Breit und fächerförmig fiel die gehobene Masse wieder nach beiden Seiten zurück, eine mächtige Rinne an der Stelle zurücklassend, an der sie aufgestiegen war. Und im Niederstürzen eine Staubwolke verbreitend, die den Blicken der Schaulustigen alles Weitere verhüllte … selbst wenn sie noch fähig gewesen wären, weiter zu schauen.
Denn jetzt erreichte der erste Donner der Explosion die Höhe der Flugzeuge. Ein Schall, dessen Art und Wirkung sich nicht mit Worten wiedergeben läßt. Vierundsiebzig Sekunden nach zwölf Uhr erreichte der Donner die »Empire Company«. Man hatte sich an Bord vorgesehen. Die Passagiere hatten Watte in den Ohren und starrten mit offenem Munde auf die Vorgänge in der Tiefe.
Aber trotz dieser Vorsichtsmaßregeln war die Wirkung der enormen Schallwellen fürchterlich. Alle entsetzten sich … erschraken bis ins innerste Mark. Fast alle erblaßten, und viele stürzten besinnungslos zu Boden. Denn dieser schmetternde, nervenzermalmende Explosionsdonner hörte nicht auf. Mit beinahe unverminderter Stärke hielt er nach dem ersten Einsetzen minutenlang an. Von der ganzen Länge der Kanaltrasse über eine Entfernung von beinahe zehn Meilen her drang der gräßliche Ton zu den einzelnen Flugzeugen, zermarterte viele Minuten lang die Nerven der Insassen.
Bis er endlich nachließ, nur noch grollte wie ein abziehendes Gewitter … leiser und leiser wurde, bis er endlich verstummte … bis die Herzen und Sinne der Zuschauer wieder freier wurden. Und dann erkannten sie, was geschehen. Zehntausende hatten im gleichen Moment den gleichen Gedanken.
Bei Gott, es ist alles auf einmal gesprengt! Der ganze Isthmus ist auf einmal in die Luft geflogen! Wie wird das enden? Wie wird das werden?
Noch versperrte die ungeheure, von Panama bis Colon reichende Staubwolke jede Sicht. Nur das war sicher … war allen, die das gigantische Schauspiel mit angesehen hatten, unumstößlich klar: Mit einem Schlage waren alle Minen von Panama bis Colon aufgeflogen.
Ein neuer Ton drang in die Lüfte. Ein fernes Rauschen und Brausen zuerst. Immer gewaltiger, dann … zischend und donnernd zuletzt.
Der Niagara … Nein! Nein, viel lauter, viel gewaltiger. So sprachen diejenigen unter den Passagieren, die einmal an den Fällen gewesen waren, das gewaltige Schauspiel des Stromes gesehen hatten, der sich dort in tausend Meter Breite fünfzig Meter in die Tiefe stürzt. O nein … nein, nein! Viel schlimmer … viel fürchterlicher als der Niagara.
Ein Sturmwind schien gleichzeitig von beiden Meeren her auf den Isthmus loszufahren. Er zerfetzte die dunstige Staubwolke, schuf freie Sicht – und sie sahen. Da lag die ungeheure Rinne, die von der Gewalt des Sprengstoffes mit einem Schlage in den Leib der Landenge gerissen war. Über die ganze Länge ziemlich gleichmäßig drei Kilometer breit, in der Mitte mehrere hundert Meter tief.
Jetzt begriff auch mehr als einer unter den Zuschauern, welchen Vorteil die Sprengung mit einem Schlage für sich hatte. Wären die Minen hintereinander gesprengt worden, so hätte jede Etappe einen Trichter ausgeworfen. Das Kanalbett hätte eine zusammenhängende Reihe derartiger Trichter gebildet und hätte noch mancher Baggerarbeit bedurft, um ein vollständiges Kanalbett zu schaffen. Dadurch aber, daß der atomare Sprengstoff die ganze Masse mit einem Schlage auswarf, war dieses überall gleich breite und gleich tiefe Kanalbett entstanden.
Fast wie mit der Reißfeder gezogen nahm es sich für die Passagiere der »Empire Company.« aus.
Ein ungeheurer Graben, in den von beiden Seiten her die See mit der hundertfachen Gewalt der Niagarafälle hineinbrach. Das waren die Quellen dieses neuen, brausenden Donners. Zwei schäumende, strudelnde Wasserwände, die von Panama und von Colon her mit Fluggeschwindigkeit in die Rinne hineinjagten. Sturm lief vor ihnen her.
Bäume, von der ersten Explosion verschont, zerbrachen wie Glas.
Felsbrocken von der Größe eines Hauses kamen in Bewegung, liefen wie die Kegelkugeln daher, bis sie von den dahinjagenden Wassermassen ergriffen, überschüttet und verschlungen wurden.
Glasig grün und schäumend weiß jagte die See den einbrechenden Frontwellen nach. Es waren Wetten abgeschlossen worden … viele Wetten … hohe Wetten, wer zuerst den neuen Kanal befahren würde.
Keiner von den Wettern gewann. Ein anderes, unbeteiligtes Fahrzeug vollbrachte die Tat … wider den Willen seines Führers und seiner Besatzung. Eine große Jacht lag in der Bucht von Panama vor Anker.
Diese packte der Strom der in den Kanal einbrechenden See. Einen Augenblick strafften sich die Ankertrossen, spannten sich, klangen hell auf und zerrissen. Das weiße Schiff lief mit dem Strom … lief schnell und immer schneller und schoß in die Rinne hinein … Wie ein Pfeil schoß es dahin … und langsam … langsam, aber unaufhaltsam, kam es der brechenden Frontwand immer näher.
Die Passagiere auf der »Empire Company.« hielten den Atem an. Auf die Minute ließ sich voraussagen, wann die vorströmenden Wasser die hilflose Jacht bis an die vor ihr herjagende Frontwelle herangezogen haben würden … wann das Schiff vierhundert Meter tief auf den nackten Fels des noch ungefüllten Kanalbettes hinabgeschleudert und in Atome zerschmettert werden würde … Da trafen die Frontwellen, die von Colon und von Panama her vier Meilen in sechzehn Minuten zurückgelegt hatten, zusammen …
Kochende See bis zum Himmel! Ein Wasserberg türmte sich auf, stieg hoch über das umgebende Land, überflutete in unhemmbarem Schwall weite Uferflächen … und dann stand die See. Atlantik und Pazifik standen gegeneinander wie zwei Ringer, die in mächtigem Ansprung aufeinander gestoßen sind und nun ihre Kräfte messen.
Das Tosen und Brausen der Wassermassen klang ab. Ruhig wurde die Luft, und ruhig, scheinbar ruhig auch die See. In breitem, blinkendem Spiegel füllte sie das neue Kanalbett der ganzen Breite und Länge nach.
Die Zuschauer in den Lüften hätten keine Bewegung mehr gemerkt, wenn nicht jene Jacht, dieses im letzten Augenblick dem Rachen des Todes entgangene Fahrzeug, in mäßiger Fahrt auf Colon zu durch den neuen Kanal getrieben wäre.
Die Flut im Atlantik gewann die Oberhand und erzeugte eine merkliche Strömung von Panama nach Colon.
Die in den Lüften sahen die Fahrt der geretteten Jacht, und nun stürzte es sich von allen Seiten her auf die Fläche des neuen Kanals.
Flugzeuge … große und kleine Schiffe … in wenigen Minuten war die Wasserfläche bedeckt, und alle Versuche der Patrouillenboote, es zu hindern, waren vergeblich.
Man sah ja, es war alles gut gegangen … Trotz der Sprengung der ganzen Kanallinie in einer einzigen Etappe war nichts passiert. Alle Bedenken der Sachverständigen waren grundlos gewesen. Der Kanal war da, der alte Isthmus, seit Jahrtausenden von Erdbeben und Vulkanausbrüchen mißhandelt, hatte auch diese letzte Mißhandlung, die gleichzeitige Explosion der Masse atomaren Sprengstoffs, ertragen, und die Zuschauer waren bei diesem Schauspiel voll auf ihre Kosten gekommen … mehr jedenfalls, als wenn man etappenweise gesprengt hätte.
Das donnernde Dröhnen aus dem Fernsehgerät war verklungen, der Bildschirm zeigte eine undurchdringliche Staubwolke, die sich nur ganz langsam verzog. Der gemarterte Apparat hatte hergegeben, was die überanstrengten Röhren herzugeben vermochten, und es war zweifellos eine menschenfreundliche Tat, daß ein Ingenieur der Kanalgesellschaft auf einen Wink von Guy Rouse abschaltete und Ruhe im Saale schuf.
Noch stand Austin Parker, der Präsident der Union, benommen von diesem Dröhnen und Tosen, das doch nur einen winzigen Teil jenes Donners darstellte, den die Sprengung am Isthmus erzeugt haben mußte.
Guy Rouse trat auf den Präsidenten zu und reichte ihm Selbst ein Glas Sekt, hielt ein anderes in der Hand, erhob es und sprach zum Präsidenten, zu den Staatssekretären, zu den Herren der New Canal Company.
»Herr Präsident! Meine Herren! Ich erhebe mein Glas und bitte Sie, mit mir anzustoßen und zu trinken auf das glückliche Gelingen unseres Werkes … jenes großen, die Völker, Länder und Ozeane verbindenden Werkes, dessen erste Etappe nun glücklich vollendet ist. Wir haben den Donner der Explosion hier vernommen und die gewaltige Sprengwolke gesehen. Mit Lichtgeschwindigkeit