Die schönsten Erzählungen von Guy de Maupassant. Ги де Мопассан. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ги де Мопассан
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027206551
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Beleidigter wehrt sich, einer der bestohlen wird, nimmt gewaltsam sein Eigentum zurück. Einer der betrogen und gequält wird, tötet; einer der geschlagen wird, tötet, einer der entehrt wird, tötet – alle diese handeln im Affekt, im Zorn.

      Ich bin moralisch mehr bestohlen, betrogen, gequält, geschlagen und entehrt worden, als alle, denen Sie den Zorn als Milderungsgrund anrechnen.

      Ich habe getötet, es war mein unantastbares Recht; ich habe ihr glückliches Leben genommen für das furchtbare Leben, das sie mir gegeben hatten.

      Sie werden es Elternmord nennen, aber waren das meine Eltern, diese Leute, für die ich eine schreckliche Last bedeutete, ein Schreck, ein Makel, für die meine Geburt ein Unglück gewesen ist und mein Leben ewig drohende Schande?

      Sie suchten egoistisches Vergnügen, Wollust, es ward ein Kind daraus, sie haben das Kind beseitigt, nun war es an mir, ihnen das gleiche zu thun.

      Und doch noch im letzten Augenblick wäre ich bereit gewesen, sie zu lieben. Vor zwei Jahren habe ich Ihnen gesagt, kam der Mann, der mein Vater war, zum ersten Mal zu mir. Ich hatte von nichts eine Ahnung. Er bestellte zwei Möbelstücke.

      Er hatte sich, das erfuhr ich später, beim Pfarrer nach mir erkundigt, wohl verstanden, unter dem Siegel des Geheimnisses. Er kam öfters wieder, er gab mir Arbeit und bezahlte gut.

      Manchmal sprach er von diesem und jenem mit mir, und ich hatte ihn gern.

      Anfang dieses Jahres brachte er einmal seine Frau, meine Mutter mit. Als sie eintrat, zitterte sie so stark, daß ich meinte, sie wäre nervenkrank.

      Sie bat um einen Stuhl und ein Glas Wasser. Sie sagte nichts, sie betrachtete meine Möbel mit irren Blick und antwortete nur ja und nein, wüst durcheinander, auf alle Fragen, die er stellte. Als sie fort waren, meinte ich, sie wäre wohl ein wenig verrückt.

      Im nächsten Monat kamen sie wieder. Sie war ruhig, voller Selbstbeherrschung. An dem Tage blieben sie lange und gaben mir einen großen Auftrag.

      Ich sah sie noch dreimal, ohne etwas zu ahnen, wieder. Aber eines Tages begann sie von meinem Leben, meiner Kindheit und meinen Eltern zu sprechen. Ich antwortete:

      – Meine Eltern, gnädige Frau, sind Elende gewesen, die mich verlassen haben.

      Da preßte sie die Hand aufs Herz und verlor die Besinnung. Ich dachte sofort:

      – Das ist meine Mutter! – aber ich hütete mich wohl, etwas merken zu lassen. Nun erkundigte ich mich meinerseits, und erfuhr, daß sie erst seit dem vergangenen Jahr verheiratet waren, und daß meine Mutter drei Jahre Witwe gewesen. Das Gerücht ging, sie hätte mit ihrem jetzigen Mann ein Verhältnis gehabt, während der erste Mann noch lebte, aber einen Beweis gab es nicht. Ich war der Beweis, der Beweis, den man zuerst verborgen und dann gehofft hatte, ganz zu beseitigen.

      Ich wartete, sie erschien eines Tages wieder, von meinem Vater begleitet. An diesem Tage war sie sehr bewegt, ich weiß nicht warum. Dann sagte sie zu mir, ehe sie fortgingen:

      – Ich wünsche Ihnen alles Gute, denn Sie scheinen ein tüchtiger Arbeiter und ein braver Mensch zu sein. Sie werden sich wohl eines Tages verheiraten wollen, da will ich Ihnen behilflich sein, die Frau zu wählen, die Sie mögen. Ich bin einmal gegen meinen Wunsch verheiratet worden, und ich weiß, wie man darunter leidet. Nun bin ich reich, habe keine Kinder und bin Herrin meines Geldes. Hier haben Sie eine Mitgift.

      Und sie gab mir ein großes, versiegeltes Couvert. Ich sah sie starr an, dann sagte ich:

      – Sie sind meine Mutter!

      Sie wich drei Schritte zurück und verbarg die Augen mit der Hand, um mich nicht zu sehen. Er, der Mann, mein Vater, fing sie in den Armen auf und schrie mich an:

      – Sind Sie verrückt?

      Ich antwortete:

      – Durchaus nicht! Ich weiß wohl, daß Sie meine Eltern sind. Mich betrügt man nicht. Geben Sie es zu, und ich werde das Geheimnis bewahren, ich werde Ihnen nichts nachtragen, und ich werde bleiben was ich bin, ein einfacher Tischler.

      Er wich bis an die Thür zurück, immer seine Frau in den Armen, die zu schluchzen begann. Ich lief hin, schloß die Thür ab, steckte den Schlüssel ein und sagte:

      – Sehen Sie sie doch an, und nun leugnen Sie noch, daß sie meine Mutter ist!

      Da ward er wütend, wurde totenblaß, entsetzt bei dem Gedanken, daß der Skandal, den er bisher vermieden, nun plötzlich ans Licht kommen könnte und mit einemmal ihre Stellung, ihr Name, ihre Ehre verloren wäre, und er stammelte:

      – Sie sind ein Erpresser, Sie wollen uns nur Geld entlocken. Man muß diesem Volk nur Gutes thun, dieser Canaille, natürlich, nur Gutes thun!

      Meine Mutter wiederholte fortwährend verzweifelt:

      – Gehen wir doch! Gehen wir!

      Da rief er, weil die Thür verschlossen war:

      – Wenn Sie nicht sofort die Thür öffnen, werde ich Sie ins Gefängnis bringen wegen Erpressung und Freiheitsberaubung, hören Sie!

      Ich war ganz Herr meiner selbst geblieben, öffnete die Thür und sah ihnen nach, wie sie in der Dunkelheit verschwanden.

      Da war es mir plötzlich, als wäre ich Waise geworden, als wäre ich mutterseelen allein in den Rinnstein gestoßen. Eine furchtbare Traurigkeit, Zorn, Haß, Ekel, kam über mich, alles empörte sich in mir, ich wollte Gerechtigkeit, Recht, Ehre, Liebe.

      Ich rannte ihnen nach, um sie an der Seine einzuholen, den Weg, den sie machen mußten zum Bahnhof von Chatou. Bald traf ich sie. Die Nacht war pechschwarz.

      Ich schlich auf dem Grase hinter ihnen drein, daß sie mich nicht hörten. Meine Mutter weinte fortwährend. Mein Vater sagte:

      – Du bist daran schuld, warum wolltest Du ihn wiedersehen, das war in unserer Lage ein Unsinn. Man hätte ihm von weitem schon etwas zukommen lassen können, ohne sich zu verraten. Da wir ihn doch nicht anerkennen können, wozu dann diese gefährlichen Besuche!

      Da stürzte ich mich ihnen entgegen und bat und stammelte:

      – Ihr seid meine Eltern, ihr habt mich schon einmal verstoßen, wollt ihr mich zum zweiten Mal verstoßen?

      Doch er ward wütend, erhob die Hand gegen mich. Ich schwöre es auf meine Ehre, auf das Gesetz, er schlug mich, und als ich ihn bei der Kehle packte, zog er einen Revolver aus der Tasche.

      Mir ward es wie Blut vor den Augen, ich weiß nicht mehr was ich that, aber ich hatte ein Instrument in der Tasche und damit schlug ich auf ihn drein, so stark ich konnte. Da begann sie zu schreien:

      – Hilfe! Mörder!

      Sie riß mich beim Bart. Wahrscheinlich habe ich sie auch getötet, weiß ich was ich that? Habe ich’s in dem Moment gewußt?

      Als ich sie dann beide am Boden liegen sah, warf ich sie in die Seine, ohne an irgend etwas zu denken.

      So, ich bin fertig, nun bitte ich um mein Urteil!

      Der Angeklagte setzte sich. Angesichts dieser Enthüllung wurde die Sache auf die nächste Session vertagt.

      Er wird bald abgeurteilt werden.

      Wenn wir Geschworene wären, wie urteilten wir wohl über diesen Elternmord?

      Der Lummen-Felsen

       Inhaltsverzeichnis

      Jetzt ist die Strichzeit der Lummen. Vom April bis Ende Mai, ehe die Pariser Badegäste ankommen, erscheinen plötzlich in Étretat ein paar alte Herren in hohen Stiefeln und Jagdanzügen. Sie bringen vier oder fünf Tage im Hotel Hauville zu, verschwinden wieder, kommen drei Wochen später abermals und gehen dann nach kurzem Aufenthalt endgiltig davon.

      In jedem Frühjahr erblickt man sie von neuem. Das sind die letzten