»Nie! Dafür hast du gesorgt!« – Er lachte höhnisch auf. – »Wie hätte mir sonst so oft der Stoßseufzer kommen können: ›Gott behüte jeden mittellosen Mann vor einer reichen Frau‹?«
Ihre Lippen bebten; sie fuhr sich wiederholt mit dem Taschentuch über die Stirn, als feuchte sie ein plötzlich hervorbrechender Angstschweiß; aber ihr starrer Sinn, das beispiellose Selbstvertrauen, daß sie alles durchzusetzen verstehe, was sie einmal wolle, siegten auch jetzt. »Nun, solch ein unerträgliches Joch läßt sich ja abschütteln!« sagte sie trotzig und herausfordernd.
»Bei jeder anderen katholisch eingesegneten Ehe schwerlich –; uns zweien dagegen wird es allerdings sehr leicht gemacht werden – ich weiß das! Die schwarze Dame drüben im ersten Stock des Säulenhauses, ›deine treue, aufopfernde Freundin‹, hat die Lösung von Rom aus längst in der Tasche.«
»Das hättest du gewußt und doch keine Hand gerührt, um diese willkommene Erlösung zu beschleunigen?« triumphierte sie.
»Weil ich meine ehrliche Hand nicht in diesem klösterlichen Ränkespiel haben wollte; vor allem aber mußte ich im steten Kampfe mit meinen eigenen Wünschen – ich verhehle das keinen Augenblick – mein Gewissen vor dem inneren Vorwurf rein erhalten, daß ich geholfen habe, dich dem Kloster auszuliefern.«
»Arnold!« –
Er wich zurück, als entsetze ihn der umgewandelte Ton. Diese unzweideutige Gebärde erbitterte sie bis zur Wut.
»Vielleicht hast du dir auch noch vergegenwärtigt, daß dann das Kloster alles mitverschlingt, was dem Auftreten des Baron Schilling Glanz verliehen hat,« sagte sie boshaft. »Glaubst du ernstlich, man werde, wenn du ohne mich wieder in jene Kreise trätest, den Mann ohne den Hintergrund eines großartigen Besitztums noch ebenso auszeichnen, wie dies bisher geschehen ist?«
»Und meinst du, ich habe auf diese sehr zweifelhafte Auszeichnung je auch nur den allermindesten Wert gelegt?«
unterbrach er sie mit einer Summe, in der ein heranbrausender Sturm grollte. »Ich frage dich, wer sind sie, die lediglich dem Rittergutsbesitzer – das heißt in diesem Falle ›dem Mann seiner Frau‹ – ihre Auszeichnung zuteil werden lassen? – Ein Häuflein Standesgenossen, die in unserer, den Reichtum nicht mehr in ihrem Sinn verteilenden Zeit froh sind, einen Geldmächtigen mehr in ihren Reihen aufzählen zu dürfen. Sie machen die Welt nicht aus, die meinen Namen nennt, mit Ehren nennt, und wenn ich jetzt hinausgehe, ohne dich –«
»Dann hast du nicht einmal mehr einen Herd in der Heimat, an dem du, zurückkehrend, deine Füße wärmen kannst –«
»Meinst du? – Das alte, liebe Säulenhaus mit seinem Garten ist mein! Das Werk da« – er zeigte nach dem Bild auf der Staffelei – »tilgt den Rest deiner Hypothek auf meinem Vaterhause. Mehr will ich nicht! Es klebt keines Hellers Eigentumsrecht der Steinbrücks daran, und kraft meines nunmehrigen unumschränkten Rechtes möchte ich dich hiermit ersuchen, alles, was du zwischen die vier Wände des Schillingshofes gebracht hast, bis auf den kleinsten Bildernagel herab, möglichst rasch fortbringen zu lassen.«
Jetzt brach sie zusammen. »Arnold, verzeihe!« rief sie und schwankte mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
»Fort!« stieß er außer sich hervor; an dem sonst so beherrschten Mann bebte jede Fiber. »Nach allem, was deine bitterböse Zunge mir angetan hat, gibt es kein Wort der Erde mehr, das versöhnen könnte... Gehe du hin zu denen, ,die die Arme sehnsüchtig nach dir ausstrecken!' Gehe zu den Pflegerinnen deiner Jugend! Mögen sie jetzt die Früchte ihres Erziehungssystems ernten und mit all den bösen Dämonen kämpfen, die mir das Leben vergiftet haben... Sie schleudern ihre Verdammung gegen das Theater mit seinem ›teuflischen Blendwerk‹ und bedenken nicht, daß sie mit ihrer heuchlerischen Erziehung der Mädchenseele die Komödie in die Ehe, in das Heim des ahnungslosen Mannes tragen.« –
Er schritt rasch nach der Wendeltreppe, während die Baronin zerknirscht neben dem Lehnstuhl in die Knie gesunken war.
»Und bedenkst du nicht, daß du diesen Schritt gar nicht tun darfst, ohne alle die bloßzustellen, die in eurem großen Saal so hochmütig und familienstolz von den Wänden herabsehen?« rief sie ihm nach und hob wie neubelebt den Kopf. »Bis jetzt wissen nur wenige, wie schlimm es zuletzt um die Schillings gestanden hat; in dem Augenblick aber, wo wir uns trennen, und die Kirche mit meinem Willen von allem, was mir gehört, Besitz ergreift, wird es der ganzen Welt offenbar werden, daß der alte Freiherr Krafft von Schilling in seinen alten Tagen nicht mehr über einen Halm auf seinen Wiesen, einen Baum im Walde das Verfügungsrecht gehabt hat.«
»Mag die Welt es wissen! Wir haben nur selbst darunter zu leiden; kein anderer Mensch hat dabei auch nur einen Pfennig verloren – von Betrug ist unser Name vollkommen rein geblieben!«
»Aber man wird es nachträglich mindestens lächerlich finden, daß die Bewohner des großartigen Säulenhauses insgeheim arm wie die Kirchenmäuse gewesen sind – auch das nenne ich ›den Leuten Sand in die Augen streuen‹,« sagte sie, sich erhebend. Es hatte ihr geschienen, als habe seine Stimme geschwankt, seine Haltung einen Augenblick die ruhige Sicherheit verloren; sie meinte den Boden wieder unter ihren Füßen zu fühlen. »Arnold, lasse dies das letzte Wort des Streites zwischen uns sein!« rief sie, mit ausgestreckten Händen auf ihn zueilend. »Ich verspreche dir, daß ich diesen Punkt nie, nie mehr berühren will – nimm mich wieder auf!«
»Niemals! – Ich will nicht länger mein Leben so sonnenlos und gedrückt neben dir hinschleppen!«
»Aber ich gebe dich nicht frei! Ich weiche nicht von deiner Seite – der Platz ist mein, mein!« rief sie verzweiflungsvoll. »Arnold, ich bin erbötig, offen vor aller Welt zu erklären, daß ich dem Weib bleiben will, daß ich dich gebeten habe, mich zu behalten – ist dir auch das nicht genug?«
Wie ein Schaudern flog es durch seine Glieder.
»Zwinge mich nicht, im letzten Augenblick das Wort noch auszusprechen, das sich mir seit lange schon auf die Lippen drängt!« stammelte er seiner kaum noch mächtig.
»Sprich es aus – es soll mich nicht beirren –«
»Das Wort ewigen, unvertilgbaren Hasses,« sagte er und stieg die Treppe hinauf, um sich in seinen Zimmern einzuschließen.
Sie hielt sich taumelnd am Treppengeländer fest und stierte ihm nach, ohne noch einen Versuch zu machen, ihm zu folgen. »Haß, Haß!« murmelte sie, schwerfällig mit dem Kopfe nickend. »Ja, der schneidet wohl das Tischtuch entzwei!« – Sie stieß ein irres, grelles Lachen aus. »Gut denn, immerhin! er wird schon sehen, der Elende, was er getan hat! Er wird schon sehen! Jetzt weiß er's noch nicht – er weiß es noch nicht, wie der Sturz von der Höhe des Reichtums und Ansehens sein wird! Jetzt triumphiert er noch! O, wie das wurmt und – wehe tut! Könnt' ich sterben!«
Mit Aufbietung aller Kraft raffte sie sich empor und warf einen wilden Blick um sich, als Halle das entscheidende, schreckliche Wort ihr immer noch von allen Wänden entgegen und raune aus jeder Ecke, um sie von dem Boden zu scheuchen, der keinen Raum mehr für sie hatte. Ihre Knie wankten, aber sie schleppte sich durch das Atelier, schlug den Vorhang zurück und trat in den Wintergarten.
Der Springbrunnen plätscherte, und die Sonnenfunken, die durch das engmaschige Netz der verschränkten Zweige und Blätter hereindrangen, tanzten auf der glänzenden Wasserkuppel und rollten in jedem Tropfen als leuchtende Goldperlen in das Becken.
Dieses einförmige Rieseln und Murmeln inmitten der stummen, stillen Pflanzenwelt, dicht neben dem Raum,