»Ja, wenn nicht Einer sich hier befände, für den man sich interessiren möchte.«
»Wer ist das?«
»Jener Goldsucher Günther. Er kommt mir verdächtig vor. Warum miethet er sich hier ein? Ich hatte eigentlich die Absicht, ihn mir einmal anzusehen, aber da ich so viel Zeit versäumt hatte, um die Fährte ein Stück weit in's Feld zu verfolgen, so habe ich davon abgesehen.«
»So ganz Unrecht habt Ihr nicht. Ein Deutscher hier in Prescott! Jedenfalls ist das interessant genug, um ihn einmal zu begrüßen. Ich werde doch zu ihm gehen. Schaden kann es nichts.«
Er begab sich hinaus, stieg die Treppe hinan und klopfte an die Thür.
»Wer da?« fragte es erst nach einer Weile.
»Seid Ihr Sennor Günther?«
»Ja.«
»Bitte, öffnet doch einmal.«
»Was wollt Ihr? Kommt Ihr von Zimmermann?«
»Nein. Aber ich bin ein Deutscher und da ich höre, daß Ihr ein Landsmann seid, so wollte ich die Gelegenheit, Euch zu begrüßen, nicht vorübergehen lassen.«
»Vortrefflich! Ich öffne sogleich!«
Der Riegel wurde zurückgeschoben und die Thür aufgemacht. Günther stand unter derselben und sagte:
»Also ein Landsmann! Das freut mich, das – alle tausend Teufel! Oskar, Du!«
»Günther, Du?«
Sie standen sich einige Augenblicke vollständig betroffen gegenüber, dann aber lagen sie sich in den Armen.
»Herein, mein lieber, lieber Freund!« bat Günther, indem er Steinbach hineinzog. »Welch eine Ueberraschung! Wer hätte so Etwas für möglich gehalten!«
»Ich auch nicht. Zwar weiß ich, daß Du in Mittelamerika reisest, aber mit Dir zusammenzutreffen, daran habe ich nicht gedacht.«
»Laß Dich nur zunächst nieder! Ich werde sofort der Wirthin sagen, daß sie – –«
Er wollte rufen. Steinbach wehrte ihm.
»Halt! Nicht rufen! Die Wirthin soll lieber gar nicht merken, daß wir uns kennen.«
»Warum nicht?«
»Ich habe meine triftigen Gründe. Also Du reisest incognito?«
»Natürlich. Ich habe mich meines Vor- als Zunamens bedient. Und Du?«
»Ich heiße Steinbach.«
»Wie in Afrika. Hast Du diplomatische Mission?«
»Halb und halb. Gedenkst Du, hier Rast zu machen?«
»Ja. Du doch auch?«
»Schwerlich. Ich habe hier in der Nähe ein Rencontre, welches mich zur schnellen Abreise veranlassen wird.«
»Kann ich Dir dienen?«
»Danke! Ich Dir vielleicht?«
»Schwerlich.«
»Bitte, nicht so wegwerfend! Du bist hier fremd!«
»Du doch ebenso!«
»Vielleicht nicht,« lächelte Steinbach. »Hast Du vielleicht einmal von dem berühmten Fürsten der Bleichgesichter gehört?«
»Ja, öfters.«
»Nun, der bin ich.«
»Was Du sagst! Nun ja, zu glauben ist es. Du bist eben ein ganz und gar außerordentlicher Mensch und hast dazu das Glück, daß Deine Verhältnisse sich ebenso außerordentlich gestalten. Wir Durchschnittsmenschen laufen nur so geradeaus.«
»Bedauerst Du das?«
»Gewiß. Ich ging aus, um Abenteuer zu erleben. Habe ich ein einziges gehabt? Nicht eins!«
»Du Aermster!«
»Ja. Ich habe gar nichts, gar nichts erlebt. Denn daß ich in San Franzisko mit einem Oelprinzen zusammentraf und ihm einige Dollars im Spiele abnahm, das ist doch nicht zu nennen.«
»Wenn es keine bedeutende Summe war!«
»Gar nicht! Lumpige Hundertzwanzigtausend!«
Er sagte das in kläglichem Tone. Steinbach lachte:
»Glückskind! Immer stets der Alte. Dein Glück ist wirklich bange machend.«
»Pah! Ich verzichte gern auf dasselbe. Ich bin ja reich genug. Glück im Spiele und Unglück in der Liebe. Ein altes aber wahres Wort. Ich wünsche wirklich sehr, daß es umgekehrt wäre.«
»Glück in der Liebe?«
»Ja.«
»Soll ich etwa glauben, daß Du endlich Feuer gefangen hast, Alter?«
»Feuer gefangen? Pah! Dieses Bild sagt nichts, sagt viel zu wenig für das, was ich da drin empfinde.«
Er schlug sich dabei an die Brust.
»Ich condolire!« lachte Steinbach.
»Lache immerhin! Du freilich bist gefeit gegen den Pfeil des Schalkes Amor. Du wirst niemals in die Lage kommen, Dich eines weiblichen Wesens wegen auf das Pfarramt zu bemühen.«
»Von Dir dachte ich ganz dasselbe.«
»Denken! Des Menschen Gedanken sind nichts, gar nichts. Sprechen wir nicht davon. Erzähle mir lieber Etwas von Deinen Erlebnissen!«
»Dazu habe ich wirklich keine Zeit!«
»Was? Dein bester, treuester Kamerad soll nichts erfahren von – –«
»Nein, ganz und gar nichts, wenigstens jetzt nicht. Meine Zeit ist mir so knapp zugemessen, daß ich mit Dir nur das Allernothwendigste besprechen kann, und das besteht doch wohl darin, daß wir uns sagen, was uns nach Prescott führt, was wir hier wollen. Ich wiederhole, daß ich Dir sehr gern meine Hilfe anbiete, wenn sie Dir genehm ist.«
»Danke! Mir kann keine Hilfe helfen.«
»Ich habe einige famose Kerls bei mir, berühmte Prairiejäger und Westläufer.«
»Ist mir Alles Schnuppe.«
»Hm! Du scheinst um Vieles anders geworden zu sein. Seit wann bist Du hier?«
»Seit gestern.«
»Erst? Woher kamst Du?«
»Von Yuma, da unten an der Süd-Pacificbahn.«
»Ah, das ist interessant. Was wolltest Du dort?«
»Ich wollte sie suchen.«
»Sie? Wen?«
»Na, sie natürlich! Bedarf es weiterer Worte?«
»Nein, nun nicht. Ist sie Dir abhanden gekommen?«
»Leider! Ich will nicht von ihr sprechen und Du bringst mich doch immer wieder auf sie.«
»Ich biete Dir Rath und That an.«
»Danke! Habe Dir bereits gesagt, daß mir Niemand helfen kann. Ueberhaupt feiern wir unser so unerwartetes Wiedersehen auf eine verteufelt triste Weise: keinen Wein, keine Cigarre, rein gar nichts.«
»Ist auch nicht nöthig. Wir treffen für einen Augenblick unterwegs, wie der wilde Jäger den ewigen Juden. Da bedarf es keiner großen Tafeleien. Also, wie lange bleibst Du?«
»Bis ich sie finde.«
»Sie