O weh, war ich da in eine schlimme Situation gekommen! Doch ich wußte mir zu helfen, verlegen wurde ich auch nicht.
»Senorita, begeben Sie sich in Ihre Kabine, bitte.«
»Aber warum denn nur, ich … «
»Begeben Sie sich in Ihre Kabine!!« sagte ich jetzt in kurzem Tone.
»Und das für immer, Sie werden Ihre Kabine bis nach Monrovia nicht mehr verlassen!« setzte Blodwen noch hinzu.
»Das werden wir doch sehen,« schlug auch die Spanierin jetzt einen anderen Ton an. »Das ist … «
»Ich befehle Ihnen, sich sofort in Ihre Kabine zu begeben!« sagte ich nochmals. »Oder ich bin genötigt, Gewalt anwenden zu lassen.«
Da brach sie, sich schon zum Gehen wendend, in ein höhnisches Lachen aus.
»Hahaha, dieses Liebespärchen! Das ist kostbar! Sie steht unter Kuratel und ihr Cicisbeo unter ihrem Pantoffel! Da möchte ich nur noch sehen, wenn die beiden … «
Zum Glück war sie schon unterwegs. Denn jetzt wurde auch mir alles egal, mir stieg das Blut in den Kopf.
Ich ging ihr nach, und als sie die Schiebetür zu hatte, in der außen der Schlüssel steckte, drehte ich diesen um und zog ihn ab.
Sie mußte es gehört haben, denn ehe ich noch etwas sagen konnte, wurde drinnen schon geklinkt und dann furchtbar gegen die Tür gedonnert.
So eine Niederträchtigkeit – Hilfe – Polizei – Mord und so weiter.
Blodwen stand neben mir, als ich sie in aller Gemütsruhe erst etwas austoben ließ, bis ihr Wüten in ein Schluchzen überging.
»Wenn Sie sich nicht vernünftig benehmen, müssen Sie diese Reise als Gefangene mitmachen.«
Ach Gott, ach Gott, nun aber ging es erst noch einmal richtig los. Sie schimpfte wie ein Rohrspatz, drohte mit irdischen und himmlischen Richtern und Polizisten, mit Teufeln und Engeln und allen ihren Heiligen.
Mit einem Male aber ward sie wieder still, und als ich etwas die Tür öffnete, saß sie in ihrem Trikot ganz artig auf dem Sofachen.
»Bitte, Senorita, seien Sie vernünftig, ich konnte nicht anders handeln, nachdem Sie meiner Aufforderung nicht nachkamen.«
»Nur immer zu, immer zu, Sie werden es schon bereuen, Sie werden es schon bereuen, hahaha,« war die Antwort nach gewisser Weiber Art, in der ich nicht so ganz unerfahren war … «
»Ich bitte Sie in Ihrem eigenen Interesse, Ihre Kabine nicht mehr zu verlassen, es sind bis nach Monrovia nur noch wenige Stunden.«
»Sie werden es schon bereuen. Sie werden es schon bereuen, eine Senorita Calioni läßt sich so etwas nicht gefallen, passen Sie nur auf, hahaha.«
Ich schloß die Tür natürlich nicht wieder zu, gab dem Steward Anweisungen, der Dame es an nichts fehlen zu lassen, wir hatten bis nach Monrovia wirklich nur noch wenige Stunden, sie kam nicht wieder zum Vorschein, ging dann ganz vernünftig von Bord.
Aber, wie gesagt, ich sollte mit diesem Weibe später noch meine böse Last haben.
HÄUPTLING KIDIDIMO UND WIE KARLEMANN MIT IHM ›SNOB‹ MACHT.
Bevor ich unsere Ankunft in Monrovia schildere, will ich einiges über die freie Negerrepublik Liberia sagen.
Im Jahre 1816 entstand in Washington auf Anregung einiger Philantropen – doch warum die Namen dieser vorzüglichen Männer nicht nennen, die mehr getan haben als mancher berühmte Welteroberer, sie hießen Robert Caldwell und Henry Clan – entstand also der ›Kolonisationsverein zur Ansiedlung freier Farbiger der Vereinigten Staaten von Nordamerikas Hoch klinge das Lied von diesen braven Männern und Frauen!
Es handelte sich also darum, entlassene Negersklaven, oder solche, die sich freigekauft hatten, zurück nach ihrer Heimat zu befördern, wenn sie es wünschten, aber natürlich nicht wieder als Wilde, sondern als kultivierte Kolonisten.
Doch erst im Jahre 1821 ging eine Deputation nach Afrika, wo sie an der Pfefferküste von den dortigen Negerhäuptlingen einen Küstenstrich von achtzehn geographischen Meilen Länge und neun Meilen Breite erwarb.
Und nun ging das Fortschicken der sich meldenden freien Neger aus den Vereinigten Staaten los, alles auf Kosten dieser Gesellschaft, die auch weiter für die schwarzen Ansiedler sorgte. Und die schwarze Kolonie gedieh herrlich! Schon drei Jahre später hatte die Hauptstadt Monrovia, nach dem Unionspräsidenten Monroe so genannt, steinerne Häuser, drei Kirchen, zwei Schulen, ein Fort, eine Druckerei mit Zeitung noch vieles andere, sogar schon Droschken.
Die Kolonie wurde durch Landerwerb immer vergrößert, bis zu einer Küstenlänge von 28 Meilen, und im Jahre 1847 erklärte sie durch Vermittlung Nordamerikas ihre Unabhängigkeit als Republik, welche ein Jahr später von allen Kulturstaaten anerkannt wurde. Sehr hübsch ist es zu lesen, vielleicht einzig in der Weltgeschichte dastehend, wie damals alles der jungen, schwarzen Republik hilfreich beisprang. So schenkte ihr England den ersten Anfang der zukünftigen Kriegsflotte, nämlich einen Kutter mit vier Kanonen, Frankreich 5000 Gewehre, Preußen brachte durch Subskription 60 000 Taler auf.
Der Verfassung nach ist es eine Republik im idealsten Sinne der Kultur: unter anderem vollständige Vereins-, Preß- und Redefreiheit: jede Ortschaft über dreihundert Einwohner muß eigene Schule und Kirche haben (was bei uns noch lange nicht der Fall ist): kein stehendes Heer, sondern nur Miliz, zu der jeder waffenfähige Mann von 16-50 Jahren verpflichtet ist. Der Präsident wird jedesmal auf zwei Jahre gewählt, ihm zur Seite stehen sechs Senatoren. Bürger können nur Farbige werden, sonst vollständige Handelsfreiheit auch für Europäer, welche aber keinen Bodenbesitz erwerben dürfen.
So war es damals, so ist es noch heute, und während unsere weißen Kulturstaaten manchen Rückgang zu verzeichnen haben, von den unglücklichen Donauländern nahe der Hundetürkei gar nicht zu sprechen, hat sich diese Negerrepublik in aller Stille ständig vorwärts entwickelt.
Zu meiner Zeit betrug die Bevölkerung etwa 300 000 Köpfe, alles stand in schönster Blüte. Der damalige Präsident, schon zum vierten Male wiedergewählt, war Hesekiel Hilarion, ein Vollblutneger mit einem gar klugen Pfefferkopf. —
Angesichts der lieblichen Küste, an der unter Palmen freundliche Landhäuser und Faktoreien lagen, kam ein schwarzer Lotse an Bord, der uns unter Dampf, da der Wind nicht günstig war, in den geräumigen, ausgezeichneten Hafen bugsierte, in dem ein Dutzend amerikanischer, englischer und französischer Handelsschiffe lagen, ferner die jetzt schon aus vier Schiffen bestehende Kriegsflotte von Liberia, freilich keine Panzer. Ihre Hauptaufgabe ist immer die Jagd auf Sklavenschiffe.
Natürlich war schon der schwarze Lotse höchlichst entzückt und ebenso geehrt, ein Schiff führen zu dürfen, welches im Schlepptau nicht weniger als vierhundert seiner Brüder und Schwestern hatte, einem Sklavenhändler abgejagt. Wirklich, eine solche Massenbefreiung war hier noch gar nicht vorgekommen. Niemand hätte eben in solch einem großen Schiffe wie dem ›Helios‹ eine lebendige Ebenholzladung vermutet.
Nachdem ich ihm erzählt hatte, erfuhr ich von ihm, daß in Monrovia gerade der Aschantihäuptling Kididimo anwesend sei, als Bevollmächtigter seines Königs Aquassi Aquatuh, um mit der Republik Liberia einen politischen Handelsvertrag abzuschließen, der auch ganz besonders das gemeinsame Vorgehen gegen die Sklavenjäger betraf.
Es war in der zehnten Morgenstunde, die ansehnliche Stadt glich einem aufgestocherten Ameisenhaufen, als wir am Kai anlegten.
Das alte, holländische Schiff, das wir im Schlepptau hatten, mußte natürlich gleich die allgemeine, Aufmerksamkeit erregt haben, schon drängten sich am Kai die schwarzen und braunen und gelben Wollschädel zu Hunderten, vielleicht zu Tausenden.
Zuerst