»Sie hier, Herr Tredrup?«
»Jawohl, Herr Uhlenkort.« Langsam nahm er die Hand vom Munde.
»In diesem Augenblick führte mich Ihr Faktotum herein. Dem einladenden Klubsessel konnte ich nicht widerstehen … Halb zog er mich, halb sank ich hin … und gähnte … Wie geht es Ihnen, Herr Uhlenkort?«
Seine Augen hingen an den halb abgewandten Zügen Uhlenkorts.
Der griff anscheinend zerstreut nach der Zeitung, besah sie einen Augenblick und reichte sie dann Tredrup.
»Ich will hier nur ein paar Papiere zusammenpacken. Vielleicht sehen Sie währenddessen in die Spalten Ihres Leibblattes.«
»Danke! Danke, Herr Uhlenkort. Schon beim Morgenkaffee bis auf die Annoncen verdaut.«
»Nun, es dauert nur einen Augenblick.«
Uhlenkort ergriff den Brief und einige andere Papiere, sortierte sie und legte den Brief in seine Brieftasche.
»Was Neues, Herr Tredrup?«
»Ja, Herr Uhlenkort. Ich habe die Journalisterei satt. Auf die Dauer Journalist! Nee! Nichts für mich. Ich bin jetzt bereit, den Vertrag so, wie Sie ihn vorschlugen, abzuschließen.«
Uhlenkort lachte. »Gut, Herr Tredrup.« Er wandte sich zu einem Schrank und holte ein Schriftstück hervor, legte es vor Tredrup auf den Tisch.
»Der Vertrag liegt hier, braucht nur noch die Unterschrift.«
Die Feder fuhr über das Papier. Da stand in markigen Buchstaben: Klaus Tredrup.
»Bitte, Herr Uhlenkort.«
Uhlenkort nahm die Feder und setzte seinen Namen daneben. »Die Schrift wie der Mann!« sagte er lachend. »Wie meinen Sie das?«
»Na! Klaus Tredrup, wie er steht und geht. Für einen Graphologen ein Kinderspiel.«
Tredrup lachte mehr innerlich als äußerlich.
»Wenn es Ihnen paßt, Herr Tredrup, können Sie schon morgen fahren.
Ein Fünfzigtausend-Tonnen-U-Boot fährt morgen Mittag da hinauf.«
»U-Boot! Famos! Fünfzigtausend Tonnen, das ist prima! Zu meiner U-Boot-Zeit gab es solche großen Dinger noch nicht. Ich werde eine interessante Fahrt machen. Wahrscheinlich mehr in der Maschine als in der Kajüte stecken … aber weshalb U-Boot, Herr Uhlenkort?«
»Nun, das hat seine Gründe. Eis … und sonst noch allerlei.«
»All right, Herr Uhlenkort. Ich fahre morgen mit. Vielleicht sehe ich Sie da oben mal wieder.«
»Kann sein … kann nicht sein.«
Uhlenkorts Blick ruhte einen Augenblick forschend auf Tredrups Zügen. Das lachende, fröhliche Gesicht gab ihm keine Antwort. Tredrup wandte sich um, um zu gehen.
»Einen Augenblick noch, Herr Uhlenkort. Wissen Sie schon das Neueste?«
Uhlenkort zuckte die Achseln. »Neues passiert jede Stunde … jede Minute.«
»Nein, etwas Neues, was uns direkt oder indirekt angeht.«
»Sie machen mich neugierig, bitte.«
»Ich komme soeben vom Redaktionsgebäude des ›Hamburgischen Kuriers‹, wo ich mich verabschiedete. Da teilte mir der Chefredakteur noch die Nachricht mit, daß Black Island …«
Er hielt einen Augenblick inne und sah Uhlenkort gerade ins Gesicht.
Aber dessen Miene zeigte keine Veränderung.
»… daß Black Island wieder um hundert Meter gestiegen ist.«
»Ah, richtig. Ich vergaß davon zu sprechen. Ein Telegramm der Grubenleitung brachte mir schon heute morgen die Nachricht.«
»Ach so, gewiß! Hätte ich mir denken können. Ich werde dort die erste sich bietende Gelegenheit benützen, um dieser Insel, diesem Black Island, einen Besuch abzustatten.«
»Tun Sie das, Herr Tredrup. Vielleicht haben Sie Glück und ergründen das Rätsel von Black Island. Gute Fahrt!«
Simmons Brothers … Transportgesellschaft … Land … Luft …
Wasser … nach allen Teilen der Welt. In Riesenbuchstaben glänzte die Inschrift von dem stattlichen Bürohaus in der Coolidge Street in New York. Die Uhr schlug sieben. Ein Schwarm von Angestellten ergoß sich aus dem Gebäude, um nach allen Seiten auseinander zufließen, in den Schächten der Untergrundbahnen zu verschwinden.
»Guten Abend, Miss Harlessen.«
»Guten Abend, Miss Tailor.«
Zwei junge Mädchen, die der Menschenstrom aus dem Hause bis hierher getragen hatte, trennten sich. Christie Harlessen nahm den Superexpreß, der sie nach der 46sten Straße brachte. Sie schlug den Weg zu ihrer Wohnung ein.
»Miss Harlessen!«
Eine Männerstimme traf ihr Ohr. Sie blieb stehen, wandte sich um.
»Ah! Mr. Rouse?«
»Sie sind erstaunt, mich hier zu sehen, Miss Harlessen. Ein Zufall führte mich in dies entlegene Viertel. Ein glücklicher Zufall, der mich Sie hier treffen ließ. Wie kommen Sie hierher?«
»Ich wohne hier, Mr. Rouse.«
»Sie wohnen hier? In dieser Vorstadt? Sind Sie schon lange in New York? Sie verließen damals Tejada und verschwanden, ohne Ihren Freunden jemals ein Lebenszeichen zu geben. Wie ist es Ihnen seitdem ergangen? Was treiben Sie seitdem in New York? Viele Fragen auf einmal, Miss Harlessen. Aber mein Interesse an Ihnen ist so groß …«
»Ich bin, um es kurz zu sagen, im Hause Simmons Brothers als Angestellte tätig.«
»Oh, Miss Harlessen, das erweckt mein tiefstes Bedauern.«
»Warum bedauern Sie mich? Ich sehe durchaus keinen Grund.«
»Aber, Miss Harlessen! Ein Wechsel der Lebensführung, der doch – ich bitte um Entschuldigung – mit solchem Abstieg verbunden ist, dürfte doch in Wahrheit bedauerlich sein. Blieb Ihnen kein anderer Ausweg nach jenem abscheulichen Verbrechen in Tejada? Hatten Sie keine Freunde und Verwandten, die Ihnen halfen? Warum wandten Sie sich nicht an mich?«
Christie streifte ihn mit einem leichten Seitenblick.
»Warum an Sie, Mr. Rouse?«
»Oh! Eine Frage, die mich kränken muß, Miss Harlessen! Waren wir nicht in Tejada, wo ich so häufig weilte, einander so vertraut geworden?
Bestand schließlich nicht eine moralische Verpflichtung der Canal Company, für die Folgen dieses Unglücks aufzukommen?«
»Ich wüßte nicht, Mr. Rouse.«
Rouse schien den Doppelsinn dieser Worte zu überhören.
»Und doch war es damals mein erster Gedanke, nach Tejada zu eilen und Ihnen Hilfe anzubieten. Leider waren Sie verschwunden … unauffindbar. Warum taten Sie das? Dachten Sie so gering von den alten Freunden? Von mir?«
Rouse war im Gehen näher zu ihr getreten, so daß seine Schulter die ihre streifte.
»Lassen Sie … lassen Sie die Erinnerungen an Tejada, Mr. Rouse!«
Ein zitternder Unterton lag in Christies kühl abweisenden Worten.
»Miss Harlessen!«
Christie schien den Ruf zu überhören. Sie beschleunigte ihre Schritte, um die heller erleuchtete Hauptstraße zu erreichen.
»Sie weisen meine Hilfe ab, Miss Harlessen? Zweifeln Sie an … ?
Wenn Sie wüßten, wie sehr Ihr Schicksal mich interessiert. Der Gedanke, Sie in einer solchen untergeordneten Stellung zu wissen, ist mir unerträglich.«
»Sie machen sich unnötige Sorgen um meine Person, Mr. Rouse. Ich bedarf Ihrer