Es konnten wohl nicht alle sein, die an Deck lagen. Wir zogen sie aus Schlupfwinkeln hervor, fanden welche im Kajüteneingang – aber weiter wären sie nicht gekommen, unter Deck fand sich kein einziger, und auch in diesem Schlupfwinkel hatten sie noch Jacke und Hemd über die Ohren gezogen, wimmerten ob einiger Spritzerchen, die Blasen gezogen hatten, dachten also an gar keinen Widerstand, daß wir auch nicht mehr den betäubenden Gummischlauch anzuwenden brauchten.
Wir waren eben über diese unartigen Menschlein wie die mit Schwefel um sich spritzenden Teufel aus der Hölle gekommen, so stierten sie uns auch fassungslos an.
Dreiunddreißig Mann zählte ich an Deck, und da lag ja auch mein Freund mit den Pockennarben, den ich schon vorhin durch seine Kommandos ganz sicher als den Kapitän erkannt hatte. Auch er hatte nur wenige Blasen zwischen seinen Pockennarben im Gesicht.
Ihm schien die Besinnung, was hier eigentlich geschehen war, zuerst zu kommen.
»Höllenhund!« zischte er mich an, als ich noch einmal seine Fesseln untersuchte.
»Ja, wir kommen aus der Hölle, und jetzt geht ihr alle zusammen hinein. Nun sagt einmal, was ihr eigentlich mit uns …«
»Käpt’n,« rief da einer meiner Matrosen aus dem Kajüteingange, »hier sind noch mehr, und die müssen tüchtig verbrüht sein, die wimmern schrecklich.«
Ich hin und hinab, gefolgt von einigen Matrosen. Jawohl, dort unten wimmerte es schrecklich, und das mußten eine ganze Menge sein.
Ich sprach eine in mir aufsteigende Ahnung nicht erst aus, hielt mich auch nicht mit dem Suchen nach einem Schlüssel auf, sondern sprengte die schwere Tür, hinter der das vielstimmige Wimmern erscholl, mit einem Stemmeisen.
Ein gräßlicher Gestank schlug mir entgegen, das Licht der Laterne drohte aus Mangel an Sauerstoff zu verlöschen.
Meine Ahnung war eine richtige gewesen – der Schoner hatte Ebenholz geladen – lebendiges – afrikanische Sklaven!
Es waren gegen dreihundert Männer und hundert junge Weiber, die man hier in Ketten zusammengepfercht hatte. Ernährt waren sie gut, aber wegen der allgemeinen Sicherheit waren sie auf fürchterliche Weise zusammengefesselt, sogar zusammengeschmiedet; noch ganz frische Wunden, aus denen Blut floß, von den letzten Peitschenhieben herrührend, zeigten, wie man jede Unzufriedenheit, die etwa zu einer Rebellion, d. h., zu einem allgemeinen Befreiungsversuch hätte führen können, gleich im Keime erstickt hatte.
Schwer ward es mir, die Männer und Weiber zu überzeugen, daß ich nicht als ihr neuer Peiniger käme, also schwer, aus ihnen etwas herauszubringen.
Ein älterer Neger gab mir endlich Auskunft, und dann zeterten die anderen noch immer. Blodwen war an meiner Seite, als der Neger mit lauter Stimme erzählte.
Es waren Manus von der Pfefferküste, alle ein und demselben Dorfe angehörend, welches vor etwa sechs Wochen von einem benachbarten Stamme überfallen worden war. Greise und Kinder wurden niedergemacht, alles Gesunde und Kräftige davongetrieben – dann ein arabischer Händler – eine Sklavenkarawane – furchtbare Strapazen während vieler Wochen – westlich war es gegangen – und dann war es jedenfalls die Zahn- oder Elfenbeinküste gewesen, an welcher kleine Fahrzeuge, mit Negern und Europäern besetzt, die Sklaven abgeholt hatten. Sie wurden auf dieses große Schiff gebracht und hier verpackt.
Viel mehr konnte ich aus dem gebrochenen Englisch des Alten nicht erfahren. Er wußte nicht einmal, wie viele Tage oder Wochen sie schon hier auf diesem Schiffe zugebracht hatten. Mich interessierte jetzt am meisten, wie sie hier behandelt worden waren – eben jämmerlich, Prügel bei jeder Gelegenheit, und ganz besonders roh waren die Weiber von den amerikanischen Matrosen behandelt worden. Ausschreitungen jeder Art. Diesen Sklavenhändlern hier schien es nicht darauf anzukommen, demnächst tadellose Ware abliefern zu können, vielleicht auch hatte ihnen irgend etwas einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Ich muß hier etwas über die Sklaverei und über den Sklavenhandel einfügen. Sklavenhandel war schon damals verboten, die Sklaverei aber noch erlaubt, welcher Unterschied wohl leicht zu begreifen ist. Das heißt, es durften aus Afrika keine Sklaven mehr ausgeführt werden, wohl aber blieben die in Amerika – ich will hier nur von diesem Erdteil sprechen – nun einmal noch vorhandenen Sklaven besttehen, auch deren Kinder waren Sklaven, konnten weiterverkauft werden.
Den ersten Anstoß zur allgemeinen Aufhebung der Sklaverei gaben in Nordamerika die Quäker, welche im Jahre 1751 ihre eigenen schwarzen Sklaven sämtlich freiließen, was dieser manchmal so verspotteten Religionssekte gar nicht hoch genug angerechnet werden kann.
Leider fanden die Quäker wenige Nachahmer. Hundert Jahre und länger noch ist vergeblich gegen die Sklaverei gepredigt worden, und gerade von der Kanzel am meisten dafür, weil die Neger nach Ansicht der damaligen Geistlichkeit gar keine Seele haben, also überhaupt keine Menschen sein sollten.
Zuerst raffte sich England auf und machte Ernst. Im Jahre 1824 erklärte England den Sklavenhandel zu Land für Straßenraub, jeder Sklavenhändler zur See wurde als Pirat betrachtet und sofort gehenkt.
Diesem energischen Beispiel Englands mußten gezwungenermaßen nach und nach alle anderen Staaten folgen. Am schmählichsten benahm sich Spanien, das sich als letzter Staat das Recht zum Sklavenhandel von England für eine Entschädigung von 300 000 Pfund Sterling förmlich abkaufen ließ. England selbst bezahlte seinen Kolonisten für Freigabe der Sklaven 20 Millionen Pfund oder 400 Millionen Mark.
Im Jahre 1842 endlich, am 9. August, schloß England mit Frankreich über die Köpfe der anderen Nationen hinweg einen Vertrag, wonach jede Macht zur Verhinderung weiterer Sklavenausfuhr an den Küsten Afrikas 26 Kreuzer zu stellen habe, wozu Nordamerika freiwillig noch 6 Kreuzer gab.
Aber, wie schon vorher erwähnt wurde, mit der Aufhebung der Sklaverei selbst hatte diese Verhinderung des Sklavenhandels nichts zu tun.
Nur die nördlichen Staaten Amerikas hatten ihre Neger unter großen Verlusten freigegeben, in den südlicheren Staaten, den meisten, und ganz besonders auf den westindischen Inseln wurde die Sklaverei nach wie vor betrieben. (Und das führte ja eben bald zu dem furchtbaren Bürgerkriege.)
So lobenswert das nun auch alles war – was hatten die 58 Kriegsschiffe zu bedeuten, welche die unermeßlichen Küsten von ganz Afrika bewachen sollten! Einen Tropfen im Ozean.
Im letzten Jahre also, ich meine das Jahr 1858, waren schätzungsweise von Afrika nach den Südstaaten Amerikas und den Inseln mindestens 200 000 Sklaven eingeführt worden! Und das war nur eine oberflächliche Schätzung! Die wirkliche Zahl mochte das Doppelte betragen. Nein, diese südlichen Staaten brauchten damals eben noch unbedingt Sklaven, und solange nicht Amerika selbst seine Küsten vor der Zufuhr schützte, war nicht einmal an eine Einschränkung des Sklavenhandels zu denken. Sklaverei erlaubt, Sklavenhandel verboten – das war ja überhaupt eine Unlogik sondergleichen.
Dem Sklavenhandel im Innern Afrikas war überhaupt nichts anzuhaben, auch nicht an der Küste, die Einschiffung der schwarzen Ware geschah direkt unter den Augen der Kriegsschiffe, und dann schlugen die kleinen, schlankgebauten Fahrzeuge, Seelenverkäufer genannt, ausschließlich Nordamerikaner, den schweren Kriegsschiffen regelmäßig ein Schnippchen, rutschten ihnen noch dicht unter der Hand durch.
Wenn freilich einmal solch ein Seelenverkäufer gekapert wurde, dann ging es der ganzen Mannschaft an den Kragen. Alles wurde im nächsten Hafen unter dem Schutze der englischen und französischen Flagge an den Galgen geknüpft. Aber da konnte solch ein Seelenverkäufer eher einmal Schiffbruch leiden, ehe er von einem Kriegsschiff aufgebracht wurde.
Hier nun freilich handelte es sich einmal um einen Schoner von 2000 Tonnen, ein mächtiger Segler, niemand hatte in ihm lebendiges Ebenholz vermutet, und jedes Schiff kann doch auch nicht angehalten werden. Außerdem war der Schoner der Hauptsache noch mit Kopra, das ist noch unausgepreßte Kokosnuß, befrachtet, mit dieser waren die Sklaven gefüttert worden, daher sahen sie alle auch so fett aus.
Aber zum ersten Male