Die Komposition hatte den größten Erfolg, obgleich man sie nicht gehört, obgleich niemand auf die Musik selbst geachtet hatte. Es war eine Musik, ganz italienisch, gefällig, mäßig leidenschaftlich, die, sagt man, den Schöpfer der Alceste und des Orpheus noch nicht ahnen ließ. Es waren nicht genug überraschende Schönheiten darin, um das Publicum aufzuregen.
Während des ersten Zwischenaktes wurde der deutsche Maestro vorgerufen, mit dem Debütanten, der Debütantin, und sogar der Clorinda, die, Dank der Protection Consuelo’s, die zweite Partie mit klebriger Stimme und gemeinem Akzent abgenäselt, jedoch mit ihren schönen Armen alle Welt entwaffnet hatte: die Rosalba, deren Stelle sie einnahm, war nämlich sehr mager.
Anzoleto hatte Corilla verstohlenerweise beobachtet und ihre wachsende Erschütterung bemerkt: während des letzten Zwischenaktes schien es ihm geraten, zu ihr in die Loge zu gehen um einer Explosion vorzubeugen. Kaum erblickte sie ihn, als sie sich wie ein Tiger auf ihn warf und ihm zwei, drei derbe Ohrfeigen versetzte, von denen die letzte so hakicht auslief, dass sie einige Blutstropfen herauslockte und ein Mahl zurückließ, das sich nicht so geschwind mit dem Rot und Weiß zudecken ließ. Der misshandelte Tenorist brachte diese Zornergüsse zur Ruhe, indem er vermittelst eines Faustschlags gegen die Brust die Sängerin halb ohnmächtig in die Arme ihrer Schwester Rosalba stürzte.
– Niederträchtiger! Verräter! baggiatore! keuchte sie mit erstickter Stimme: deine Consuelo und du, nur von meiner Hand werdet ihr sterben.
– Unglückliche, wenn dir irgend ein Schritt, irgend eine Miene, irgend eine Unziemlichkeit heut Abend entfährt: ich erdolche dich im Angesichte von Venedig, antwortete Anzoleto bleich, mit knirschenden Zähnen, und ließ vor ihren Augen sein treues Messer blitzen, das er mit aller Geschicklichkeit eines Mannes von den Lagunen zu werfen verstand.
– Er macht gewiss sein Wort wahr, flüsterte Rosalba erschreckt. Schweig still. Komm fort. Wir sind hier in Todesgefahr.
– Ja, das seid ihr, vergesset es nicht, entgegnete Anzoleto. Er ging hinaus, schlug die Logentür heftig zu und schloss doppelt herum.
Obgleich diese tragi-komische Szene à la Venitienne in einem geheimnisvollem raschen Mezza-Voce ausgeführt worden war, so mutmaßte man doch, als man den Debütanten nach seiner Loge eilig und die Backe im Schnupftuche längs der Coulissen hinstreichen sah, auf irgend einen niedlichen Handel, und der Perruquier, der herbeigerufen wurde, um die Locken des griechischen Prinzen wieder in Ordnung zu legen und dessen Schmarre zu bepflastern, erzählte der ganzen Bande von Choristen und Statisten, dass irgend eine verliebte Katze dem Helden ihre Krallen ins Gesicht gezeichnet habe. Besagter Perruquier verstand sich auf derartige Blessuren und war als kein Neuling wohl vertraut mit solcherlei Coulissenabenteuern.
Das Geschichtchen machte die Runde auf der Bühne, sprang, ich weiß nicht wie, über die Lampen ins Orchester, und von da auf die Balkons; und von da in die Logen, und wieder von dort zurück, unter Weges ein wenig vergrößert, gelangte es in die Tiefen des Parterres. Man kannte noch nicht die Beziehungen Anzoleto’s zur Corilla, aber verschiedene Personen hatten ihn um die Clorinda sichtlich bemüht gesehen, und es war die allgemeine Rede, dass die Seconda Donna aus Eifersucht auf die Prima Donna dem schönsten der Tenori ein Auge aus-, und drei Zähne eingeschlagen habe.
Die einen (Schade, dass im Deutschen hier eine weibliche Form fehlt), waren untröstlich; für die Meisten war es ein köstliches Scandälchen. Man fragte einander, ob die Vorstellung unterbrochen werden müsste, ob der alte Tenorist Stefanini vielleicht in Eile die Partie übernehmen und mit der Stimme in der Hand zu Ende singen würde. Da hob sich der Vorhang und alles war vergessen, als man Consuelo wieder erscheinen sah, so ruhig und erhaben wie zu Anfang. Obgleich ihre Rolle nicht ausgezeichnet tragisch war, machte sie sie dennoch dazu durch die Gewalt ihres Spieles und den Ausdruck ihres Gesanges. Tränen flossen, und als der Tenor wieder auftrat, erregte seine kleine Schmarre nur ein Lächeln. Indessen hatte er es doch diesem lächerlichen Zwischenfalle zu danken, dass sein Erfolg minder glänzend war, als er sonst sein konnte: Consuelo verblieben alle Ehren des Abends; sie wurde von neuem gerufen und bis zum Schlusse wahnsinnig beklatscht.
Nach dem Theater wurde im Pallaste Zustiniani soupiert, und Anzoleto vergaß, dass er die Corilla in ihrer Loge eingeschlossen hatte. Corilla konnte nicht heraus, ohne auszubrechen. In dem Tumulte, der, wie gewöhnlich nach einer so glänzenden Vorstellung, im Innern des Theaters statt fand, wurde ihr Rückzug nicht bemerkt. Aber am anderen Morgen kam die zerbrochene Türe mit Anzoleto’s Schmarre zusammen und leitete so auf den richtigen Weg der Intrigue, die Anzoleto bis dahin mit so großem Fleiß geheim gehalten hatte.
Er hatte sich bei dem üppigen Bankett, welches der Graf Consuelo zu Ehren gab, kaum niedergesetzt und alle Abbati der venetianischen Literatur huldigten der Heldin des Tages mit tags zuvor improvisierten Sonetten und Madrigalen, als ein Bedienter ihm ein Billetchen von der Corilla unter den Teller schob; er las verstohlen, es lautete:
»Wenn du nicht augenblicklich zu mir kommst, so hole ich dich selbst mit Eclat, und wärst du am Ende der Welt, wärst du in den Armen deiner dreimal verwünschten Consuelo.«
Anzoleto tat, als käme ihm ein Husten an, ging hinaus, und schrieb folgende Antwort mit Bleistift auf ein Stückchen rastriertes Papier, dass er im Vorzimmer aus einem Notenbuche riss:
»Komm, wenn du willst; mein, Messer ist immer bereit, und dazu meine Verachtung und mein Hass.«
Der Despot wusste sehr gut, dass bei einer Natur wie diese, mit welcher er