Al Capone Staffel 2 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863778156
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auf sein Läuten wurde nicht geöffnet. Er wartete zwei geschlagene Stunden und zog dann bei den Nachbarn sehr vorsichtig Erkundigungen über Frank Dillinger ein.

      Die Leute wußten nichts Besonderes über ihn zu sagen, auch nichts Nachteiliges – und das war schon viel wert.

      Dennoch harrte der zähe Norweger bis halb drei vor dem Haus in Stickney aus. Aber der Erwartete kam nicht. Da rief Eliot einen der G-man vom Dienst heran und beauftragte ihn die Ablösung zu übernehmen.

      Er selbst nahm den Bus nach West Chester hinauf, lehnte eine halbe Stunde am offenen Fenster seines Wohnzimmers und blickte über die winkligen Dächer seiner Nachbarschaft hinweg in den immer noch mit grauen Wolken verhangenen Himmel Chicagos.

      Zu seiner Enttäuschung blieb heute auch der dicke Kater Figaro aus, der ihn sonst abends immer mit einem Kurzbesuch beehrte.

      *

      Gegen halb acht am Morgen war der Norweger wieder im Amt am Oakwoods Cemetery. Cassedy kam sofort, als er erfuhr, daß er eingetroffen sei.

      »Na, Sie haben ja wieder eine lange Nacht gemacht. Snyders hat sich gegen halb drei hier abgemeldet, wie ich sofort heute morgen erfahren habe. Und dahinter stand: Ablösung für Boß.«

      »Ach, wissen Sie, Pink, es war eine so lauschige Frühlingsnacht und…«

      »Ja, wenn Sie an der Ecke Prairie Street – Western Avenue so lange ausgehalten hätten, dann wäre mir das verständlich gewesen.«

      »Wieso?« meinte Eliot, während er den Kopf auf die Seite nahm.

      Da nahm Cassedy die linke Hand hoch, die die Fotografie einer Frau hielt.

      Es war Ruth Dillinger!

      Eliot hatte das Gefühl, daß er in diesem Augenblick kein besonders intelligentes Gesicht machte.

      »Wie kommen Sie denn da dran?«

      »Tja«, meinte der Dicke mit pfiffiger Miene, ließ sich in einem der abgewetzten Ledersessel des Inspektors nieder und fuhr fort: »Zum Teufel, kann man da nicht doch mal irgendwann einen Vorhang anbringen an diesem Loch!« Er deutete auf das große Fenster hinter dem Schreibtisch des Chef-Inspektors, das nicht nur altmodisch und viel zu hoch und schmal war, sondern dessen unangenehmste Seite der Ausblick war: Er führte direkt auf die endlosen Gräberreihen des Oakwoods Friedhofs.

      »Doch, gelegentlich werde ich im Haus dafür sammeln. Ich kann ja gleich bei Ihnen anfangen«, entgegnete Eliot. »Und jetzt sagen Sie mir endlich, wie Sie an das Foto kommen.«

      »Heute morgen hier gemacht. Von Morris. Sie wissen doch, er ist auf Draht, wenn’s was zu schießen gibt.«

      »Wollen Sie damit sagen, daß die Frau…« Eliot brach ab und sah im Hintergrund des Fotos, auf dem die Frau zu sehen war, die eine Treppe hinaufging, tatsächlich einen Teil der Pförtnerloge des FBI-Gebäudes.

      »Sie war hier?«

      »Allerdings.«

      »Was wollte sie?«

      »Zu Ihnen.«

      »Und?«

      »Hat sie mir nicht gesagt.«

      »Das ist nicht Ihr Ernst, Pink.«

      »Sie hat gesagt, sie würde sich noch einmal melden.«

      Eliot, der um den Schreibtisch herumgegangen war, spürte wieder das merkwürdige Gefühl in seiner Brust, den siedendheißen Strahl, der zu seinem Herzen zuckte.

      Zum Teufel, daß man sich gegen diese Art von störenden Erregungen im Dienst nicht wappnen konnte. Es durfte schließlich nicht angehen, daß man sich von solchen Dingen aufhalten ließ. Dafür war letztlich der Feierabend da. Und die kleine, süße Jenny – oder auch Ann, die er schon über eine Woche nicht mehr gesehen hatte. Man fand aber auch überhaupt nicht mehr zu einem Privatleben bei einem solchen Job.

      In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und die kleine Ruth Everett trat ein. Die Sekretärin des Chef-Inspektors war ein bildhübsches Mädchen, und er wunderte sich plötzlich zum erstenmal darüber, daß ihm das niemals so richtig aufgefallen war. Und Ruth hieß sie auch! Mit raschen Schritten kam sie näher und legte eine Akte auf den Schreibtisch. Fast lautlos entfernte sie sich wieder.

      Eliot senkte den Kopf, und sein Blick fiel wieder auf die Fotografie, die Cassedy ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte. Ein hastiger Schnappschuß, unscharf und nichtssagend – und dennoch war die ganze Rasse dieser Frau in dem Bild eingefangen. Es war direkt ein Meisterschuß von Morris. Hielt er doch in der Bewegung eine ganze Menge von dem Wesen dieser Frau fest.

      »Was ist mit Snyder?« fragte er.

      »Er ist gegen sechs von Simmons abgelöst worden. Und Simmons ist noch da. Er hat sich vor einer halben Stunde gemeldet. Nichts Neues.«

      »Nicht? Interessant«, stellte Eliot leise fest. Dann fragte er:

      »Was haben Sie über sie herausgebracht? Wie ich Sie kenne, haben Sie inzwischen einiges erfahren.«

      Cassedy legte seine gewaltigen Pranken auf seinen Leib, streckte die Beine von sich und schmunzelte.

      »Gestatten Sie, Boß, daß ich mir eine Zigarre dazu anzünde?«

      »Seit wann fragen Sie? Sie machen sich doch sonst nichts draus, mir die Bude zu verqualmen.«

      »Na, hören Sie«, entrüstete sich der Dicke, während er sich aufrichtete, »das wußte ich ja gar nicht, daß Ihnen das nicht gefällt. Ich dachte immer, meine blonde Michigan View würde Ihrer Nase besonders gut liegen. Bedenken Sie, daß sie pro Stück immerhin…«

      »Erzählen Sie mir doch endlich, was Sie herausgebracht haben, Pink.«

      »Ach ja«, versetzte Cassedy und leierte das Folgende dann extra monoton, wie ein Automat, herunter: »Sie ist vierundzwanzig Jahre alt, arbeitet als Laborantin in einem chemischen Großbetrieb, hat Chemie studiert, und es heißt, daß sie ihren Doktor machen will. Sie ist gut beleumdet, hat keine Verhältnisse, trägt sich unaufdringlich elegant und hatte bis vor fünf Wochen einen kleinen Pudelhund, der überfahren wurde.

      Sie liebt Lachsschinken, französischen Käse, deutsches Duftwasser aus Köln und ist Nichtraucherin. Sie hat ein Fahrrad, Marke Colorado, war bis vor zwei Jahren in einem Tennisclub und geht hin und wieder ins Kino. Sie ist schuldenfrei, hat etwas Geld in einem Fond und scheint eine Vorliebe für Friedhöfe zu haben.«

      »Aha«, meinte der Inspektor, während er sich auf seinem harten, unbequemen Stuhl niederließ und auf die Berge von Aktenstapeln blickte, die sich allmorgendlich vor ihm häuften und seiner Bearbeitung harrten.

      Gestern um die Mittagsstunde war draußen vor der Tür seines Dienstgebäudes eine Frau niedergeschossen worden. Well, es war nicht seine Schuld, daß die Beamten die Nummer nur halb hatten feststellen können, aber immerhin war der Wagen rasch genug gefunden worden. Daß der Mann noch nicht entdeckt werden konnte, war ebenfalls nicht seine Schuld. Dennoch lastete die Sache wie ein Bleiklumpen auf ihm.

      »Dieser Frank Dillinger muß gefunden werden«, sagte er, während er mit der Linken die neuesten Meldungen zu sich heranzog. Er hatte mit seiner Sekretärin ein gutes System ausgearbeitet: Die wichtigsten Meldungen trugen ein rotes Kreuz, die nächstwichtigen Nachrichten ein grünes, und drittrangig von Ruth Everett eingestufte Durchsagen erhielten ein blaues Kreuz; alles übrige blieb unmarkiert.

      Unter den roten Markierungen fand er einen Bericht des Leichenschauhauses, worin mitgeteilt wurde, daß die Leiche des auf beiliegendem Foto abgebildeten Mannes, der etwa dreißig Jahre alt sein mochte, im Morgengrauen im Sanitary Drainage Canal gefunden worden sei. Die übrigen Nachrichten konnte er sofort an seinen Stellvertreter weitergeben.

      Nachdem er das Protokoll vom Verhör George Tunneys, dem Mann der Ermordeten, das keinerlei Anhaltspunkte ergab, durchgelesen hatte, wandte er sich an Cassedy.

      »Wo ist das chemische Labor, in dem Ruth Dillinger arbeitet?« erkundigte er sich, während er schon wieder nach Hut und Mantel griff.