»Allerdings wirst du das tun,« bestätigte sie entschieden, aber in seltsam heiserem Ton und sah ihn mit lodernden Augen an, in denen sichtlich Angst und eine wilde Drohung um die Herrschaft stritten.
Er lachte bitter auf. »Nachdem du gerade jetzt wieder in drastischer Weise gezeigt hast, wie liebevoll du meinen Wunsch und Willen zu achten gewohnt bist? ... Ich reise allein, jetzt und immer! Und auch du hast die vollkommene Freiheit, zu gehen, wohin du willst. Ich habe mich ja schon jedes Einspruchs begeben, als du nach Rom gingst, ohne meine Einwilligung auch nur mit einem Wort nachzusuchen. Ich ließ dich widerspruchslos gewähren, mit dem festen Vorsatz, daß es fortan auch so bleiben solle zwischen uns.«
»Ich will diese Freiheit aber nicht, und dir gestatte ich sie noch viel weniger.«
Er lächelte verächtlich und schritt nach dem Atelier. Sie hielt sich eng an seiner Seite.
Die Tür des Wintergartens stand offen, und sie traten ein. Es war schwül drinnen; keiner der Springbrunnen war in Tätigkeit; Baron Schilling hatte sie vor einigen Stunden selbst geschlossen, weil ihm ihr Rauschen störend gewesen war. Er trat an das große Becken, und gleich darauf zischte die silberfunkelnde Wassergarbe empor und durchstäubte erfrischend die schwere, balsamische Luft.
Und die Baronin huschte mit der flinken Geschäftigkeit einer sorglichen Hausfrau helfend zu den zwischen den Pflanzen halb versteckten kleinen Steinmulden und ließ die Wasserstrahlen, einen nach dem anderen, aufsteigen. »Das ist sehr hübsch,« sagte sie, mit den Augen die dünnen, glänzenden Wasserbogen verfolgend, die sich über ihrem Haupte wölbten, um in das große Becken niederzusinken – sie ließ sich gefällig zu einem Lob herab. »Ich habe keine Ahnung von dieser netten Spielerei hinter den Glaswänden gehabt, sonst hätte ich doch vielleicht meine Abneigung vor dem Atelier unterdrückt und wäre manchmal hierher geschlüpft, um in deiner Nähe zu sein ... Nun, wenn wir zurückkommen!« –
Er schwieg; kein Zug seines Gesichts bewegte sich, während er umherging und sorgfältig die Röhren wieder schloß, die sie aufgedreht hatte. »Das macht zu feucht,« bemerkte er kurz. »Es war ein Fehler, so viel Wasser neben dem Atelier zu sammeln –«
»Ist denn der Zufluß so erheblich?«
»Er ist so bedeutend, daß mein Arbeitslokal bei irgend einem Versehen sehr schnell unter Wasser gesetzt werden könnte.« – Damit wandte er sich ab und schob den Samtvorhang hinter der offenen Glastür zurück, um in das Atelier zu gehen.
»Ei, das könnte uns in diesem Augenblick fehlen!« rief sie, ihm fast auf dem Fuße folgend. »Drüben im Hause die Zerstörung und hier – doch, mein Freund, nun gib der Wahrheit die Ehre!« – unterbrach sie sich und sank überlegen lächelnd in den nächsten Lehnstuhl. »Habe ich nicht recht gehabt mit meinem Widerwillen gegen diese amerikanische Einquartierung? Was alles hat unser ehrbarer, stiller Schillingshof in dieser Zeit mit ansehen müssen! Die Flucht einer Ballettänzerin mit Hinterlassung von Schulden, eine tödliche Krankheit, die auch mein Leben bedroht hat, als ich ahnungslos zurückkehrte, – die Verwüstung in unserem schönen Holzsalon –«
»Ohne die Hannchens unglücklicher Vater Gott weiß wie viele Jahre noch auf deinen besonderen Befehl spuken gehen müßte –«
»Und unser eigenes Zerwürfnis um dieser fremden Leute willen,« fuhr sie fort, wie immer jede Anspielung auf einen ihrer Irrtümer überhörend, wobei sie, die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt, im gleichmütigen Spiel die Fingerspitzen gegeneinander stippte. »Und was ist der Dank für all diesen Jammer, den du dir und mir aufgebürdet hast? – Das frechste, unverschämteste Auftreten einer anmaßenden Baumwollbaronin, das mir je bei dem widerwärtigen Geldprotzentum vor die Augen gekommen ist!«
Sie schüttelte boshaft in sich hineinlachend den Kopf. »An dieser bronzefarbenen Schönheit hast du keine Eroberung gemacht, mein Freund. Sie hat dir böse Dinge gesagt, häßliche Dinge – an dem ›germanischen Nationaldünkel‹ wirst du zu schlucken haben.« Er war längst hinter die Staffelei getreten. Das große Bild verdeckte ihn vollkommen, und so konnte sie nicht sehen, wie dieses ausdrucksvolle Männergesicht blaß wie der Tod wurde, wie sich die festgeballten Hände unwillkürlich hoben und gegen die Brust schlugen.
Die bequem hingesunkene Frau sprach weiter, lächelnd vor innerer Befriedigung und unerschöpflich in der Schilderung der »ergötzlichen« Szene, die sie kaum noch im Holzsalon erlebt hatte, und dann richtete sie sich plötzlich aus ihrer nachlässigen Stellung auf und rief erschrocken: »Aber ich verplaudere hier die Zeit, und meine Jungfer sitzt drüben und liest, um die Nachmittagsstunden totzuschlagen, und hat keine Ahnung, daß die Arbeit bergehoch über sie hereinbricht ... Im Ernste, Arnold, kannst du nicht noch einen einzigen Tag zugeben?«
»Ich sagte dir bereits, daß meine Abreise deine gegenwärtigen Lebensgewohnheiten in keiner Weise berühren wird!« rief er ungeduldig herüber. »Wie oft soll ich wiederholen, daß ich allein reisen werde –«
»Torheit! – Ich gehe jetzt, um Adelheid selbst zu benachrichtigen –«
Er trat rasch hinter der Staffelei hervor – jetzt fühlte sie jäh zusammenschreckend, daß sie es mit einem tiefergrimmten, unerbittlichen Gegner zu tun habe.
»Und ich,« unterbrach er sie harten Tones – »ich werde Fräulein von Riedt schriftlich anzeigen, daß ich dir unter keinen Umständen gestatte, mich zu begleiten, daß ich dich, ›deine Seele‹ – um mit ihrem klösterlichen Pathos zu sprechen – für heute und immerdar ihrer Obhut und Leitung widerspruchslos überlasse.«
Sie schnellte empor, als habe sie nie in ihrem Leben an Muskel- und Nervenschwäche gelitten, und trat ihm hochaufgerichtet gegenüber. Der Schrecken hatte ihr jeden Blutstropfen aus dem Gesicht gejagt, aber zu beugen vermochte er sie nicht. »Das wirst du wohl bleiben lassen, mein lieber Arnold!« sagte sie hohnvoll und überlegen. »Ich habe Freunde, die schon seit lange sehnsüchtig die Arme nach mir herüberstrecken. Bin ich einmal in ihrem Bereich, dann würdest du mich – mein Gott, von mir will ich gar nicht reden – ich meine, hauptsächlich alles, was mit dem Namen Steinbrück verknüpft ist, vergebens zurückfordern – du siehst, der Schritt würde dir ein wenig teuer zu stehen kommen.«
»Diese guten Freunde kenne ich,« entgegnete er – für ihre letzte Bemerkung hatte er nur ein verachtungsvolles Achselzucken. – »Es sind diejenigen, denen man glaubhaft zu machen gemußt hat, mein guter, alter Papa habe dich durch allerhand teuflische Künste und Blendwerk deinem ursprünglichen, heiligen Beruf entrissen, um seinem Sohn eben jenes alles, was mit dem Namen Steinbrück verknüpft ist, zuzuwenden. Sie sind bis zur Stunde in der Meinung erhalten worden, dein der Aszese, dem Heiligsten zugeneigtes Herz sei dabei gar nicht beteiligt gewesen, du würdest, der Ehe innerlich abhold, längst wieder in die Reihen dieser entsagungsvollen Braven zurückgekehrt sein, wenn dein in jener teuflischen Verblendung gesprochenes ›Ja‹ dich nicht an die Seite des Mannes zwänge, der alles aufbiete, dich festzuhalten ... Ich bin vollkommen unterrichtet, Klementine, und längst imstande, das Ränkespiel einer Frauenseele zu übersehen, die um keinen Preis den Heiligenschein einbüßen möchte und doch dem Weltleben nicht entsagen will.«
Sie war sprachlos in den Stuhl zurückgesunken und biß sich die Lippen fast wund.
»Es ist ja wahr, mein Vater hat lebhaft unsere Verbindung gewünscht,« fuhr er fort – er hatte die Hände auf dem Rücken zusammengeballt und durchmaß unausgesetzt den weiten Raum des Ateliers. – »Dein stilles, gelassenes Wesen, die widerspruchslose Hingebung in deinen sehr hübsch geschriebenen Briefen, haben dich in seinen Augen madonnenhaft verklärt. Er war damals dem Tode nahe und hat geglaubt, er bette das Geschick seines Sohnes sanft und weich. Und dieser Sohn hat in jenen schweren Stunden gar nicht an die Zukunft gedacht, er hat nur angstvoll in das verschleierte Auge des Kranken gesehen und über den geweckten Freudenstrahl gejubelt – du weißt das; ich habe damals aufrichtig, ohne Rückhalt mit dir gesprochen –«
»Das soll wohl jetzt – wer weiß aus welchen Gründen – heißen, du habest mich nie geliebt?«
»Habe