Al Capone Staffel 2 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863778156
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Geschlecht ausgeübt hatte, übten auf ihn außergewöhnliche Frauen aus.

      War es eine außergewöhnliche Frau, die da vor ihm stand? Auf jeden Fall war sie außergewöhnlich schön. Eine einmalige Erscheinung, wie er sie mit Bewußtsein in seinem Leben noch niemals gesehen hatte.

      Die Diele war mit einer weinroten Stofftapete bezogen, auf der winzige goldgerahmte Bilder hingen, außerdem ein großer venezianischer Spiegel, unter dem eine zierliche Garderobe stand, die von einem Künstler gearbeitet sein mußte. Die Türen waren weiß lackiert und trugen kostbare Griffe und Schloßverzierungen.

      »Bitte, kommen Sie weiter«, sagte die Frau, während sie mit federndem Schritt vor ihm herging und eine der Türen öffnete.

      Eliot blickte in einen sehr großen, geschmacklich eingerichteten Wohnraum, aus dem ihm ein seltsamer fremdländischer Duft entgegenschlug.

      Indisch Harz oder so etwas, konstatierte er.

      Die Frau deutete auf einen schweren Klubsessel, der mit dunklem Leder bezogen war, und ließ sich selbst auf einer Sofaecke nieder.

      »Ich bedaure wirklich, daß ich Sie so spät stören muß.« Herrgott, das habe ich doch jetzt mindestens schon dreimal gesagt. Was ist denn bloß mit mir los?

      »In der 71. Straße ist eine Frau ermordet worden.« Er machte eine kurze Pause und spürte, wie die Frau ihn schweigend anblickte.

      »Der Mörder hat drüben in Addison einen Wagen geliehen und bei dem Verleiher den Namen Dillinger angegeben.«

      Wieder machte er eine Pause – und hoffte, sich nun schon wieder soweit in der Gewalt zu haben, daß er wie gewohnt vorgehen konnte.

      Als die Frau sich jetzt aber etwas vorbeugte, die Beine übereinander schlug und ihren Kopf in die Hände stützte, spürte er, wie ihm das Blut heiß zum Herzen schoß.

      Er vermochte nur verbindlich zu lächeln – eine Geste, die er sich zur Gewohnheit bei ähnlichen Situationen gemacht hatte –, aber es half diesmal absolut nichts. Als er den vollen Blick der Frau wieder auffing, warf es ihn erneut meilenweit zurück.

      »Tja«, brachte er mit fast heiserer Stimme hervor, »wir haben natürlich jetzt die Pflicht, uns erst einmal sämtliche Leute, die den Namen Dillinger tragen, anzusehen.«

      Da zauberte die Frau ein betörendes Lächeln in ihre Augen.

      »Ich heiße Dillinger, Ruth Dillinger. Aber ich kann Ihnen versichern, daß ich nicht die Mörderin bin.«

      Er erhob sich benommen, griff nach seinem Hut, der auf der Sessellehne lag, deutete eine Verbeugung an und entgegnete:

      »Ich bin davon überzeugt, Madam.«

      »Miß«, sagte sie freundlich, während sie sich ebenfalls erhob.

      Eliot ging bis zur Tür, hatte den Griff schon in der Hand, als er sich noch einmal umdrehte.

      Sie war drüben am Tisch stehengeblieben, hatte die rechte Hand auf das dunkle Holz aufgestützt und die Linke auf die Hüfte gesetzt.

      Das linke Bein hatte sie etwas eingeknickt.

      Diese Haltung brachte ihre Schönheit voll zur Geltung.

      Und sie mußte es wissen. Sekundenlang stand Eliot schweigend da und blickte sie an.

      Die Frau kostete es aus, das glaubte er förmlich zu spüren. Oder schien es ihm nur so?

      »Entschuldigen Sie, Miß Dillinger, daß ich noch etwas frage: Haben Sie Verwandte in der Stadt?«

      »Das nehme ich an. Ich habe bloß nichts mit ihnen zu tun. Seit meine Eltern tot sind, kümmere ich mich um niemanden, weil sich auch niemand um mich gekümmert hat, als meine Eltern starben – und auch vorher nicht, als sie so lange krank waren.«

      »Ich verstehe.«

      Da kam sie langsam vom Tisch über den maisfarbenen Teppich auf ihn zu, blieb vor ihm stehen, senkte den Kopf etwas, legte die Fingerspitzen beider Hände aufeinander und blickte in seine Augen.

      »Aber ich glaube, es ist meine Pflicht, Ihnen Wege zu ersparen. Also, warten Sie, lassen Sie mich nachdenken. Ich hatte einen Onkel oben im Augusta Boulevard. Es ist möglich, daß er noch lebt. Aber er war damals, als meine Eltern starben, schon sehr alt. Ich glaube, an die Neunzig. Und meine Eltern sind immerhin schon acht Jahre tot. Dann hatte ich Verwandte im Douglas Boulevard in der Nähe des Parks. Ich weiß nicht genau, wo da. Außerdem müßte ich einen Vetter Frank haben; sein Vater war der einzige, der sich mit meinem Vater gut verstand, und der auch zu ihm hielt, als es Vater schlechtging. Aber sie sind längst tot, seine Eltern. Er ging dann, glaube ich, nach Detroit oder Milwaukee. Ich weiß es nicht ganz sicher. Vielleicht ist er auch wieder in Chicago. Ich meine, jemand hätte es mir mal erzählt, ich habe es aber nicht weiter verfolgt.«

      »Und sonst haben Sie keine Verwandten in der Stadt?«

      »O doch, da müßte noch Joseph sein, den ich aber auch sicher an die acht Jahre nicht mehr gesehen habe. Joseph heißt nicht Dillinger, sein Vater war ein Sizilianer. Er hieß Scarepa.«

      Stundenlang hätte er ihr zuhören können. Schade, daß sie nicht Smith oder Miller hieß, Tausende von Verwandten in der Stadt hatte und sie ihm alle aufzählen mußte. Wenn diese Ruth Dillinger gewußt hätte, welch ein Lichtblick sie in der Reihe der Gesichter war, die der FBI-Inspektor Eliot Ness Tag für Tag zu sehen bekam, dann wäre sie jetzt vielleicht sehr stolz gewesen.

      Aber wenn der Norweger Eliot Ness geahnt hätte, welche Rolle diese Ruth Dillinger in den nächsten Jahren in seinem eigenen Leben spielen würde, dann hätte er wahrscheinlich jetzt auch sehr erstaunt dreingeblickt…

      »Tja, es tut mir wirklich leid, daß ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Frank ist eigentlich der einzige, der wahrscheinlich noch leben wird. Wo er allerdings wohnt, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich meine, einmal von Tante Lou, einer entfernten Verwandten, die inzwischen auch gestorben ist und draußen auf dem Waldfriedhof liegt, gehört zu haben, als ich sie an einem Samstagnachmittag in einem Warenhaus traf, daß Frank irgendwo in Stickney wohnte…«

      Es ließ sich nicht ändern. Er mußte gehen. So schwer es auch war, sich von diesem traumhaften Anblick loszureißen. Er ging zur Tür, deutete noch einmal eine Verbeugung an und hörte sie sagen:

      »Auf Wiedersehen, Mr. Ness.«

      Mit einem dumpfen Geräusch schloß sich die Wohnungstür hinter ihm.

      Gedankenverloren schritt er die Treppe hinunter.

      Als er Verbindung mit der Zentrale am Oakwoods Cemetery aufgenommen hatte, hörte er Cassedys Stimme:

      »Eliot, wo sind Sie?«

      »In Blue Island.«

      »Was, zum Teufel, suchen Sie denn in Blue Island? Ich denke, Sie sind nach Hause gegangen. Der Tag hat schließlich schon um vier Uhr heute morgen für Sie angefangen, durch die blöde Geschichte mit diesem Walker.«

      »Wenn schon, Pink, ich habe einen der letzten Dillingers aufgesucht. Hier draußen in einem Haus an der Ecke Prairie Street und Western Avenue.«

      »Und? Ist der Kerl interessant?«

      »Interessant schon, Pink, aber es ist kein Kerl.«

      »Eine Frau?«

      »Und was für eine…«

      »Also wenn Sie nicht wieder mal Schwein haben, dann weiß ich es auch nicht. Ich gerate da an lauter alte Daddys, unangenehme zahnlose Tanten, und Sie verschlägt’s immer ins Abenteuer.«

      »Leider war’s kein Abenteuer, Pink. – Was hat Lock gebracht?«

      »Nichts Besonderes. O’Connor war in Stickney und hat da einen Frank Dillinger gesucht, einen Vertreter, dreiunddreißig Jahre. Aber er war nicht daheim.«

      Ihr Vetter! Sie hatte entweder ein gutes Gedächtnis oder sie wußte, wo dieser Frank wohnte.

      »Geben Sie mir doch bitte die Adresse