Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Kraft
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836182
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ganze übrige Kerl nur aus Haut und Knochen bestehen, und das ist nicht nur so gemeint, wenn man mit Haut und Knochen einmal einen recht mageren Menschen bezeichnen will. Hier war offenbar kein Quentchen Fleisch vorhanden.

      Mein Arm wurde berührt, der Kuli, der mich schon hierhergeführt, winkte mir, ich solle ihm folgen. Dann ergriff er auch meine Hand.

      Um nun einmal zu sehen, ob ich auch unter wirklichen Menschen war, nicht nur unter Geschöpfen aus einem Märchen, nahm ich diese braune Hand etwas fester als eigentlich nötig war zwischen meine Tatze.

      Der Indier stieß ein Wort hervor, welches ins Deutsche übersetzt, jedenfalls ›Autsch‹ bedeutete, riß seine Hand schnell aus der meinen – so, es war ein Mensch, nun folgte ich ihm willig.

      Ich hatte überhaupt schon bemerkt, daß ich nur einen Schritt näher auf den Thron zutreten sollte. Ich sollte vorgestellt werden.

      So geschah es denn auch. Doch erst kam noch etwas dazwischen.

      Wie ich diesen Schritt tun wollte, trat mir jemand – natürlich war’s wieder der dämliche Fritze, der dann aber die Schuld auf Pieplack schob – trat der mir von hinten auf meine Decke, welche infolgedessen abermals von meinen Schultern glitt, und wie ich mich schnell bücke, rutscht mir auch noch meine Bauchbinde herunter.

      Na, ich konnte mir nicht helfen. Ich konnte mich nur, die treulose Bauchbinde aufhebend, wieder in meine Decke hüllen.

      Uebrigens hatte das hier gar nichts zu sagen. Die Fächerwedler dort oben waren doch auch ziemlich ganz nackt, und die Lieblingsfrau an der rechten Seite eigentlich noch viel nackter. Und die lächelte mich nach wie vor holdselig an, während die Dicke an der anderen Seite keine Miene verzogen hatte, so wenig wie die anderen.

      So stand ich vor dem Thron. Die holdselige Fee lächelte mich an, und der Maharadscha blickte über meinen Kopf hinweg ins Leere. Und dabei schien es bleiben zu wollen.

      Simmer hatte es mir schon gesagt: dieser Maharadscha spräche kein Wort, er sei eine steinerne Statue. Das merkte ich jetzt. So etwas Regungsloses habe ich selten gesehen. Wenn so lebende Bilder gestellt werden, merke ich immer gleich, daß das Menschen sind. Das heißt, ich kann mich nicht in die Vorstellung hineintäuschen, dies seien Statuen; sie können sich noch so sehr mit Kreide beschmiert haben. Ich sehe die Brust gehen, ich sehe immer etwas zucken – ich fühle förmlich aus der weitesten Entfernung die Lebenswärme. Anderen mag es auch so gehen.

      Diesen Maharadscha hier aber hätte ich, je länger ich ihn betrachtete, um so eher für eine wirkliche Statue gehalten. Nicht aus Stein, eher aus Holz geschnitzt. Wie er so dasaß, beide Hände auf den Knien, so abgezirkelt, kerzengeradeaus blickend – wirklich, ich dachte einige Augenblicke, es sei doch nur eine Statue.

      Da senkte er langsam den Kopf, richtete ihn wieder auf – und mein Indier führte mich wieder einige Schritte seitwärts.

      Dann kamen die anderen daran. Es war eine Defiliercour. Jeder meiner Leute mußte vor den Thron, ein langsames Nicken, und er konnte beiseite treten. Er war in Gnaden angenommen. Ob der Maharadscha auch einmal den Kopf schütteln konnte, wußte ich nicht.

      Sonst kein einziges Wort. Der Bootsmann brachte den alten Holländer angeschleppt, ein Nicken, fertig!

      Wir waren durch. Nur Blodwen mit dem Kinde fehlte noch. Aber sie sollte überhaupt nicht kommen.

      Mein Führer winkte mir, ich folgte ihm. Es ging wieder Treppen hinauf und durch Korridore, in denen es von braunen Männern und Weibern wimmelte, und unterwegs merkte ich, daß meine Leute nicht mehr hinter mir waren.

      »Wo sind meine Matrosen und die andern?« fragte ich den Führer, ihn einmal am Rockzipfel haltend.

      »Mata, Sahib – weiß nicht, Herr.«

      »Wohin bringt Ihr mich?«

      »Mata, Sahib.«

      Wußte der nicht einmal, wohin er mich führen wollte!

      Aber ich ahnte schon etwas. Der spanische Kreole hat so eine verdammte Redensart, mit der er einen totmachen kann – Quien sabe? – Wer weiß es? – Hier schien etwas Aehnliches vorzuliegen.

      Er kannte sein Ziel doch. Es war eine große Kabine – ein Zimmer, hätte ich bald gesagt, denn mir schwand das Bewußtsein wieder, mich auf einem Schiffe zu befinden – in der eine Menge gelber, brauner und schwarzer Burschen längs der Wände auf Kissen kauerten, neben sich Papier und Rohrhalter zum Schreiben – das taten sie aber nicht, sondern sie rauchten sämtlich lange Pfeifen oder sogen den Qualm aus Papierröllchen -jetzt Zigaretten genannt, die damals aber in Deutschland noch ganz unbekannt waren – und hiermit waren sie so beschäftigt, daß sie höchstens noch Zeit hatten, ihre Fingernägel zu betrachten oder sich einmal an der Fußsohle zu kratzen.

      Dann aber war noch ein anderer Mann vorhanden – ein holländischer General! Faktisch, das gelbe, zusammengeschrumpelte Männchen, das mir gleich von vornherein einen recht wehmütigen Eindruck machte, trug die große Generalsuniform der holländischen Fremdenlegion – ich war in Batavia gewesen, daher kannte ich das – goldstrotzend, der Dreimaster mit silbernen Klunkern, die Brust voll funkelnder Orden, und dazu einen Schleppsäbel – wenn er ihn aufrecht stellte, mußte er ihm bis an die Brust gehen.

      Der hatte mich offenbar erwartet. Denn er rückte noch an dem Dreimaster herum und zog sich noch schnell weiße Handschuhe an, und das ging sehr fix, denn sie waren ihm viel zu groß.

      Er klappte die Hacken zusammen, an denen er sogar ganz gewaltige Sporen hatte, und legte den baumelnden Zeigefinger an den Klunkerhut.

      »Radscha Ridschar Dschanschan?«

      »Bin ich.«

      Denn meinen Namen hatte ich herausgehört, so pfiffig war ich.

      »Hoble boble radschadadschaquatscha dschai dschai dschai.«

      Nein, so pfiffig war ich nicht, um dies verstehen zu können.

      »Ich spreche weder Hindustanisch noch Sanskrit noch Malaiisch.«

      »Parlez-vous français?«

      »Nee. Speak english?«

      »Yes.«

      Er sprach’s nicht gut, aber jedenfalls besser, als wenn ich mit meinem bißchen Französisch losgelegt hätte.

      Wir gingen in eine kleine Kabine hinüber, die außer vielen Kissen einige Schränke besaß.

      Ich merkte mehr und mehr, daß dieses Generälchen überaus nervös war. Sein Gesicht zuckte wie seine Finger, und wenn er nicht mit diesen in der Luft herumzappelte, drehte er sich Zigaretten, mit einer fabelhaften Fixigkeit, pumpte sich die Lunge voll Rauch und warf die halbe Papierrolle weg, und während er den Qualm wieder von sich pustete, aus Mund, Nase und sogar aus den Ohren, drehte er sich schon wieder eine neue.

      Er war schon so weit fertig, daß er nicht einmal einen zusammenhängenden Gedanken aussprechen konnte.

      »Endlich bin ich … den Göttern sei Dank, daß Sie gekommen sind, um hier … ich bin hier … ich war früher in der holländischen Fremdenlegion, habe es bis zum … Administrator – Sie verstehen, ich habe hier alles unter … bitte …«

      Er hatte wieder eine Portion feingeschnittenen gelben Tabak auf ein Seidenblättchen gelegt, reckte die Zunge weit zum Halse heraus, fuhr mit der Rolle über den Fleischlappen, klebte sie zu, bot sie mir an.

      Ich dankte. Der Kerl hatte obendrein die galoppierende Schwindsucht.

      »Ja, das Zigarettenrauchen ist sehr … aber hier ist es sehr gesund wegen des Jods … ich weiß hier weder aus noch … nehmen Sie doch Platz und … endlich sind Sie …«

      Man verlange nicht, daß ich unser Gespräch ausführlich wiedergebe. Ich dachte an Karlemann und wurde gewissermaßen zum Raubtierbändiger. So brachte ich nach und nach heraus, was ich eigentlich sollte.

      Ordnung schaffen! Diesen Riesenkasten wieder flott machen. Denn hier herrschte eine heillose Wirtschaft, daß der Dampfer, obgleich