– Ich, kalt! rief die junge Spanierin staunend und rot vor Unwillen aus.
– Ach, ich liebe dich, wie man ein Weib nur lieben kann, und du hörst mich an und antwortest mir wie ein Kind. Von Freundschaft weißt du allein, von der Liebe verstehst du nichts. Mich martert es, mich verbrennt es, mich tötet es zu deinen Füßen, und du sprichst mir vom Priester, vom Kleid und vom Theater.
Consuelo, welche mit Ungestüm aufgestanden war, setzte sich wieder, verwirrt und über und über zitternd. Sie schwieg eine lange Zeit still, und als ihr Anzoleto neue Liebkosungen entreißen wollte, stieß sie ihn sanft zurück.
– Höre mich, sprach sie, man muss sich verständigen und sich kennen. Du hältst mich in der Tat für zu kindisch und es wäre eine läppische Ziererei von mir, wenn ich dir nicht gestünde, dass ich dich jetzt recht gut verstehe. Ich habe nicht drei Viertel von ganz Europa mit Leuten aller Art durchstrichen, ich habe nicht die ungebundenen und wüsten Sitten der herumziehenden Künstler in der Nähe gesehen, ich habe nicht, Gott sei es geklagt! die schlecht verhehlten Geheimnisse meiner Mutter erraten, – um nicht zu wissen, was übrigens jedes Mädchen vom Volke in meinem Alter weiß. Aber ich habe mich nicht entschließen können, zu glauben, Anzoleto, dass du mich würdest verleiten wollen, einen Eidschwur, den ich vor Gott in die Hände meiner sterbenden Mutter niedergelegt, zu brechen. Ich halte nicht viel von dem, was die Patrizierinnen, deren Geschwätz ich manchmal höre, ihren guten Ruf nennen. Ich bin zu unbedeutend in der Welt, um meine Ehre daran zu hängen, ob man mir ein bischen mehr oder minder Keuschheit zutraut; aber ich sehe meine Ehre darin, zu halten was ich versprochen habe, so wie ich auch die deinige darin suche, dass du hältst was du versprochen hast. Ich bin vielleicht keine so gute Katholikin, als ich es zu sein wünschte. Ich habe so wenig Unterricht in der Religion gehabt. Ich habe keine so schönen Sittenlehren und Tugendvorschriften erlangen können wie die jungen Mädchen der Scuola, die im Kloster erzogen und von früh bis spät in Gottes Wort unterrichtet werden. Aber ich handle, wie ich es weiß und wie ich kann. Ich glaube nicht, dass es unsere Liebe mit Unreinigkeit besudeln konnte, wenn sie mit den Jahren ein wenig lebhafter geworden ist. Ich zähle nicht eben ängstlich die Küsse, die ich dir gebe, aber ich weiß, dass wir meiner Mutter nicht ungehorsam gewesen sind, und dass ich ihr nicht ungehorsam sein werde, um eine Ungeduld zu befriedigen, welche sich leicht unterdrücken lässt.
– Leicht, schrie Anzoleto, indem er sie glühend an seine Brust drückte; leicht! ich wusste es wohl, dass du kalt bist.
– So kalt du willst, antwortete sie, indem sie sich aus seinen Armen losmachte. Gott, der in meinem Herzen liest, weiß es, wie ich dich liebe!
– Gut, gut! wirf dich denn an seine Brust, rief Anzoleto unwillig; die meinige ist freilich keine so sichere Zuflucht. Und ich will mich davon machen, damit ich nicht gottlos werde.
Er lief zur Türe; er glaubte, dass Consuelo sich beeilen würde, ihn zurückzuhalten, denn sie hatte sich niemals mitten in einem Streite, wie unbedeutend er war, von ihm zu trennen vermocht, ohne zu versuchen, ob sie ihn nicht besänftigen könnte. Sie machte auch wirklich eine hastige Bewegung ihm nach; dann blieb sie stehen, sah ihn hinausgehen, lief ebenfalls zur Türe, und legte die Hand an den Drücker, um zu öffnen und ihn wieder hereinzurufen. Allein, zu ihrem Entschluss zurückgedrängt durch eine übermenschliche Macht, schob sie den Riegel hinter ihm vor, und – überwältigt von zu heftigem Kampfe, fiel sie starr, in Ohnmacht auf den Boden und blieb regungslos liegen, bis es Tag ward.
14.
– Ich gestehe dir, dass ich sterblich in sie verliebt bin, sagte in derselben Nacht Graf Zustiniani zu seinem Freunde Barberigo, gegen zwei Uhr morgens, auf dem Balkon seines Pallastes in das Schweigen und Dunkel der Nacht hinaus.
– Das heißt, gibst du mir zu verstehen, ich soll mich hüten, es zu werden, antwortete der junge, glänzende Barberigo; ich will mich auch fügen, denn deine Ansprüche gehen den meinigen vor. Das aber frage ich dich. Wenn etwa die Corilla das Glück haben sollte, dich wieder in ihre Netze einzufangen, wolltest du nicht dann die Güte haben, es mich wissen zu lassen, damit ich auch meinerseits versuchen könnte, mir Gehör zu verschaffen? …
– Denke nicht daran, wenn du mich lieb hast. Die Corilla ist immer nur ein Spielwerk für mich gewesen. Ich sehe dir’s am Gesicht an, du willst spotten?
– Nein! ich denke nur daran, dass das doch ein sehr ernsthaftes Spielwerk ist, was uns zu so bedeutenden Ausgaben und zu so großen Torheiten verleitet.
– Nimm an, ich habe für meine kleinen Freuden Feuer genug, dass ich keine Kosten scheue, um mir ihre Fortdauer zu sichern. Im gegenwärtigen Falle jedoch ist es mehr als ein Verlangen; es ist, dünkt mich, eine Leidenschaft. Ich habe noch kein Geschöpf von einer so seltsamen Schönheit gesehen, wie diese Consuelo; sie ist wie das Flämmchen einer Lampe, welches von Zeit zu Zeit erblasst, und wenn es eben im Erlöschen scheint, dann plötzlich mit einer Helle aufleuchtet, um die Sterne zu verdunkeln, wie unsere Poeten sagen.
– Ach! seufzte Barberigo, dieses schwarze Kleidchen und dieses weiße Krägelchen, dieser halb armselige, halb devote Anzug, dieses bleiche, stille und auf den ersten Blick glanzlose Angesicht, diese abgerundeten und ungezwungenen Bewegungen, diese staunenswerte Freiheit von aller und jeder Coquetterie – wie umgewandelt und verklärt erscheint das alles, wenn sie sich im Gesange von ihrem eigenen Genius hinreißen lässt! Glücklicher Zustiniani, der du die Zukunft dieser erwachenden Ambition in Händen hast!
– Warum ist mir doch dieses Glück nicht gewiss, um das du mich beneidest! Aber ich hab’ im Gegenteile große Furcht, dass ich da von allen den weiblichen Leidenschaften, die mir bekannt sind, und die sich so leicht in Bewegung setzen lassen, nichts antreffen werde. Solltest du denken, Freund, dass dieses kleine Mädchen mir nach einem ganzen Tage des Sondierens und Beobachtens ein vollkommenes Rätsel geblieben ist? Ich glaube fast, nach ihrer Sicherheit und meinem Ungeschick zu urteilen, bin ich bereits in solchem Maße von ihr eingenommen, dass ich nicht mehr klar sehe.
– Wahrhaftig, du bist eingenommener als du solltest, denn du bist wirklich blind. Ich, der ich nicht von Hoffnungen befangen bin, könnte dir in drei Worten erklären, was dir unbegreiflich schien. Consuelo ist ein Blümchen Unschuld; sie liebt den kleinen Anzoleto; sie wird ihn noch ein paar Tage lieben; und wenn du dieses Attachement brüskirst, so wirst du ihm neue Kräfte zuwenden. Wenn du aber den Schein annimmst, nicht darauf zu achten, so wird sie Vergleichungen zwischen ihm und dir anstellen, und diese werden bald ihre Liebe abkühlen.