Winterkuss. Heidi Cullinan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heidi Cullinan
Издательство: Bookwire
Серия: Minnesota Christmas
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958235595
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Steh nicht hier rum und denk darüber nach, wie du hättest sterben können. Beweg dich. Beweg dich, beweg dich, beweg dich.

      Frankie setzte sich in Bewegung, indem er die Straße in die unheimlich stille Nacht hinunterging. Inzwischen fiel der Schnee so stark, dass er dagegen anblinzeln musste, weil er an seinen Wimpern festfror. Die Schuhe und Handschuhe waren dick, aber seine Zehen und Finger begannen, gegen die Elemente zu protestieren. Er musste so was wie einen Unterschlupf finden. Irgendeinen Unterschlupf.

      Er überlegte, wie lange es her gewesen war, dass er den letzten Briefkasten an der Straße gesehen hatte. Er fragte sich, ob er in Richtung der Stadt ging oder davon weg. Er fragte sich, wie kalt ihm noch werden würde, bevor er einen warmen und sicheren Ort gefunden hatte – und wie lange es dauern würde, dorthin zu gelangen.

      Frankie lief eine volle halbe Stunde. Sein Handy hatte immer noch keinen Empfang, aber es hatte eine Uhr. Es war schon fast acht, als er eine Zufahrtsstraße sah. Die kleine rote Flagge am Briefkasten signalisierte ihm, dass am anderen Ende jemand lebte.

      Vor Erleichterung stieß Frank ein Wimmern aus und stapfte schneller, angetrieben von dem Gedanken an Rettung. Es kümmerte ihn nicht einmal, ob dort ein Axtmörder lebte, solange er Frankie an einem warmen Plätzchen umbringen würde.

      Die Hütte am Ende der Einfahrt sah nach nichts Besonderem aus, weder bedrohlich noch einladend. Auf jeden Fall lebte hier jemand, der Ansammlung von Gerümpel auf der Veranda und den Möbeln, die durch das Fenster sichtbar waren, zu urteilen, aber niemand war zu Hause – entweder das oder sie waren taub, denn Frankie hatte mit aller Kraft gegen die Tür gehämmert.

      Gott sei Dank waren die Bewohner der Hütte vertrauensvoll, denn sie hatten die Tür nicht abgeschlossen. Sie schwang ganz einfach auf, als Frankie die Klinke drückte.

      »Hallo?«, rief er, als er den Kopf hineinsteckte. »Jemand zu Hause?« Niemand antwortete und er schloss die Tür hinter sich, bevor er seine Stiefel hart auf der Matte im Eingangsbereich, der als eine Art Foyer konstruiert war, abtrat. »Hallo?«

      Wärme umhüllte ihn – der Hauptraum war zwar keine Sauna, aber verglichen mit draußen war es angenehm. Dennoch ließ Frankie die Jacke an und die Decke eng um sich geschlungen, während er an der Tür stand und das Zuhause begutachtete, in das er eingedrungen war.

      Die Hütte war nicht groß. Das ganze Erdgeschoss bestand aus einem einzigen Raum, abgesehen von einer Tür nahe der Küche, die augenscheinlich in ein Badezimmer führte, und einer zweiten, von der Frankie wetten würde, das sie zu einem Wandschrank gehörte. Stufen führten in ein Dachgeschoss hoch, aber angesichts des Grundrisses und der Neigung des Dachs konnte sich dort oben nur ein einziger Raum befinden. Es sah beinahe wie eine Jagdhütte aus, aber derzeit lebte hier jemand dauerhaft – die Post lag auf dem Tisch verstreut und ein halb aufgegessenes Essen stand neben dem Waschbecken. Offensichtlich Haferbrei, der in einer Pfanne auf dem Herd geronnen war.

      Jemand lebte hier und war nicht besonders ordentlich.

      Allerdings fielen Frankie keine Hinweise auf einen Axtmörder ins Auge, also lüftete Frankie seine Decke lange genug, um seine Jacke an einen Haken hinter der Tür zu hängen und seine Stiefel auszuziehen. Wollmütze und Handschuhe auf der Bank neben der Tür abgelegt, wickelte sich Frankie wieder in die Decke ein und tapste in Socken durch die Hütte, um sich einen Überblick zu verschaffen.

      Der Strom war abgestellt, denn keiner der Schalter funktionierte, und es gab kein Telefon. Als er nach seinem eigenen suchte, um nachzusehen, ob er Empfang hatte, konnte er es nicht finden – vermutlich hatte er es irgendwo auf der Zufahrtsstraße verloren und dieses Wissen vermittelte ihm ein Gefühl der Leere, als hätte er einen Teil von sich selbst abgeschnitten. Er kannte die Telefonnummer seiner Eltern nicht, seit sie umgezogen waren, und hatte sich auch nie eine ihrer Handynummern gemerkt. Es war zu einfach, nur ihren Namen aus der Kontaktliste auszuwählen und sich das Handy für ihn erinnern zu lassen. Das Gleiche galt für seine Arbeit und seine Freunde.

      Du bist in Sicherheit. Hier ist es warm und du bist in Sicherheit.

      Franke stieß die Luft aus und rollte sich auf dem Sofa vor dem kalten Kamin zusammen. Daneben waren sorgfältig Holzscheite aufgeschichtet, ebenso wie Anzünder und eine Schachtel Streichhölzer, aber Frankie ließ die Finger davon. Er beschloss, sich unter den Decken zu vergraben, die ordentlich gefaltet am anderen Ende der Couch lagen und die er gegen seine eigene feuchte Decke eintauschte, die er über einen Stuhl beim Herd legte. Falls nötig, würde er ein Feuer entzünden, aber momentan würde er sich einfach warm halten. Er würde sich warm halten und auf denjenigen warten, wer auch immer hier lebte, und dann würde er schon sehen, wie es weiterging.

      Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass das hier die kleinste aller Kleinstädte war und wie dürftig sie jemanden wie ihn willkommen hießen. Allerdings war das gar nicht so einfach, denn in diesem Zimmer gab es nicht das kleinste Anzeichen einer weiblichen Hand. Hier lebte ein Mann alleine, einer, der nicht glauben würde, dass Frankie ein echter Mann war und möglicherweise nur ein paar besondere Arten hatte, um das deutlich zu machen.

      Hör auf, schimpfte Frankie sein Angsthasen-Gehirn. Und das erste Mal in seinem Leben, hörte es zu.

      Gott, aber es war so still in der Hütte.

      Und kalt.

      Und einsam.

      Frankie schloss die Augen und zog die Decken bis zu seiner Nase hoch, um die Hütte, den Sturm und die Welt auszuschließen.

      Er hatte nicht einschlafen wollen, musste es aber doch getan haben und zwar ziemlich fest, denn das Nächste, das er mitbekam, waren kräftige Hände, die ihn wachrüttelten. Nachdem er den Schlaf aus den Augen geblinzelt hatte und aufsah, sah er in drei bärtige Gesichter, die in verschiedenen Stufen der Überraschung auf ihn hinunter starrten, obwohl besonders eins verärgert zu sein schien.

      Papa Bär, erkannte Frankie und dachte, er musste träumen, aber das frostige Gefühl in seinem Körper und der Druck seiner Blase verrieten ihm, dass dem nicht so war. Desorientiert, verwirrt und erschrocken starrte er zu den Männern hoch. Mama und Baby Bär waren auch anwesend, die drei Holzfäller aus dem Café.

      Die, die Frankie an die Kerle erinnerten, die ihn in der Highschool gequält hatten. Erwachsen geworden und in den abgelegenen Northwoods lebend.

      Oh. Scheiße.

      Baby Bär lehnte sich vor und blinzelte. »Sag mal, bist du nicht der aus dem Café?«

      »Ja.« Frankie versuchte, sich aufrechter hinzusetzen, aber ihm war kalt und schwindelig und er hatte Angst. »Ich bin einem Elch ausgewichen und im Graben gelandet. Ich hatte keinen Empfang mit meinem Handy, also bin ich einfach gelaufen, bis ich einen sicheren Unterschlupf gefunden habe. Deshalb bin ich hier. Tut mir leid, ich bin wohl eingeschlafen, während ich gewartet habe.«

      »Himmel, ich habe dein Auto überhaupt nicht gesehen.« Die beiden anderen Männer runzelten die Stirn, aber der Blonde setzte sich ans Ende des Sofas und lächelte. »Ich bin froh, dass du okay bist. Entschuldige, dass wir nicht hier waren, als du aufgetaucht bist.« Er streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Paul.«

      Frankie zog seine rechte Hand unter den Decken hervor und nahm Pauls Begrüßung an. »Frankie.«

      »Arthur.« Der Rothaarige sprach schroff, aber er grinste dabei und zwinkerte, während er dem großen Dunkelhaarigen einen Stoß gegen den Arm gab – der große Dunkelhaarige, der immer noch finster dreinblickte. »Das ist Marcus, in dessen Bettchen du geschlafen hast.«

      Es brauchte nur einen Blick auf den mürrischen Papa Bär und Frankie wollte zurück unter seine Decken krabbeln. »Entschuldige«, sagte er stattdessen und zwang sich zu einem Lächeln.

      Papa Bär grunzte nur, drehte sich um und ging weg.

      Frankie holte tief Luft und machte sich klar, dass bis jetzt niemand Anstalten dazu gemacht hatte, ihn zu schlagen oder ihm sein Essensgeld abzunehmen.

      Bis jetzt.

      Kapitel 3

      Dass der Stadtjunge aus dem Café