der in Schwierigkeiten stak, aber sie nicht heraushören lassen wollte. Parkers barocke Redeweise, seine umständliche Art war bei jedem, der ihn näher kannte, berühmt, um nicht zu sagen: gefürchtet. Jetzt aber sprach er gehetzt, knapp und mit einem leichten Anflug von Slang.
Mike Rander horte atemlos vor Überraschung zu. Und Porters war derart frappiert, daß er sein Glas schief hielt, und den Inhalt auf den Teppich laufen ließ.
»Na, wie hat Furning reagiert?« fragte Rander, als der Butler den Hörer zurück auf die Gabel gelegt hatte.
»Ich durfte konstatieren«, sagte Parker in seiner normalen Art, »daß Furning sich düpieren ließ. Für einige Sekunden glaubte er tatsächlich, mit Mussel zu sprechen. Dann aber wurde er vorsichtig und legte auf.
»Er kennt also Hank Mussel«, sagte Sammy Porters. »Mr. Rander, warum kaufen wir uns nicht diesen Ganovenanwalt? Wir werden ihn in die Zange nehmen.«
»Wie denken Sie darüber, Parker?« fragte Rander seinen Butler.
»Wird Anwalt Furning beschattet?« fragte Parker zurück und wandte sich an Porters.
»Selbstverständlich. Ich habe einen erstklassigen Mann auf ihn angesetzt.«
»Setzten Sie drei gute Leute auf ihn an«, empfahl Parker. »Dieser Einsatz wird sich mit Sicherheit lohnen.«
Butler Parker hatte seinen freien Abend.
Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten besuchte er ein Nachtlokal. Daß er sich das »Gaslight« ausgesucht hatte, sagte eigentlich schon genug. In diesem Lokal arbeitete Jane Bracer als Zigarettenverkäuferin, ihre Freundin May Limp, bei der sie nun wohnte, als Bardame.
Der Portier, der den Butler auf sich zukommen sah, grinste unverhohlen, als er die schwarz und altväterlich gekleidete Gestalt sah. Das Lokal wurde gewiß von allerhand komischen Leuten besucht. Das Wundern hatte sich der Portier abgewöhnt. Aber Butler Parker war mehr, als sich mit der Duldsamkeit des Portiers vertrug.
»Sie wollen doch wohl nicht hier herein, wie?« fragte der Mann, nachdem er sich wieder gefaßt hatte.
»Das ist allerdings meine Absicht«, antwortete Parker.
»Ich will Ihnen einen guten Rat geben, alter Herr«, sagte der Portier. »Suchen Sie sich ein anderes Lokal aus. Ich meine es gut mit Ihnen.«
»Man hat mir das ›Gaslight‹ empfohlen, also werde ich es besuchen«, meinte Parker freundlich.
»Mann, wollen Sie mich denn nicht verstehen?« fragte der Portier. »Ich will das Lokal gewiß nicht schlechtmachen, aber...«
Er hielt inne und biß sich auf die Lippen. Um ein Haar hätte er zuviel gesagt.
»Dann handelt es sich also um ein gutes Lokal«, meinte Parker.
»Natürlich«, erwiderte der Portier. »Etwas anderes habe ich auch überhaupt nicht gesagt.«
»Sehr schön«, meinte Parker naiv. »Dann war die Empfehlung also richtig.«
»Dann gehen Sie schon hinein«, knurrte der Portier. »Ihnen ist eben nicht zu helfen.«
Der Mann war derart wütend, daß er vergaß, Parker die Tür zu öffnen. Aber Parker ließ sich nicht abschrecken. Heiter und gutgelaunt - im Gegensatz zu seinen sonstigen Gewohnheiten zeigte er seinen Gefühle - stieß er die Tür auf und betrat die Vorhalle.
Hier mußte er seine Melone und seinen schwarzen Covercoat zurücklassen. Die beiden noch sehr jungen Garderobenmädchen unterdrückten anfangs nur mühsam ein Kichern über diesen seltsamen Gast. Aber als sie Parkers dunklen Anzug mit der Andeutung von Schwalbenschwänzen sahen, war es mit ihrer Fassung vorbei. Sie prusteten los und verschwanden in der Tiefe der Garderobe.
Josuah Parker schien nichts gesehen und gehört zu haben. Er nahm seinen geliebten Universal-Regenschirm über den linken Unterarm und schob einen schweren Samtvorhang zur Seite. Hinter dem Vorhang blieb er einen Moment stehen, bis sich seine Augen an die Beleuchtung gewöhnt hatten.
Carlo Caletti, der Inhaber der Bar, schien an der Beleuchtung und an der Kleidung seiner weiblichen Angestellten