artist. Inst., Leipzig-Reudnitz.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Kartenskizze der
Mongolenstaaten im XIII. Jahrhundert.
zu
Sophus Ruge’s Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen.
Von
Henry Lange.
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GRÖSSERE BILDANSICHT
Ausschnitte aus der obenstehenden Karte:
2. Der Presbyter Johannes.
Vor allem zog aber mächtig die geheimnißvolle, halb in sagenhafte Züge gehüllte Gestalt eines großen Königs an, der im Abendlande allgemein unter dem Namen des Priesterkönigs oder Presbyter Johannes bekannt war, und der über ein durchaus christliches Volk herrschen sollte. Das eigenthümliche Dunkel, das über dieser Gestalt liegt, ist noch nicht völlig gelichtet; es scheint aber, als ob nach einander mehrere bedeutende historische Persönlichkeiten des Morgenlandes mit einander verschmolzen wären und nach einander für den Priesterkönig gegolten hätten.
Die erste Nachricht über ihn bringt der deutsche Geschichtsschreiber Otto von Freising, der Stiefbruder Kaiser Konrads III. Derselbe erzählt, er habe im Jahre 1145 in Viterbo den Bischof von Gabula (Jibal im nördlichen Syrien) getroffen, der unter Thränen von den Gefahren erzählt, welche seit dem Falle von Edessa die christliche Kirche bedrohe. Vor wenigen Jahren, erzählte der Bischof, sei im fernen Osten jenseit Armenien und Persien ein gewisser Johannes, Priester und König zugleich über ein nestorianisches Volk, aufgetreten, habe erst die medische Hauptstadt Egbatana erobert und dann die Samiardischen Bruderkönige, die in Persien und Medien herrschten, in dreitägiger Schlacht besiegt und sei weiter nach Westen gerückt, um der bedrängten Kirche in Jerusalem beizustehen. Aber der Tigris habe seinem Zuge Halt geboten und ihn zur Umkehr genöthigt.
Die hier erwähnten Ereignisse sind von Professor Bruun[20] auf Johann Orbelian (Ivané Orpel), den Großwürdenträger und siegreichen Feldherrn des georgischen Königs David gedeutet, der den Türken um 1123 oder 1124 die Stadt Ani in Armenien abgewann. — Das Geschlecht der Orbeliane besaß zwar in seinen außerordentlichen Privilegien fast königliche Macht und namentlich Johannes Orbelian war der Stolz der Georgier; allein seine Thaten sind doch nicht gewaltig und seine Stellung nicht unabhängig genug, um ihn kurzweg als Priesterkönig bezeichnen zu können, und der große blutige Sieg über die Samiardischen Brüder bleibt auch ohne entsprechenden Beleg. Die Identität des Priesters Johannes mit Johann Orbelian bleibt daher unerwiesen, wenn auch, abgesehen von dem zutreffenden Namen Johann und der Existenz eines christlichen Volkes und Fürsten, für diese Hypothese noch die Thatsachen sprechen, daß Groß-Armenien als der ferne Orient angesehen wurde und daß georgische Könige den Christen in Palästina mehrfach Hilfe zu bringen suchten.
Auf der andern Seite muß aber darauf hingewiesen werden, daß die christlichen Sendboten und Kaufleute, welche in Asien eindrangen, seit dem 13. Jahrhundert den Priesterkönig viel weiter im Osten suchten und an Armenien nicht dachten. Und in der That leiten auch die Nachrichten Ottos von Freising über die Nachbarländer Syriens hinaus. Den Kern der Untersuchung muß die verhängnißvolle Schlacht bilden, in welcher der Beherrscher Persiens unterlag. Es wird sich dabei zwar ergeben, daß in Ottos Berichte Irrthümer mit unterlaufen und andere dunkle Punkte, namentlich die angebliche Eroberung von Ekbatana und der Zug an den Tigris, unerledigt bleiben; allein das Endresultat fällt doch befriedigender aus als bei der ersten Hypothese.
Jene Niederlage nun der Perser, welche nach der Angabe des Bischofs von Gabula nur wenige Jahre vor 1145 erfolgte, fällt ins Jahr 1141. Etwa hundert Jahre früher hatten seldschuckische Sultane die Herrschaft in Persien gewonnen und ihre Macht bis Kleinasien und Aegypten ausgedehnt. Um 1105 theilte sich das große Reich in zwei Staaten unter den Brüdern Mohammed und Sandschar. Das sind die Samiardischen (richtiger Saniardischen) Brüder, nach dem mächtigeren und weit länger regierenden Sandschar (Saniard) benannt; denn Mohammed starb bereits 1118, Sandschar aber erst 1157. Sandschar behauptete als Sultan das Uebergewicht im Osten, während seine Neffen, die Söhne Mohammeds, von ihm abhängig wurden. Es ist demnach ungenau, wenn noch um 1145 Otto von Freising von Saniardischen Brüdern spricht.
Zu den von Persien abhängigen Staaten gehörte damals auch Chowaresmien am untern Amu-Darja; dieser Staat strebte nach Selbständigkeit. Der Sohn des dortigen Schahs Atsis war von Sandschar getödtet worden; aus Rache rief Atsis die sogenannten Karachitanen oder Khata zur Hilfe herbei.
Der älteste arabische Schriftsteller, welcher über diese Ereignisse berichtet, ist Ibn-el-Athir (1160–1233). Derselbe erzählt, Atsis habe, aufgebracht über die Ermordung seines Sohnes, zu den Khata gesandt, welche in Ma-vera-el-nahr (Transoxanien) wohnten, und in ihnen die Hoffnung auf Landgewinn erregt. Indem er ihnen die Sache sehr leicht vorstellte, reizte er sie, in Sandschars Reich einzufallen. Demzufolge brachen sie mit 300,000 Reitern auf, Sandschar ging ihnen mit seiner Armee entgegen und erlitt in der Nähe von Samarkand eine blutige Niederlage, in welcher 100,000 fielen, darunter 12,000 Vornehme und 4000 Weiber. Sandschar floh nach Balch.[21]
Diese Khata werden auch als ungläubige Türken bezeichnet. Ihren Anführer nennt der arabische Historiker einen Chinesen, dessen Titel Ku-chan, richtiger Kur-chan, war.
Mit zusammengerafften tatarischen und chinesischen Völkern war also dieser Heeresfürst im Westen erschienen und in die islamitischen Länder eingebrochen, wo er dem bisher stets siegreichen Sandschar den ersten empfindlichen Schlag versetzte.
Welche Bewandtniß es mit dieser Völkerbewegung hatte, erfahren wir aus chinesischen Quellen.
Ein wahrscheinlich zur Gruppe der Tungusen gehöriger Volksstamm in der Mandschurei, den die Chinesen Chitanen benannten, hatte sich im Laufe der Jahrhunderte aus rohen Zuständen allmählich zu einer gewissen Kultur emporgearbeitet und so gekräftigt einen Staat gebildet, der, die Nachbargebiete beherrschend, im Jahre 907 bereits über Nordchina hin bis zum Lop-nor reichte und bald darauf Nordchina selbst unterwarf. Dieses Reich der Chitanen wurde weiter im Westen unter dem Namen Khitai, Khathay bekannt und bestand bis zum Jahre 1123. Dann wurde es aus dem chinesischen Besitze wieder verdrängt. Der Vetter und Oberfeldherr des letzten Kaisers der Chitanen, Yeliutasche, gründete im Westen vom Lop-nor ein neues Reich, das sich durch glückliche Eroberungen über das Pamirhochland hinaus bis an den Oxus in West-Turkistan erstreckte, wo der Sohn des ersten Fürsten, Yeliuyliui († 1153) bei Samarkand den Sultan Sandschar im September 1141 besiegte. So rückte dieses Reich fast bis ans kaspische Meer vor und erscholl sein Name auch in Europa. Die Fürsten trugen den Titel Korchan oder Gurchan (woraus allmählich durch Umgestaltung Johannes wurde) und ihr neugegründetes Reich hieß das Reich der Karachitanen oder schwarzen Chitanen. Dort im Osten des kaspischen Meeres suchten die abendländischen Reisenden zuerst den Priesterkönig, und als man ihn nicht mehr vorfand, denn das Reich war schon 1215 von Temudschin zerstört, floh es vor dem suchenden Blick immer weiter nach Osten, bis man China selbst mit dem Namen Kithai oder Cathay, Cathaya belegte, und an dieser Benennung Jahrhunderte lang festhielt.
Rubruck und Marco Polo hielten den Fürsten „Ungchan“ der Keraiten in der östlichen Mongolei für den Johannes und verwechselten denselben mit Yeliutasche. Die Verwechselungen und