Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Kraft
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836182
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wie sicher das große Schiff war, das wurde dadurch bewiesen, daß die vierhundert Menschen, für ein so großes Schiff gar nicht so viel, gar nicht erst in einem Versteck untergebracht worden waren.

      LEBEN AN BORD.

       Inhaltsverzeichnis

      Bis nach Monrovia waren es 1400 Seemeilen, die wir bequem in sechs Tagen machen konnten.

      Ich fasse alles, was sich während dieser sechs Tage zutrug, summarisch zusammen.

      Mir war das Sklavenschiff, das wir immer hinter uns herschleppen mußten, durchaus kein angenehmer Anblick, auch gegen die Windrichtung rochen wir seinen Duft, den es bald aushauchte, und gerade dadurch sollte es mir einen großen Dienst erweisen.

      Nachdem sich Blodwens erste furchtbare Aufregung gelegt hatte, mußte ich ihr viel über die heute noch herrschende Sklaverei erzählen.

      Sie, die selbst alle Menschen wie Sklaven zu behandeln gewohnt war, wollte so etwas kaum glauben. Dann erkannte ich mit einigem Schrecken, daß sie offenbar die Absicht hatte, sich ganz der Jagd auf Sklavenhändler zu widmen.

      Glücklicherweise brauchte ich ihr das nicht erst wieder auszureden. Die Erfahrungen, die sie mit dem geschleppten Holländer machte, gleich am ersten Tage, was sie beobachtete, hörte und roch, das genügte, um ihren Entschluß schnell wieder aufzugeben.

      Es wäre auch Torheit gewesen. Was man mitnehmen muß, wird mitgenommen. Ein feiges Ausreißen gibt es nicht, auch nicht vor dem Schicksal. Aber sonst soll man das Abfangen von Sklavenschiffen denen überlassen, deren Beruf und Pflicht das ist. Da ist von einer allgemeinen Menschenpflicht gar keine Rede. Sonst müßte auch jeder aufrichtig gottgläubige Mann Heimat, Weib, Kind und Beruf verlassen, um als Missionar den Heiden das Evangelium zu predigen.

      Der Klabautermann hatte sich unter der Back auf seiner Kleiderkiste schon wieder häuslich niedergelassen. Er war geistesschwach. Die Mannschaft ließ es sich nicht nehmen, in ihrem Schlafraum (welchem ich aber fernerhin den seemännischen Ausdruck Foxl geben werde) räumten sie ihm die beste Koje ein, da schlief er des Nachts, wie ein Affe in Decken gehüllt, um des Morgens gleich wieder unter die Back zu humpeln, und da saß er den ganzen Tag auf der Kleiderkiste, stierte vor sich hin, nur mit seiner Pfeife beschäftigt. Für die Matrosen war er nun natürlich erst recht der heilige Klabautermann, sie brachten ihm die besten Bissen, versorgten ihn mit Tabak, wuschen ihn und beschäftigten sich sonst mit ihm und wehe dem, der den Klabautermann auch nur mit einem scheelen Blicke angesehen hätte! Wurde er angesprochen, so seufzte er noch immer sein ›Minajorka‹.

      Ich kann nur sagen, daß ich mit diesem Verhalten meiner Mannschaft ganz zufrieden war. Der Mensch muß etwas Handgreifliches haben, woran er glauben kann. Wenn nicht die Bibel oder ein Kruzifix, dann einen Klabautermann.

      Doktor Selo beschäftigte sich fortwährend mit der Enträtselung der Hieroglyphen, ohne zu einem Resultat zu kommen.

      Blodwen amüsierte sich noch einige Tage mit ihrem dressierten Hundeköter und mit dem Pudel, bis Algots wiederum ihrem Interesse eine andere Richtung geben sollte.

      Käpt’n Karlemann, wie meine Leute ihn schon längst umgetauft hatten, welchen Namen er auch ruhig akzeptierte, hatte unterdessen das ganze Schiff vom Masttop bis zum Kielraum gründlich gemustert, hatte die Matrosen bei den verschiedensten Arbeiten beobachtet, und immer wieder bekam ich zu hören:

      »Das wird bei mir ganz anders, da sollen Sie später einmal mein Schiff sehen!«

      Einmal standen wir im Zwischendeck, in dem sich wegen des schlechten Wetters auch die Freiwache befand. Die meisten beschäftigten sich mit ihren Kleiderkisten, nähten und stopften, andere schnitzten, so beschäftigte sich jeder auf seine Weise.

      Ich hatte die verschiedensten Spiele mitgenommen, Ball- und Kegelspiele und dergleichen, aber das hat auf einem schlingernden Schiffe doch seine Schwierigkeiten, und ständig fechten und nach der Scheibe schießen konnten die Leute doch auch nicht. Während heute der Fechtsport auf allen Schiffen eifrig betrieben wird, besonders in der Marine, war das damals überhaupt etwas ganz Unbekanntes.

      »Haben Sie denn kein Reck?« fragte mich Karlemann.

      Nein. Daran hatte ich nicht gedacht. Ich selbst war kein besonderer Turner. Dazu war ich viel zu lang.

      Karlemann ließ neben dem durch das Zwischendeck gehenden Mittelmast vom Zimmermann noch eine Stütze anbringen, stöberte eine Eisenstange auf, begab sich in den Reparaturraum, machte die Stange im Kesselfeuer glühend und handhabte den Hammer wie ein ausgelernter Schmied. Er war ja auch der Sohn eines solchen.

      Nach wenigen Stunden schon war das Reck mit verstellbarer Stange fertig, Karlemann zog seine Jacke aus, ein Sprung, er hing daran und … wir sperrten Maul und Nase auf.

      Der Junge war der reine Akrobat. So etwas hätte man dem kurzen, dicken Stöpsel nimmer zugetraut! Er wirbelte nur so um die Stange herum, machte haarsträubende Dinge, bis er zuletzt mit einem eleganten Salto mortale abging.

      Als ich ihn später anfühlte und ihn auch einmal nackt sah, da freilich merkte ich, wie man sich täuschte, wenn man den dicken Jungen, der sogar schon ein Bäuchlein hatte, für einen Plumpsack hielt. Das Kerlchen strotzte von steinharten Muskeln, die an den Oberarmen wie Kanonenkugeln hervortraten. In jener Zirkusbude hatte er die Anregung dazu bekommen, wie zur Dressur seines Pudels, wiederum hatte es geheißen: ›was der kann, kann ich auch‹ – und er hatte sich ein Reck gebaut und sich geübt, und auch bei so etwas gibt es eine Art von göttlichem Genie – denn ein anderer lernt’s nie und dann noch mangelhaft.

      Unter meine Leute war es wie ein elektrischer Schlag gefahren. Sogar der alte Bootsmann mußte sich an die Stange hängen und mit seinen krummen Beinen in der Luft herumquirlen. Er wollte als erstes den Bauchaufschwung machen, brachte es aber trotz seiner sonstigen Bärenkräfte nicht fertig, kein Gedanke daran.

       »Lift me, lift me, boys, hö, jubb!!«

      Es war einfach zum Totlachen, und nicht nur etwa beim Bootsmann. Jeder kam daran, einer benahm sich immer possierlicher als der andere, des Lachens war kein Ende, und als Backbord auf Wache mußte, fing die Komödie, die aber tiefernst genommen wurde, mit den anderen an.

      Nur einer war darunter, Hans, der einzige, den ich als Leichtmatrosen angenommen hatte, ein siebzehnjähriger Bursche, auch so ein Durchbrenner, aus besserer Familie, ein schlanker, bildhübscher, schneidiger Bengel mit patenten Manieren, weshalb er von seinen Kameraden den Spottnamen der Page bekommen hatte, womit er auch ganz richtig bezeichnet war, er hatte so etwas Knabenhaft-Ritterliches an sich, und das Wort ›Page‹ mochte ja nur für solche Matrosen etwas Spöttisches an sich haben.

      Also nur dieser verstand schon etwas von der edlen Turnkunst, und was er nicht konnte, eignete er sich schnell an.

      Denn mit der körperlichen Gewandtheit aller Matrosen ist es im allgemeinen nicht weit her. Da machen sich die Landbewohner wohl oft ein ganz falsches Bild. So unglaublich es klingen mag, gibt es doch genug Matrosen, welche nicht einmal an einem Tau hinaufklettern können. Und daß die meisten Matrosen des Schwimmens unkundig sind, dürfte wohl allgemein bekannt sein. Was die Bewunderung der Landratten erregt, das ist nur, wie die Matrosen, nachdem sie die Wanten erstiegen haben, gar nicht so schnell, nicht etwa wie die Eichkatzen, wie man es wohl in Jugendschriften lesen mag, in der Takelage arbeiten, wie sie auf den furchtbar schwingenden Rahen stehen, die Füße auf die daruntergezogenen Taue, Fußpferde genannt, stemmend, und nun mit beiden Händen zugreifend, das wild um sich schlagende Segel bändigen, und da gibt es kein Festhalten, höchstens mit den Zähnen darf man sich festbeißen, und wenn alles bricht und reißt, der Matrose muß himmelhoch in der Luft stehen und arbeiten wie ein Mann, das Segel muß festgemacht werden, und er packt die Rahe und wirft sich mit dem Leibe weit hinaus, um das Segel mit den Füßen heranzuziehen, jeden Augenblick ein Kind des Todes – und das allerdings ist immer etwas, was ihm der beste Turner nicht nachmacht, das muß eben in vielen Jahren vom Schiffsjungen an gelernt werden.

      Aber sonst, wie gesagt, haben