Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Kraft
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836182
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Machen die meinen Kleidersack auf!! Stänkert das Frauenzimmer in meinen Papieren herum!! I du armseliger Sandsack du … «

      Ich weiß nicht, was ich der alles für Titulationen an den Kopf geworfen habe. Ich schimpfte wie ein Rohrspatz. Mein erstes war, daß ich mit einem Satze die Thronstufen hinaufsprang, dem Weibsbilde meine Papiere aus der Hand riß, und dann, immer schimpfend, warf ich meine Sachen in den Kleidersack, schnürte ihn zu, hockte ihn auf den Rücken und wandte mich dem Ausgang zu, immer noch schwadronierend.

      »Ihr wärt mir gerade die rechten, meine Schulden zu bezahlen, die ich selber gemacht habe! Ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht so eine Frechheit vorgekommen. Das wagt sich ja kein Kapitän – von der Polizei gar nicht zu sprechen – und ihr unverschämtes Landgesindel … «

      Ich befand mich schon draußen, strebte schon wieder der Wiese zu.

      Wirklich, meine Aufregung war furchtbar. Und wer mich begreift, wird es verständlich finden. Soll einmal ein Fremder oder auch ein guter Freund in eines Geschäftsmannes Geldschrank herumstänkern. Da hört die Freundschaft auf. Und mein Kleidersack war mein Heiligtum. Dazu kam nun im besonderen noch mein ganzer Charakter, mein grenzenloser Hang zur Selbständigkeit. Ohne diesen Hang und Drang wäre ich jetzt schon Pastor gewesen.

      Mit den 50 000 Talern war es nun freilich vorbei. Auch mit den 30 000. Machte nichts. Lieber sich sein ganzes Leben lang mit halsstarrigen Segeln herumbalgen, als so einen eigenmächtigen Griff in seine heiligen Rechte dulden.

      DIE DOPPELGÄNGERIN, UND WAS ICH ÜBER LADY BLODWEN ERFUHR.

       Inhaltsverzeichnis

      Aber ich sollte wiederum nicht weiter als bis zu jener Eiche kommen, die mir eben das Schicksal als meine Grenze gesetzt zu haben schien.

      »Ach, mein lieber, lieber Herr,« erklang es hinter mir im jämmerlichsten Tone.

      Es war wieder der Alte, keuchend und zitternd, daß ich in meiner Phantasie schon seinen Kopf im Grase liegen sah.

      »Na, was gibt’s denn immer noch?«

      »Ach, mein lieber, lieber Herr, kommen Sie doch wieder zurück!«

      »Weiter fehlte nichts,« mußte ich ob solch einer naiven Zumutung denn doch lachen.

      »Die Lady hatte es doch nur gut mit Ihnen vor,« fuhr der Alte in weinerlichem Tone fort. »ich habe es ihr ja auch gleich gesagt, daß sie Ihre Sachen nicht so ohne weiteres holen lassen dürfte – dazu müßten Sie erst Ihre Einwilligung geben – so etwas ließe sich kein Gentleman gefallen – aber wie Lady Blodwen nun einmal ist – die muß mit dem Kopf durch die wand – und die weiß ja gar nicht, wie es in der Welt zugeht – es ist ein hinter Mauern aufgewachsenes Kind – und wenn Sie wüßten, wie unglücklich die ist – und wie die jetzt weint und jammert, daß Sie so fortgelaufen sind – daß Sie sich gekränkt fühlen – wo sie es doch nur gut gemeint hatte …«

      Ich hatte nur eines herausgehört.

      »Was, weinen tut sie?« fragte ich förmlich erschrocken, wohl auch etwas ängstlich.

      Ich kann kein weinendes Weib sehen. Und überhaupt, in mir grobem Patron steckte ein gar weiches Herz! Wenn jemand bittend zu mir sprach, in solch einem flehenden Tone, wie jetzt dieser zittrige Alte hier, und er verlangte mein Hemd von mir — ich zog es aus und gab es ihm.

      »Ach, mein lieber, lieber Herr, wenn Sie wüßten, was für eine unglückliche Frau Lady Blodwen ist – was alles für Jammer und Elend hinter diesem Reichtum und Glanz steckt – und die Lady hatte gehofft, in Ihnen endlich einmal einen Menschen zu finden, dem sie vertrauen darf – Sie sollten eine Erklärung bekommen …«

      Es war wahrhaftig nicht die Neugier, was meine Schritte plötzlich wieder zurücklenkte. Ich sah vor meinen Augen nur immer das weinende Weib.

      Also zum dritten Male an diesem gesegneten Tage hielt ich in der römischen Villa meinen Einzug. Es war ein anderes, aber jenem ganz ähnliches Zimmer, in das mich der Alte führte. Nur die zwölf Apostel fehlten an der Tür.

      »Nun gedulden Sie sich wohl einige Minuten,« winselte der Alte, der wohl überhaupt nur winseln konnte.

      »Ja, aber Sie dürfen mich nicht wieder einschließen.«

      »Ach, denken Sie doch nicht an so etwas! Das war ja nur ein Versehen. Es wird gleich eine Dame zu Ihnen kommen, Mrs. Milner heißt sie, eine Cousine der Lady Blodwen, die gegenwärtig hier weilt. Die wird Ihnen alles erzählen.«

      »So? Eine Cousine? Warum kommt denn die Lady Blodwen nicht selber?«

      »Weil – weil… Mrs. Milner wird Ihnen ja alles erklären. Wollen Sie unterdessen eine Erfrischung zu sich nehmen?«

      Vor meinen geistigen Augen tauchte sofort der große gebratene Vogel auf, der mir nämlich ausgezeichnet geschmeckt hatte, und ich war tatsächlich imstande, wieder ein ganzes Menü abzuessen. Jedesmal, wenn ich zornig gewesen bin, bekomme ich Appetit.

      Nur schade, daß neben dem Bratvogel auch gleich eine Flasche Limonade auftauchte! Unter ›Erfrischung‹ verstand ich damals nämlich Limonade.

      »Na, aus einer Erfrischung mache ich mir nicht viel – aber ein solider Bissen wäre mir schon recht.«

      Der Alte zitterte hinaus. Statt seiner erschien bald darauf wieder solch ein Kerl mit Kniehosen und silbernen Klunkern … der Schutzpatron aller Wasserratten sei gepriesen! – Ich erkannte schon von weitem, daß die Flasche auf dem Tablett keine Limonade, sondern Wein enthielt. Und dann Brotschnitte mit Kaviar, Sardellen und Lachs. Es schmeckte alles sehr gut, nur war das Brot zu dünn geschnitten. Es hätte überhaupt mehr sein können.

      Eben schob ich den letzten Bissen hinter das Gehege meiner Zähne, als der Klunkermann wieder erschien. Diesmal ließ er die Tür hinter sich offen, es mußte überhaupt etwas Besonderes kommen, der Kerl machte drei so abgezirkelte Schritte und blieb dann so verdächtig stehen.

      »Mrs. Milner,« meldete er nach einer Verbeugung – einen Schritt nach rechts und eine Verbeugung – drei Schritte zurück und eine Verbeugung – nun links um und eine Verbeugung … bis das possierliche Kerlchen endlich draußen war. Draußen aber, glaube ich, knickte er noch ein paarmal zusammen.

      Und da kam es hereingerauscht, eine Flatterei von Spitzen und Schleifchen und Bändchen und Tändchen, und ein Duft von solch stinkigem Zeug schlug mir entgegen, was die Leute an Land Parfüm nennen, daß es mir gleich den Atem nahm.

      Aber meine Besinnung verlor ich nicht. Ich hatte mich schon in Positur gestellt, der rechte Fuß war bereit, elegant nach hinten hinausgeschlenkert zu werden, nun noch einmal schnell mit dem Handrücken über den Mund gewischt, den ein weißblondes Bärtchen zierte, und dann …

      Und dann stand ich wie ein Storch da, nur auf einem Beine, den rechten Fuß etwas in die Höhe gehoben, den Oberkörper etwas vorgebeugt – so stand ich da und stierte die Eintretende an.

      I, das war ja niemand anders als die Lady Blodwen selber! Das war doch das hübsche, trotzige Knabengesicht! Unter dem schwarzen Spitzentuch leuchtete doch auch der rote Tituskopf! Daß sie jetzt keine römische Tunika mehr trug, sondern so eine feine Kladderasche anhatte, das konnte mich doch nicht irremachen!

      Hinter ihr hatte sich die Tür geschlossen, und jetzt machte sie eine Verbeugung, aber eine ganz merkwürdige, wie ich sie noch auf keinem Tanzboden von einem Frauenzimmer gesehen hatte. Sie trat dabei so eigentümlich zurück.

      »Herr Steuermann Jansen?«

      Ja, das war auch ihre Stimme, obgleich sie etwas anders klang. Aber ich habe ein gar musikalisches Ohr. Das Klavier war nur ein bißchen verstimmt.

      Ich setzte meinen rechten Fuß langsam zu Boden. Das Auskratzen vergaß ich.

      »I, da sind