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dann … die Nacht verging unter Schrecken und Schaudern. Der Morgen kam, und eine ruhige stille See glänzte in der ersten Dämmerung. Da machten sie los und fuhren zurück nach Hamburg …

      Und als der Kiel am Elbstrand über heimatlichen Boden knirschte, sprangen sie an Land und knieten nieder …

      »An Land! An Land, Herr Tredrup!«

      Tredrup zuckte zusammen. Er fühlte, wie ein Fuß ihn anstieß. Mit einem Schrei warf er sich empor. Seine Augen starrten im Kreis umher.

      »Was war das? Wo bin ich?«

      Er fuhr sich mit den Fäusten in die Augen und rieb sie, als ob er ein Schreckensbild heraus reiben wollte. Da stand der alte Bootsmann. Der breite, zahnlose Mund lachte.

      »Sie haben geträumt, Herr Tredrup. Wir sind zu Hause. Hier ist der Leuchtturm.«

      Mit einem Ruck stand Tredrup auf den Füßen. Seine Augen flogen von dem Alten hinüber zum Leuchtturm, gingen weiter zu den Schachttürmen. Er holte tief Atem.

      »Geträumt? Habe ich geträumt, Bootsmann?«

      »Na ja!« lachte der. »Sie schlafen schon die halbe Fahrt. Gewiß haben Sie geträumt. Was ist Ihnen?«

      Tredrup stand. Er schüttelte den Kopf. Seine Hände bewegten sich wie hilflos fragend.

      »Ja … ja … ich habe geträumt. Ein Traum … fürchterlich … war über mich gefallen. Und nun sind wir zu Hause … ja, zu Hause.«

      Mit zitternden Knien betrat er den Bootssteg, klomm er den Uferhang empor … und kam nach Wibehafen …

      »Herr Tredrup! In einer Stunde beginnt die neue Schicht.«

      Er erwachte … sah um sich. Er lag in seinem Bett. Um ihn herum die vertraute Umgebung. Er stand auf, hängte sich die Kleider um und riß das Fenster auf. Die kühle, frische Luft, die ihm entgegenschlug, legte sich wohltuend um seine Schläfen. Ein paar Mal schöpfte er tief Atem.

      Die Tür ging auf. Seine Wirtin trat herein, auf den Händen das Kaffeetablett. Er setzte sich an den Tisch. Seine Augen überflogen die Morgenzeitung. Die erste Überschrift: Vineta!

      Er taumelte zurück, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Wieder ergriff er das Blatt. Immer größer werdend starrten seine Augen auf die Nachricht, die da stand.

      »In der gestrigen Nacht ist der Meeresgrund an der Nordspitze von Usedom in einer Ausdehnung von zwei Quadratmeilen zutage gestiegen. Die Stätte, wo einst Vineta lag, ist wieder erstanden.«

      Christie Harlessen hatte schon ihre Wohnung betreten. Sie ließ sich an dem einladenden Teetisch nieder und strich sich mit einer müden Bewegung über die Stirn. Die Tätigkeit bei Simmons Brothers war doch zu manchen Zeiten anstrengender, als sie anfangs gedacht und gespürt hatte. Wie anders doch das freie, abwechslungsreiche Leben in Tejada … selbst im Zirkus. Die Eintönigkeit im Büro war allein schon ermüdend … und doch, was tun. Jener Sturz, der ihr die weitere Ausübung dieses Berufes unmöglich machte, hatte sie ihn nicht zeitweise für eine Schicksalsfügung gehalten?

      Die Unterredung mit Walter Uhlenkort in Kapstadt! Wie oft erinnerte sie sich daran! Etwas Neues, ihr bis dahin kaum Bewußtes schien seitdem in ihr Denken und Fühlen getreten.

      War’s das Harlessenblut, das sich in ihr regte? Wie hatte Walter Uhlenkort gesprochen?

      »Sie sind eine echte Harlessen!« Hätte sie ihm damals folgen sollen? … Hamburg?

      Die Türglocke klang. Sie hörte eine Männerstimme, hörte ihre Wirtin etwas antworten und auf ihre Tür zukommen. War er es? Mr. Rouse?

      Der kurze Gedanke trieb sie empor.

      »Miss Harlessen, Besuch für Sie! Mr. Uhlenkort aus Hamburg.«

      »Herr Uhlenkort?« Befreiung … Überraschung lag in den Worten.

      »Bitte, führen Sie den Herrn zu mir!« Sie folgte der Frau und öffnete die Zimmertür.

      »Bitte, Herr Uhlenkort!« Sie schüttelte dem Eintretenden kräftig die Hand. »Willkommen in meinem Heim!«

      Uhlenkort stand einen Augenblick und hielt ihre Hand fest in der seinen.

      »Dank für Ihre freundliche Begrüßung, Fräulein Christie. Ich … ich …«

      »Sie erwarteten eine andere Begrüßung, Herr Uhlenkort.«

      Sie lachten beide.

      »Ich gestehe, Fräulein Christie, nach meinem letzten Besuch in Kapstadt …«

      »… waren Sie auf das Schlimmste gefaßt.«

      »Beinahe. Meine Freude ist eine doppelte. Der gute Empfang und dann … ich sehe, daß Sie sich wohl befinden. Sie sind wieder gänzlich hergestellt?«

      Christie nickte. »Gänzlich? Dann wäre ich vielleicht nicht hier.«

      »So leiden Sie immer noch unter den Folgen des Sturzes?«

      Mit Besorgnis blickten seine Augen über die schlanke Gestalt, die anscheinend in blühender Gesundheit vor ihm stand.

      »Nein und ja«, erwiderte sie. »Es genügt nicht allein, völlig gesund zu sein, um die Hohe Schule zu reiten. Ich bin es. Aber es fehlt die volle Kraft der Zügelhand, ohne die es nun einmal nicht geht.«

      »Dank für die Worte, Fräulein Christie. Ich freue mich. Doch …« Er wies auf den gedeckten Teetisch. »Ich störe Sie bei Ihrer Mahlzeit.«

      »Durchaus nicht. Machen Sie mir die Freude, den Tee mit mir zusammen zu nehmen!«

      Sie saßen sich am Tisch gegenüber.

      »Sie müssen vorlieb nehmen, Herr Uhlenkort. Die Tischplatte biegt sich nicht unter der Last. Hätte ich bestimmt gewußt, daß Sie kommen …«

      Uhlenkort blickte fragend auf.

      »Bestimmt? Fräulein Christie, wie meinen Sie das?«

      »Oh!« Eine leichte Röte glitt über ihr Gesicht. Sie klappte sich mit der Hand auf den Mund.

      »Ah! Sie haben mich wohl gesehen, als ich heute morgen bei Simmons Brothers war, obgleich Sie so vertieft in Ihre Manuskripte blickten.«

      »Ja, ich sah Sie.«

      »Sie sahen mich und haben mich – wenn auch nicht bestimmt – erwartet. Das wollten Sie sagen, Fräulein Christie?«

      »Ja, Sie hatten es leicht, Gedanken zu lesen … überhaupt wohl leicht, meinen Aufenthalt festzustellen.«

      »Wie meinen Sie das, Fräulein Christie?«

      »Ich vermute wohl nicht mit Unrecht, Herr Uhlenkort, daß Ihr Wissen aus dem Pinkerton Office stammt.«

      »Richtig geraten, Fräulein Christie! Weshalb hinter dem Berge halten.

      Sie mögen gehen, wohin Sie wollen, ich werde stets wissen, wo Sie sind.«

      »Warum diese Mühe, Herr Uhlenkort?«

      »Weil Sie zu uns gehören, Christie. Sie sind eine Harlessen.«

      »Sie sind aber doch ein Uhlenkort.«

      »Harlessen und Uhlenkort gehören zusammen.«

      Der Ernst, mit dem er die Worte sprach, ließ sie schweigen. Sie fühlte seinen Blick voll auf sich ruhen. Fühlte, wie ihr Herz bei diesen Worten mitklang.

      »Dann weiß ich wohl, weswegen Sie hierher kommen.« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, suchte nach Worten und stieß es dann heraus:

      »Sie kommen wieder, das verirrte Schaf zurückzuholen.«

      »Christie! Warum so bitter? Fassen Sie meine Worte so auf? Können Sie sich nicht denken, daß ich aus persönlichen Gründen ein Interesse habe, mich um Sie zu kümmern? Ich verließ Sie damals in Kapstadt in einer schlimmen Lage … auf dem Krankenbett. Wäre es nicht widersinnig, wenn ich Sie danach verlassen hätte? Ich