Anfänglich spielte er niedrig – »er wartete auf seinen großen Coup«, wie er Holdsworthy, einem Manne, mit dem er sieh im Alta-Pacific-Klub befreundet hatte, erklärte. Daylight war selbst Mitglied des Klubs, in den Holdsworthy ihn eingeführt hatte. Und es war gut, daß Daylight im Anfang so vorsichtig spielte; immer mehr staunte er über die große Zahl von Haien – »Landhaien«, wie er sie nannte –, die sich an ihn heranmachten. Er durchschaute ihre Methode schnell genug und wunderte sich sogar, daß so viele von ihnen Beute genug machen konnten, um sich durchzuschlagen. Ihre Schurkerei und ihre ganze Zweifelhaftigkeit waren so durchsichtig, daß er nicht verstand, wie sich jemand von ihnen anführen lassen konnte.
Holdsworthy behandelte ihn mehr wie einen Bruder, als wie einen Klubgenossen. Er wachte über ihn, gab ihm gute Ratschläge und stellte ihn den Magnaten der lokalen Finanzwelt vor. Holdsworthys Familie wohnte in einem entzückenden Landhaus in der Nähe von Menlo Park, und Daylight verbrachte oft die Zeit von Sonnabend bis Montag dort. Er erhielt dabei Einblick in ein Familienleben von einer Feinheit und Herzlichkeit, wie er es sich nie hatte träumen lassen. Holdsworthy war ein großer Blumenliebhaber und begeisterter Geflügelzüchter, und diese beiden Passionen waren eine Quelle ständigen Vergnügens für Daylight, der ihn mit freundlicher Nachsicht beobachtete.
Bei einem Besuche erzählte Holdsworthy von einer kleinen Sache, einer wirklich guten kleinen Sache, einer Ziegelei bei Glen Ellen. Daylight lauschte aufmerksam den Erklärungen des andern. Es war ein sehr vernünftiges, aber kleines Geschäft. Er machte schließlich aus reiner Freundschaft mit, als er hörte, daß auch Holdsworthy darin engagiert war und in anderer Beziehung Opfer bringen mußte, um die Erweiterung des Unternehmens durchführen zu können. Daylight schoß das gewünschte Kapital, fünfzigtausend Dollar, ein. »Ja«, erklärte er später lachend, »ich bin angeführt worden, aber schuld daran war weniger Holdsworthy als seine verdammten Küken und Obstbäume.«
Es war ihm jedoch eine gute Lehre, denn er lernte, daß es nur selten Treu und Glauben in der Geschäftswelt gab, und daß selbst der einfache Begriff der Gastfreundschaft nichts bedeutete im Vergleich mit einer wertlosen Ziegelei und fünfzigtausend Dollar. Aber er meinte doch, daß alle diese Haie verschiedenen Kalibers nur an der Oberfläche zu finden waren, daß es in der Tiefe Redlichkeit und Rechtschaffenheit gab. Die Industriefürsten und Großkapitalisten, entschied er, waren doch sicher Leute, mit denen sich arbeiten ließ. Bei der Natur ihrer ungeheuren Unternehmungen mußten sie unbedingt ehrlich spielen. Sie hatten keinen Raum für solche kleinen Schwindeleien und Betrügereien. Von diesen kleinen Leuten konnte man nichts anderes erwarten, als daß sie ihren Freunden wertlose Ziegeleien aufhalsten, aber in der Hochfinanz lohnte sich dergleichen nicht. Da war man mit ganz anderen Dingen beschäftigt: Entwicklung des Landes, Organisation von Eisenbahnen, Gründung von Minen und Erschließung der zahllosen Quellen der Natur. Das Spiel mußte unbedingt hoch und ehrlich sein. »Die können sich nicht mit solchen Schwindeleien abgeben«, schloß er.
So kam er zu dem Entschluß, die kleinen Leute wie Holdsworthy links liegen zu lassen. Er stand zwar immer noch auf recht gutem Fuße mit ihnen, schloß sich aber an keinen enger an. Er hatte gar nichts gegen diese kleinen Leute vom Alta-Pacific-Klub und ähnliche, nur wollte er sie nicht als Partner in dem großen Spiel, das er vorhatte. Worin das große Spiel bestand, wußte er selbst noch nicht. Er wartete einfach darauf. Und da traf er John Dowsett, den großen John Dowsett. Es war der reine Zufall, daran war kein Zweifel. Rein zufällig – das wußte Daylight selbst – hörte er von einem Geschäft in Santa Catalina, und statt direkt nach San Franszisko zurückzukehren, fuhr er nach der Insel herüber. Dort traf er John Dowsett, der sich einige Tage von einer Geschäftsreise nach dem Westen erholen wollte. Dowsett hatte natürlich von dem unternehmungslustigen König von Klondike und seinen dreißig Millionen gehört und interessierte sich für den Mann, den er nun kennenlernte. Im Laufe der Bekanntschaft mußte dann irgendwann die Idee in seinem Kopfe aufgetaucht sein. Aber er berührte sie nicht, sondern zog vor, sie sorgfältig reifen zu lassen. So hielt sich das Gespräch nur in allgemeinen Bahnen, und er tat sein Bestes, um sich Daylight angenehm zu machen und seine Freundschaft zu gewinnen.
Er war der erste große Magnat, den Daylight traf, und er fühlte sich stark angezogen. Etwas so Herzliches und Gewinnendes, eine so geniale demokratische Denkweise lag über dem Manne, daß Daylight kaum verstehen konnte, daß dies der große John Dowsett, der Präsident von einer ganzen Reihe von Banken, der Chef des Versicherungstrustes war, der mit allen Leuten der »Standard Oil« alliiert sein sollte und immer mit den Guggenhammers zusammen auftrat Auch sein Äußeres strafte seinen Ruf nicht Lügen.
Seine Erscheinung bürgte Daylight für alles, was er über ihn gehört hatte. Trotz seiner sechzig Jahre und seines schneeweißen Haares war sein Händedruck fest und herzlich; er zeigte keine Spur von Hinfälligkeit, wenn er rasch und leicht dahinschritt und sich sicher und entschieden bewegte. Seine Gesichtsfarbe war rot und gesund, und sein feingezeichneter Mund schien immer bereit, über einen guten Witz zu lächeln. Er hatte ehrliche Augen von hellstem Blau, die scharf und freimütig unter den buschigen grauen Brauen hervorblickten. Sein Verstand war geschult und ruhig und arbeitete mit der Sicherheit einer stählernen Falle. Er war ein Mann, der Wissen besaß, es aber nie mit Gefühl oder Sentimentalität aufputzte. Jedes Wort, jede Bewegung war von Kraft getragen; die Gewohnheit zu herrschen, konnte er nicht verleugnen. Dabei war er taktvoll und sympathisch, und Daylight erkannte schnell, daß er einen Mann vor sich hatte, der sich in jeder Beziehung von kleinen Leuten wie Holdsworthy unterschied. Er kannte auch Dowsetts Geschichte, wußte, daß er einer der ersten amerikanischen Familien entstammte, wußte, daß er sich im Kriege ausgezeichnet hatte. Daylight hatte von John Dowsett gehört, der sich um die Union verdient gemacht hatte, von General Dowsett, dessen Ruhm aus der Zeit der Revolution stammte, und von jenem Dowsett, der schon in den ersten Tagen Neuenglands ein wohlhabender Mann gewesen war.
»Das ist ein Mann«, erzählte er später seinen Klubgenossen im Rauchzimmer des Alta-Pacific. »Ich sage Ihnen, Gallon, er war eine Überraschung für mich. Ich wußte es ja, die Großen mußten so sein, aber ich mußte ihn erst gesehen haben, um es wirklich zu glauben. Er gehört zu den Menschen, die wirklich schaffen. Das sieht man ihm an. Er ist einer unter Tausenden, das ist sicher, und ein Mann, auf den man sich verlassen kann. Die Spiele, die er spielt, sind unbegrenzt, aber ehrlich, darauf können Sie schwören. Ich wette, er kann ein halbes Dutzend Millionen gewinnen oder verlieren, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.«
Gallon paffte seine Zigarre, und als der andere mit seiner Lobrede fertig war, betrachtete er ihn verwundert, aber Daylight, der sich gerade einen Cocktail bestellte, bemerkte den Blick nicht.
»Dann wollen Sie wohl ein Geschäft mit ihm machen?« bemerkte Gallon.
»Ach, keine Rede davon. – Prosit! Ich wollte Ihnen nur erklären, daß ich jetzt verstehe, wie große Männer heldenhafte Taten vollbringen. Wissen Sie, er machte auf mich den Eindruck, als wäre er allwissend, so daß ich mich ganz beschämt fühlte.
Bei einem Wettrennen mit einem Hundegespann könnte ich ihm, glaube ich, einen großen Vorsprung lassen und doch noch gewinnen«, bemerkte Daylight nach einer kurzer Pause. »Und ich könnte ihm wohl auch noch ein paar Tips beim Poker oder beim Goldwaschen und beim Paddeln in einem Birkenkanu geben. Ja, vielleicht könnte ich doch noch eher sein Spiel lernen, als er das, welches ich dort oben im Norden gespielt habe.«
Sechzehntes Kapitel
Nicht lange darauf kam Daylight