Al Capone Staffel 2 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863778156
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ihn gerührt, jedenfalls seit dem Tag, als seine Eltern draußen in Oriow unter die Erde gebracht worden waren. Die Menschen hatten ihn nur gestoßen und gedemütigt. Drüben im Geschäft, wo alle wie kalte Maschinen herumstanden und ihn aus eisigen Augen anblickten, und an den Türen, wo er seine Geräte anbot. In der Zentrale war niemand, der Mitleid mit ihm gehabt hätte, nicht einer, der Mitgefühl für einen darbenden Vertreter zu entwickeln vermocht hätte. Auch die verschrobene Mrs. Frankforter, die die Provision auszuzahlen hatte, versuchte dauernd, an ihm herumzukorrigieren oder zu nörgeln, und war immer bereit, ihm irgendwelche Summen für irgendwelche Dinge abzuziehen, die angeblich nicht in Ordnung sein sollten.

      Nun war Ric gekommen. Gestern erst? Es schien Jahre her zu sein! Er war gekommen und plötzlich neben ihm vor der Haustür aufgetaucht, hatte der Frau geantwortet, hatte ihr Bescheid gegeben, etwas gewagt, was er, Frank, sich wohl tausendmal erträumt, aber niemals riskiert hätte.

      Reglos stand Ric Dillinger am Fenster, rauchte, hielt in der Linken das Whiskyglas, stützte die Rechte gegen die Wand und blickte auf die Straße hinunter. Er würde es sein, der die Dillinger-Gang gründete. Wenngleich er auch nicht ihr bedeutendstes Mitglied werden sollte. Das ahnte im Augenblick noch niemand, daß von den sieben Dillingers, die Washington in Angst und Schrecken versetzen sollten, eines Tages ausgerechnet der jetzt noch so feine John es sein würde, der die Gang anführen und dafür sorgen sollte, daß der Name Dillinger aus der Kriminalgeschichte Amerikas nicht mehr verschwinden würde. Jetzt aber war die Stunde des Richard Dillinger angebrochen. Er sagte mit seiner harten, etwas schroffen Stimme, ohne sich nach Frank umzudrehen:

      »Ich habe etwas mit dir zu besprechen.«

      Frank stand automatisch auf und nickte, setzte sein Glas auf dem Tisch ab und sagte:

      »Ja?«

      »Ich suche jemanden.«

      Frank antwortete nichts.

      Da drehte Ric sich um, kam an den Tisch zurück, senkte seinen stechenden Blick in die Augen des Vetters und kippte dann mit einem Ruck den scharfen Whisky in seine Kehle. Mit einem harten Geräusch stellte er das Glas auf den Tisch zurück und schob seine Zigarette zwischen die schmalen Lippen.

      »Ich suche eine Frau«, sagte er schnell, während er zum Sofa ging und sich darauf niederließ. »Ich weiß nur, daß sie morgen abend um neun Uhr in einer Bar oder einem Restaurant sein wird, in dem es deutsches Bier und Eisbein gibt.«

      Frank blickte ihn verwirrt an. Dann meinte er:

      »Das ist wenig.«

      »Ja, verdammt wenig. Aber es muß trotzdem genügen.«

      »Du meinst, daß ich dir vielleicht helfen könnte?«

      »Vielleicht. Kennst du solche Lokale hier?«

      »Ach, du lieber Gott, da gibt es eine ganze Menge. Von Lansing bis hinauf nach Deerfield hast du mindestens hundert, wenn nicht zweihundert oder gar noch mehr deutsche Lokale. Sie haben sich doch oben in Milwaukee eingenistet, die Germans.«

      Ric blickte düster vor sich hin. Schließlich meinte er:

      »Ich muß das Lokal finden, um jeden Preis.«

      Er hatte noch dreißig Stunden Zeit. Viel Zeit, wie es schien, aber wenig in Anbetracht dessen, was er vorhatte.

      Sie suchten das nächste Postamt auf, und Ric schrieb sich auf einen Notizbuchzettel von Frank sämtliche Lokale heraus, deren Namen ihm einen deutschen Charakter zu haben schienen. Aber die Kolonnen der Namen waren endlos. Er machte sich daran, die einzelnen Nummern anzurufen.

      Nach dem fünfzehnten Anruf war er es leid.

      »So werden wir nichts. Die hängen sofort ein, wenn man die blöde Frage nach Jerry losläßt.«

      Sie hatten den Sportsmans Park an der Cicero Avenue erreicht. Ric blieb plötzlich stehen und sagte wie zu sich selbst:

      »Ganz in der Nähe muß ein Autogeschäft sein.«

      Wieder wurde das nächste Postamt aufgesucht, und sämtliche Autoläden, die sie finden konnten, schrieben sie sich auf. Ric fragte am Telefon nach einem Pawell. Aber schon nach dem siebten Anruf reichte es ihm.

      »Das wird nichts. Die wollen nicht nach Pawell gefragt werden, sondern nach Autos. Sie haben keine Geduld. Es ist ganz klar, daß das nichts wird.«

      Frank verstand das alles nicht. Aber er sagte nichts. Er hatte eine ungeheure Hochachtung vor dem Vetter aus dem Westen bekommen, und außerdem glaubte er, ihm ja großen Dank schuldig zu sein. Sie suchten eines der Geschäfte nach dem anderen auf. Ric trat ein, erkundigte sich nach den verschiedensten Automobilen, machte zusammen mit Frank sinnloserweise fünf Probefahrten, und schließlich fragte er immer nach Pawell.

      Aber ohne Erfolg. Als die Geschäfte schlossen, hatten sie siebzehn Besuche gemacht, ohne zum Ziel gekommen zu sein. Frank war vollkommen erschöpft. Dieser Ric hatte ja ein Durchstehvermögen, das unheimlich war.

      Als sie an einer Imbißstube vorbeikamen, blickte Ric den Vetter an und meinte:

      »Wollen wir eine Kleinigkeit essen?«

      »Ja, bitte, sonst mußt du mich noch tragen.«

      Sie aßen jeder zwei »Hot Dogs« und tranken starken Kaffee dazu. Dann setzten sie ihren Weg fort. Ric fragte sich von einem Autogeschäft zum anderen durch, bei jedem erkundigte er sich, ob es in der Nähe ein Restaurant gab, in dem es deutsches Bier gab, oder dessen Besitzer Jerry hieß.

      Es war halb zehn, als Ric wütend aufsteckte. Sie fuhren zurück nach Stickney und kippten da den Rest des Whiskys in sich hinein.

      In der Frühe des nächsten Morgens war Ric schon auf den Beinen, scheuchte Frank hoch, und nachdem sie im Stehen Kaffee getrunken hatten, ging’s sofort wieder los.

      Es war der strapaziöseste Tag, den der Vertreter Franklyn Dillinger jemals erlebt hatte. Nur einmal gegen zwei Uhr machte Ric eine Pause, betrat einen Schnellimbiß, aß im Stehen Bratkartoffeln, Spiegelei und einen Fingerhut Salat, trank eine Tasse Kaffee und setzte seinen Weg fort. Frank wankte nur noch neben ihm her, obgleich er doch als Vertreter geglaubt hatte, Durchstehvermögen zu haben. Seine Füße brannten, und er hatte das Gefühl, daß er jeden Augenblick aus den Pantinen kippen müßte. Immer schneller wurde das Tempo von Ric. Er benutzte schließlich den Bus zu den einzelnen Autogeschäften und Restaurant und am Schluß sogar schon das fünfte Taxi.

      Es waren zwanzig Minuten vor sechs, und in zwanzig Minuten schlossen die Geschäfte.

      Ric war jetzt höchstwahrscheinlich selbst am Ende. Er lehnte einer Fordfiliale gegenüber an einer Hauswand, schob sich die letzte Zigarette aus dem dritten Päckchen zwischen die Zähne, riß ein Zündholz hinter sich an der Wand an und sog die Flamme in die Tabakfäden.

      Frank, der neben ihm an der Hauswand lehnte, hätte sich am liebsten auf den Boden gesetzt.

      Sie standen in der Lawndale Avenue, die im Süden in den Anlagen des kleinen Greenwood Parks endete. Plötzlich blickte Frank zu einem der Häuser hinüber, griff sich an die Stirn, zog die Linke über die Augen und nahm sie dann wieder weg, um ein Haus auf der anderen Straßenseite schärfer zu fixieren.

      »Mensch, siehst du die Schokoladenfabrik da drüben?«

      »Yeah«, preßte Richard mißmutig durch die Zähne, ohne ein Interesse an der Bemerkung seines Vetters zu bekunden.

      »Weißt du, wer da arbeitet?«

      »Keine Ahnung.«

      »Joe.«

      »Aha.«

      »Ach ja, du weißt ja gar nicht, wer das ist. Es ist ein Vetter von mir. Joe Scarepa.«

      »Ein Italiener?«

      »Nein, sein Vater ist italienischer Abstammung. Seine Mutter ist eine Schwester meiner Mutter. Ein prächtiger Bursche. Weißt du was, wir werden ihm guten Tag sagen.«

      Ric hatte nicht die mindeste Lust, aber da auch er müde war, hatte er nichts dagegen, Franks