»Das wird es sein«, antwortete Rander. »Na, der Mörder dürfte ohnehin längst über alle Berge sein. Haben Sie Lieutenant Wanders erreichen können?«
»In knapp zehn Minuten will er hier sein«, sagte der Mann. »Ob ich den anderen Deckel mal freilege?«
»An den kommen Sie überhaupt nicht heran«, meinte Rander. »Aber ansehen können wir uns das Ding ja mal!«
Nun, er und Butler Parker hatten sich nicht getäuscht. Nicht zum Schein war der Schrott über dem Einstieg gelagert worden. Dieser Fluchtweg schied völlig aus.
Josuah Parker hatte sich von Rander und den Beamten getrennt. Er stand bereits an der Steinbaracke und sah sich hier genauer um. Er interessierte sich vor allen Dingen für den Zementfußboden, den er mit der Spitze seines Regenschirmes anklopfte. Er konnte aber keine Hohlräume feststellen. Der Boden schien sehr solide zu sein. Da der Butler nun schon mal in der Baracke war, sichtete er die Papiere und Schriftstücke, die in wilder Unordnung auf dem Schreibtisch herumlagen.
Parker hatte viel Erfahrung in solchen Dingen.
Als die ersten Wagen der Mordkommission eintrafen, war Parker noch immer beschäftigt. Um bei seiner Suche nicht entdeckt zu werden, steckte er einige Dinge kurzentschlossen ein und ließ sich wieder auf dem Schrottplatz sehen.
Die Polizeibeamten hatten ihre Wagen in Stellung gebracht und kontrollierten einige Standscheinwerfer, um den Flaschenzug vollkommen auszuleuchten. Wenige Minuten später erschien Lieutenant Wanders, der mit einem Streifenwagen gekommen war. Er hielt sofort auf Mike Rander zu.
»Das war Pech auf der ganzen Linie«, sagte Rander. »Lemmy Linen ist eine Viertelstunde vor unserem Erscheinen ermordet worden.«
»Ganz hübsch als Betriebsunfall getarnt«, sagte Wanders, der einen kurzen, prüfenden Blick auf das Wrack über Linen geworden hatte. »Er muß seinen Mörder gut gekannt haben.«
»Nicht wahr«, antwortete Rander. »Ich bin gespannt, wie Linen tatsächlich umgebracht worden ist.«
Die Mitarbeiter der Mordkommission machten sich an ihre eigentliche Arbeit. Rander, Parker und Lieutenant Wanders gingen zurück zum Einstiegsschacht. Der Lieutenant begriff sehr schnell, praktisch in dem Moment, als er den Einstieg sah.
»Verflixt«, knurrt er. »Daß meine Kollegen damals nicht darauf gekommen sind.«
»Der Deckel scheint von innen festgeklemmt zu sein«, erklärte Mike Rander. »Er läßt sich nicht anheben.«
»Warten Sie! Ich werde ein paar Beamte rufen. Sollen die mal ihr Glück versuchen.«
Aber sie hatten kein Glück. Der schwere, gußeiserne Deckel rührte sich nicht in seiner Lage.
»Sie haben doch die Möglichkeit, dagegen etwas zu unternehmen«, schlug Rander vor. »Können Sie sich nicht mit der Kanalbrigade in Verbindung setzen?«
»Wir werden bald wissen, woran wir sind«, sagte Wanders energisch. »Mir scheint, wir rollen den ganzen Fall noch einmal auf.«
»Sir, darf ich eine weitere Anregung geben?« wandte Parker sich an den Lieutenant.
»Natürlich, Parker, das wissen Sie doch.«
»Könnten Sie vielleicht einen Preßluftbohrer besorgen, Sir?«
»Wie bitte? Worauf sind Sie scharf?«
»Mir liegt der Zementfußboden in der Steinbaracke auf der Seele, bildlich ausgedrückt, Sir.«
»Sie werden Ihren Preßluftbohrer bekommen«, versprach Lieutenant Wanders grinsend. »Wenn es nichts anderes ist...!«
*
Am frühen Morgen des nächsten Tages hatten sich verschiedene Dinge geklärt.
Die Kanalbrigade der Polizei hatte den Kanalabschnitt unter dem Schrottplatz untersucht und auch den schweren gußeisernen Deckel von innen gelöst. Er war tatsächlich von innen absichtlich blockiert worden.
Der von Josuah Parker angeforderte Preßluftbohrer hatte den Zementboden in der Steinbaracke zertrümmert. Wieder einmal erwies sich die Voraussage des Butlers als richtig. Es hatte eine Querverbindung von der Steinbaracke hinüber zum Kanal bestanden. Dieser enge und niedrige Gang war mit Schutt und Eisenschrott ausgefüllt worden. Anschließend hatte Linen wohl die Zementdecke eingezogen, um alle Spuren für immer zu verwischen.
»Sie sind ein Hellseher«, meinte Lieutenant Wanders zu Parker, als der enge Gang freigelegt worden war. »Jetzt wissen wir endlich, wie Debtor sich hat absetzen können.«
»Ich erlaube mir, entschieden zu widersprechen«, erwiderte Parker gemessen. »Ich bin kein Hellseher. Aber ich habe mir erlaubt, Rückschlüsse zu ziehen.«
»Ich will auf meiner Behauptung nicht bestehen«, sagte Wanders lächelnd. »Nun wissen wir also, wie Debtor und das Geld verschwunden sind. Aber damit haben wir noch lange nicht den Mörder.«
»Hoffentlich setzt er sich nach dem Mord an Linen nicht für immer ab«, meinte Rander nachdenklich. »Er hat mit der Ausschaltung Linens alle Spuren verwischt. Er braucht nichts mehr zu befürchten.«
»Mrs. Jane Bracer dürfte aber noch auf seiner Liste stehen, Sir.«
»Keine Sorge, Parker. Sie wird sorgfältig überwacht. Nach menschlichem Ermessen kann ihr nichts passieren.«
»Und wie wollen wir nun weiterkommen?« fragte Rander den Polizeioffizier.
»Vergessen Sie Bleeding nicht, der im Zuchthaus sitzt«, antwortete Wanders. »Noch heute werde ich zu ihm fahren und mit ihm reden. Seine ehemalige Zusammenarbeit mit Linen kann ich ihm nun auf den Kopf Zusagen. Vielleicht läßt ihn das weich werden. Der Mord an Linen sagt doch deutlich, wie sein ehemaliger Partner Debtor alles an sich reißt.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück, Lieutenant«, sagte Mike Rander. »Nehmen Sie Bleeding einige Aufnahmen vom ermordeten Linen mit. Fotos dieser Art sind überzeugender als viele Worte. Linen ist mit einer Eisenstange brutal zusammengeschlagen worden. Ob Bleeding, falls er etwas über Debtor weiß, ihn jetzt noch schonen wird?«
»Sir, ich möchte mich auf keinen Fall aufdrängen«, meldete Parker sich zu Wort. »Besteht die Möglichkeit, daß man Bleeding auf Zeit entläßt?«
»Das würde niemals zugelassen, leider«, erwiderte Wanders. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Parker. Der entlassene Bleeding sollte uns zu Debtor führen, nicht wahr?«
»Das wäre für meine Begriffe der schnellste und sicherste Weg, Sir.«
Rander, Parker und Wanders unterhielten sich noch eine Weile. Als die Mordkommission den Schrottplatz verließ, trennen auch sie sich. Was zu sagen war, hatten sie sich gesagt. Jetzt war eine Art Pause in den Ermittlungen eingetreten. Nun mußten erst wieder neue Spuren und Fährten gefunden und gesichert werden.
Mike Rander und Butler Parker fuhren nach Hause und ließen sich bis gegen sechzehn Uhr nicht stören, obwohl das Telefon einige Male schrillte. Sie hatten eine Menge Schlaf nachzuholen. Erst nach einem sehr verspäteten Mittagessen, das Parker mit gewohnter Meisterschaft hergerichtet hatte, plante Mike Rander weitere Schritte.
Er bestellte Sammy Porters zu sich. Der traf nach einer halben Stunde in der Dachgartenwohnung ein. Parker servierte einige harte und scharfe Drinks.
»Wie laufen Ihre Ermittlungen?« erkundigte Rander sich.
»Ich habe die Mittagszeitungen gelesen«, sagte Porters, sein Glas in den Händen drehend. »Tolle Sache, das mit Lemmy Linen. Ich wette, Parker hat die Sache mit dem Kanal wieder einmal ausgegraben, wie?«
»Treiben Sie ihm nicht die Röte der Verlegenheit ins Gesicht«, antwortete Rander lächelnd. »Aber es stimmt. Parker hat wieder einmal die richtige Witterung gehabt.«
»Hoffentlich habe ich auch die richtige Witterung gehabt«, meinte der Detektiv. »Ich habe mich also um das Antiquitätengeschäft gekümmert, in dem Jane Bracer