Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stanislaw Przybyszewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027205639
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du unter mir stehst, weil du ein Sklavengehirn bist, und weil ich, ja ich – ein gemeiner, geriebener Lump bin.

      Warum bin ich ein Lump? Weil ich sie liebe und sie mich liebt.

      Deswegen bin ich ein Lump!

      He, he, Mikitchen, deine Logik ist doch verflucht dumm, ganz hervorragend dumm.

      Merke er denn nicht, daß Isa ihn nicht mehr liebe? Was zum Teufel? Sei er denn blind?

      Was wolle er denn von einem Weibe, das mit ihrer ganzen Seele einem Andren gehöre?

      Der Wagen bog von einer Asphaltstraße auf einen Pflasterweg.

      Das war Falk im höchsten Grade unangenehm.

      Nun, es konnte ja nicht mehr lange dauern.

      Aber warum, warum will sie Mikita heiraten? Warum?

      Und da schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf, der ihn wie einen Gummiball emporschnellte.

      War sie seine – – seine Maitresse?!

      Etwas wühlte mit feinen, schmerzhaften Stichen in seiner Brust, er duckte sich vor Schmerz ...

      – Schneller, Kutscher, schneller zum Teufel!

      – Was geht mich das an?! schrie er. Was geht mich, mich – mich das an?!

      Er fiel ganz zusammen.

      Ich werde sie nicht mehr sehen. Es ist auch besser, viel besser. Das bißchen Leiden wird schon vergehen, dann werd ichs schon vergessen ...

      Wo war er denn?

      Aha!

      Der Wagen fuhr langsamer dicht an den Häusern entlang, dann blieb er stehen.

      Falk stieg aus dem Wagen. Nun mußte er auf den Nachtwächter warten.

      Was wollte er eigentlich bei Janina?

      Nun wurde ihm ganz deutlich, was kommen werde, wenn er hinaufgehe ... Selbstverständlich wird sie weinen, weil er so traurig und so müde ist ... und dann – nein! Das könne er nicht, nein ...

      Er sah Isa mit dem schlanken, feinen Körper und fühlte ihre Küsse und ihre schmale Hand.

      Nein! Es geht nicht ...

      Na, dann nach Hause! Ja nach Hause ...

      Er werde die Lampe anzünden ...

      Er betastete nervös seine Tasche ...

      Gott sei Dank, daß er Streichhölzer bei sich hatte ... Dann werde er ins Bett gehen ... nein! nein!... Vielleicht auf dem Sofa einschlafen –ja, ein wenig Morphin –ja, aber morgen diese Kopfschmerzen ... er werde sie nicht mehr sehen.

      Als er nach Hause kam, fand er einen Brief von seiner Mutter.

      Es war ein sehr langer Brief. Sie erzählte ihm umständlich mit allen Details, daß sie das Gut verkaufen mußte, weil sie es nach dem Tode des Vaters nicht mehr gut bewirtschaften könne, daß sie der Inspektor unanständig betrogen habe und daß sie nach der Stadt gezogen sei.

      Dann war da in dem Briefe eine lange Erzählung über einen Herrn Kauer, der ihr so behilflich war und dem sie zum großen Danke sich verpflichtet fühle, dann eine ebenso lange Lobrede über Herrn Kauers junge Tochter, die ein Engel an Güte und Liebreiz sei ...

      Der Name Marit klang so sonderbar für Falk, er hatte den Namen nur in Norwegen gehört ...

      Und schließlich, die Hauptsache – Falk atmete auf. Die Mutter erzählte weit und breit, warum es die Hauptsache sei: er müsse durchaus zu ihr kommen, um ihr die Geldaffären zu ordnen helfen. Er müsse dabei sein, weil es die Kuratoren des Vermögens so wünschen ...

      Nun, da trifft es sich gut. Dann werd ich fahren.

      Er schrieb einen Brief an seine Mutter, daß er sofort abreisen wolle, und trug ihn sofort in den Postkasten.

      XIII.

       Inhaltsverzeichnis

      Falk mußte noch eine halbe Stunde warten.

      Die dumme Uhr ging immer zu früh.

      Sein Kopf war schwer, das Morphin stak lähmend in seinen Gliedern.

      Dann hatte er noch Fieber obendrein, sein Herz flog, hin und wieder mußte er sich vornüberbeugen, weil er heftige Stiche in der Brust empfand.

      Er sah sich um.

      Am Büffet saßen zwei Eisenbahnbeamte und spielten Karten mit dem Kellner.

      Er wollte Bier haben, aber er durfte wohl den Kellner nicht stören.

      Dann sah er nach der großen Glastür und las ein paar Mal: Wartesaal.

      Ja, er mußte warten.

      Wieder sah er nach dem Büffet hin.

      Merkwürdig, daß er früher den vierten Mann nicht gesehen hatte.

      Der Mann hatte einen schwarzen Schnurrbart und ein aufgedunsenes Gesicht. Er sah eine Weile dem Spiel zu, dann pflanzte er sich vor dem Spiegel auf und betrachtete sich wohlgefällig.

      Ja, gewiß; du bist sehr schön – sehr schön ...

      Ob er wohl auch eine Geliebte habe? Gewiß ... er mußte ja in den Geschmack der Weiber fallen. Wenn Mikita ... na ja ...

      Schade, schade, daß er den Kellner doch stören mußte ... Er klopfte.

      – Verzeihen Sie, Herr Kellner, aber ich habe Durst!

      Der Kellner nahm das als einen Verweis hin und entschuldigte sich vielmals.

      Nein, nein, er habe es nicht so gemeint, Falk behandelte den Kellner mit der ausgesuchtesten Höflichkeit.

      Nun mußte er gehen. Und es war so gut da – in dem Wartezimmer.

      Als er ins Coupé einstieg, empfand er ein ungewöhnliches Glücksgefühl.

      Das Coupé war leer.

      Welches Glück! Er könnte jetzt mit keinem Menschen zusammensitzen. Das würde ihn unerhört stören. Er würde nicht einen Gedanken denken können.

      Er sah auf die Uhr. Noch fünf Minuten.

      Er drückte seinen Kopf gegen das Coupéfenster.

      Draußen fesselte ihn das Licht der Gaslaterne.

      Das Licht sah aus wie ein spitzes Dreieck mit der Basis nach oben: sie war sehr ausgeschweift, so daß die Kanten wie züngelnde Pfeile hin und herflogen.

      So, grade so mußten die feurigen Zungen aussehen, die auf die Köpfe der Apostel herniederfielen.

      Er wachte auf.

      Daß er dies Alles sah. Daraus würde ein Holz mindestens ein Drama gemacht haben.

      Schade, daß er kein Notizbuch hatte! Schade, schade! Er müßte eigentlich auch mit dem Notizbuch arbeiten, um die Seele zu entdecken.

      Der Zug setzte sich in Bewegung.

      Was? Wie? Er sollte wegfahren von ihr? von ihr?

      Nein, unmöglich!

      Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn und ein entsetzliches Angstgefühl stieg in ihm hoch.

      Von ihr!?

      Etwas zwang ihn, die Tür aufzumachen und hinauszulaufen zu ihr – vor ihr hinfallen, ihre Knie umklammern und ihr sagen, daß er ohne sie nicht leben könne, daß sie ihm gehören müsse, – daß – daß ... Es würgte ihn. Er griff sich nach dem Kopfe und stöhnte laut auf.

      Er hörte den Zug rasen unaufhaltsam, unaufhörlich, nichts, nichts würde ihn aufhalten können.

      Ja, doch! Von der andern Seite müßte ein andrer Zug kommen, und beide müßten zusammenprallen