Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Kraft
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836182
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sagte Karlemann, und dann deklamierte er schnell her: »21 Grad 36 Minuten 45 Sekunden nördliche Breite, 43 Grad 2 Minuten 17 Sekunden westlich von Greenwich.«

      Er hatte sein tiefstes Geheimnis ganz vernehmlich aussprechen können, wir befanden uns völlig allein auf dem weiten Plateau, erleichtert atmete er jetzt auf, und ich zog sofort meinen Taschenatlas hervor, suchte nach, wobei ich bemerke, daß ich für solche geographischen Zahlen ein ausgezeichnetes Gedächtnis besitze. Andere Zahlen, wie Geschichtsdaten, interessieren mich viel weniger, am allerwenigsten solche von Geldsummen.

      »Das ist gerade die Mitte der Fucusbank – gerade das Zentrum jenes Teiles, welches alle Schiffe wie die gefährlichste Rifformation fliehen müssen.«

      »Sie sagen es.«

      »Das ist aber nur ein Punkt von wenigen Quadratmetern.«

      »Von diesem Punkte hat Ferd … festes, gebirgiges Land erblickt.«

      Er hatte Ferdinand sagen wollen – der Mann mußte ihm sehr gut bekannt gewesen sein. Von Verwandten hatte er ja auch schon gesprochen.

      »Und dann hat der Kapitän wieder umgedreht?«

      »Es war kein Kapitän.«

      »Na, dann etwas anderes! Seien Sie doch nicht so wortklauberisch. Dann ist der Mann also wieder umgekehrt?«

      »Ja.«

      »Wie konnte er da wissen, daß es sich um eine große Insel handelte, die man als einen ganzen Kontinent bezeichnen könnte?«

      »Weil er einige Tage an der Küste entlanggefahren ist, ohne ein Ende abzusehen; aber wegen trüber Witterung war er nicht imstande, eine geographische Berechnung zu machen, bis an jenem Tage, da er wieder umkehren mußte.«

      Ah so! Das war allerdings eine genügende Erklärung. Mein Mißtrauen mußte immer mehr schwinden, wenn auch noch genug Fragen offen blieben.

      »Ein gebirgiges Land?«

      »Wenigstens hüglig, obgleich diese Hügel vielleicht auch nur aus aufgehäuftem Seetang bestehen konnten.«

      »Konnte das überhaupt nicht nur aufgehäufter Seetang sein, der sich dort unverrückbar festgesetzt hat?«

      »Nein, er sah auch felsigen Boden genug.«

      »Und die Schätze, oder die wertvollen Naturalien, die sich des Abholens lohnen?«

      »Weiß ich nicht.«

      »Auch jener Mann nicht?«

      »Doch! Jedenfalls! Ich konnte die Unterhaltung der beiden nur sehr abgerissen belauschen, und gerade das entging mir.«

      »Gar keine Andeutung?«

      »Millionen liegen dort aufgespeichert – ist das keine genügende Andeutung?«

      »Hm, wie man’s nimmt! Der Mann fand den Rückweg wieder?«

      »Er erreichte glücklich wieder das offene Meer.«

      »Es war ein größeres Schiff?«

      »Jedenfalls ein großer Dampfer.«

      »Dieser Mann glaubte sich doch wahrscheinlich im alleinigen Besitze des Geheimnisses.«

      »So versicherte er.«

      »Wo bleibt denn da die andere Besatzung, die doch auch dabei war?«

      »Der Dampfer ging bald darauf mit Mann und Maus unter.«

      »Nur der Kapitän kam mit dem Leben davon?«

      »Es war nicht der Kapitän. Oder meinetwegen denn – nur er blieb am Leben, konnte sich retten.«

      Jetzt bestätigte sich meine Ahnung. Offenbar lag ein Verbrechen vor. Zur Wahrung seines Geheimnisses hatte der Betreffende das ganze Schiff mit allem Lebendigen absichtlich untergehen lassen, nur sich selbst hatte er rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Und es waren Karlemanns Verwandte gewesen – daher diese sorgfältige Verschwiegenheit – vielleicht sogar einem Edelmut entstammend.

      »Und jener Mann, lebt er noch?«

      »Nein, er ist tot.«

      »Und der, dem er es erzählt hat?«

      »Ist gleichfalls tot.«

      Ich mochte wiederum fast an ein Verbrechen glauben. Doch ich sagte nichts davon.

      »Wie lange ist das nun schon her?«

      »Als ich das hörte? Vier Jahre.«

      »Und wann hatte der Mann die Expedition gemacht?«

      »Im Jahre zuvor. Er war eben erst zurückgekommen.«

      »Und die geographische Ortsbestimmung? Haben Sie die auch richtig gehört?«

      »Ganz deutlich, sie wurde mehrmals wiederholt!«

      »Können Sie sich da auch nicht geirrt haben? Sie als Sachkundiger wissen recht wohl, was da eine Zahl zu bedeuten hat.«

      »Irrtum ganz ausgeschlossen. Oder ich will’s Ihnen zu Ihrer Beruhigung nur sagen, die geographische Ortsbestimmung, von jenem Manne selbst geschrieben, befindet sich in meinen Händen.«

      Eines Verbrechens hielt ich diesen Jungen nicht für fähig. Höchstens ein kleiner Diebstahl – es mochte ja ein Onkel gewesen sein, der Junge hatte gewußt, wo das Blatt nach dem Tode zu finden gewesen war, hatte es sich gleich angeeignet.

      »Ja, wie hat der Dampfer da nun aber so weit vordringen können?«

      »Das frage ich Sie.«

      Der Junge konnte trotz aller sonstigen Offenheit manchmal einen recht lauernden Ausdruck annehmen.

      »Hat der betreffende Mann davon nicht erzählt?«

      »Das wahrscheinlich, aber ich habe nichts davon zu hören bekommen.«

      »Der Dampfer muß doch dazu eine ganz besondere Vorrichtung gehabt haben, um die Wasserschlingpflanzen zu durchschnei…«

      »Natürlich, wir bringen vorn große Messer an,« unterbrach mich Karlemann mit Hast, als wolle er nicht, daß ich ihm eine Idee wegnehme. »Halten Sie es dann für möglich, in der Fucusbank herumzufahren, ohne Gefahr, darin stecken zu bleiben?«

      Ja, das hielt ich für möglich. Auf diese Weise hätte die bisher noch unbekannte Region der großen Fucusbank schon längst erforscht sein können – wenn irgendjemand Interesse daran gehabt hätte. Aber wer vermutete denn etwas anderes als die ewig grüne Wiese, wer hatte schon an ein Geheimnis, an festes Land gedacht?

      »Und außerdem,« fügte Karlemann meiner diesbezüglichen Erklärung bei, »konnte man erst nach Erfindung des Dampfers daran denken, der sich vom Winde unabhängig gemacht hat; denn sonst wäre so etwas doch gar zu gefährlich gewesen.«

      Dem konnte ich nur beistimmen.

      »Hat denn der betreffende Mann sonst nichts von Gefahren oder doch von Abenteuern erzählt?«

      »Nicht daß ich wüßte. Ich habe wenigstens nichts davon gehört.«

      Ich weiß nicht – in dieser Beziehung traute ich meinem kleinen Freunde nicht recht. Etwas Verstecktes hatte er doch immer an sich.

      »Nun, wollen Sie sich auf die Entdeckungsfahrt machen?«

      »Zu welchen Bedingungen?«

      »Halbpart!«

      »Sie meinen, was ich finde, das teilen wir zusammen?«

      »Ja. Was die Expedition einbringt.«

      »Und Sie wissen wahrhaftig nicht, was es dort geben kann?«

      »Wahrhaftig nicht! Auf Ehre nicht!«

      Diesmal glaubte ich ihm. Und mein Entschluß war schon längst gefaßt gewesen. In mir regte sich die Abenteuerlust. Nur eines war noch zu bedenken.

      »Sie wissen doch, wie es mit mir, mit meinem Schiffe steht.«