Er hatte deshalb nicht ohne Seelenkampf ihm angekündigt, daß ihre Verbindung nun getrennt werden müßte, und vielleicht würde er doch noch, trotz seines mikoischen Stolzes, wenigstens eine gewisse entferntere Verbindung erhalten haben, wenn nicht El Sol gewesen wäre.
Als er aber diesem in der Unterredung, die sie vor der Versammlung hatten, einige Winke rücksichtlich der Vorteile gab, die auch den Cumanchees von einem nähern Verbande mit dem Seeräuber zufließen müßten, warf der edle Mexikaner die bloße Zumutung mit einer Verachtung von sich, die dem Miko für immer den Mund schloß. –
Das Dörfchen war im größten Aufruhr. Wildes Jauchzen, der Schall der Trommeln und der Schellen hatten, mit den allzureichen Gaben Canondahs, die Freude des Völkchens zur Tollheit gesteigert.
Die Pawnees hatten mit den Oconees sich zum Nachttanze vereinigt. – Und nun führten sie den Kriegertanz ihres Stammes auf.
Der junge Häuptling hatte schweigend seinen Gefährten zugesehen und war wieder mit bedenklicher Miene in die Hütte zum Miko zurückgekehrt.
»Mein Vater«, sprach er in einem ehrerbietigen, aber zugleich bestimmten Tone, »ist weise, und seine Augen haben der Sommer viele gesehen; aber die Seele des Diebes ist umwölkt.«
»Es ist die Seele eines tanzenden Mädchens, die sich umwölkt, weil man ihr ihre Korallen genommen«, erwiderte der alte Mann, auf den Vorhang deutend, hinter welchem Rosa war.
»Seine Zunge ist die Zunge einer Schlange, aber sie ist nicht halb so giftig, als der Stachel seiner Augen – seine Seele schießt drohende Blicke. Mein Vater muß seine Augen weit auftun.«
»Tokeah hat ihn zwei Sommer gesehen und hat ein Mädchen erblickt«, sprach der alte Mann mit der Zuversichtlichkeit, die dem Alter eigen ist, das seine angenommene Meinung nicht fahren lassen will. »Seiner Männer sind wenige«, fügte er hinzu, »und die übrigen sind über vier Sonnen gegen die Salzsee zu, und El Sol weiß, daß die Oconees morgen aufbrechen.«
Obwohl er wußte, daß der Seeräuber ein Boot den Fluß hinabgeschickt hatte, so tat er von diesem Umstande doch keine Erwähnung, entweder weil es sich während des verlängerten Aufenthaltes Lafittes häufig ereignet hatte, oder er es nicht der Mühe wert hielt, die Unruhe seines Gastes durch eine anscheinend so unbedeutende Maßregel zu vermehren. Es war dieselbe Eigenliebe für seine einmal angenommene Meinung, die seinen Mund verschloß. Er war ein Mann, der sowie der Tiger an dem zerfleischten Büffel und die wilde Rebe am Kottonbaume, so an der einmal vorgefaßten guten oder bösen Meinung hing. Er hatte nun einen günstigen Begriff von dem Seeräuber, und dieser hatte sich in seine Seele gleich den übrigen eingegraben, und nichts in der Welt war imstande, ihn daraus zu verdrängen. Der junge Mexikaner schien beruhigt und schwieg.
Die Nacht war weit vorgerückt, und der Tanz vorüber, die Töne der Instrumente waren verklungen, bloß einzelne Stimmen ließen sich noch hören; allmählich schwiegen auch diese, und das Dörfchen versank in Ruhe. Der alte Miko faßte nun die Hand El Sols und führte ihn ins Stübchen.
»Canondah!« sprach er mit milder Stimme.
Das Mädchen stand bereits vor ihm, ihre Hände wie gewöhnlich auf ihren Busen gefaltet. Ein melancholisches Lächeln spielte auf ihren ängstlichen Zügen, und eine Träne perlte über ihre Wangen. Ihre liebenswürdig muntere Laune schien auf immer von ihr geflohen zu sein. Der Vater nahm die beiden Hände des jungen Mannes und, sie auf die Schultern der Tochter legend, übertrug er so seine väterliche Gewalt auf ihn; – dann legte er seine beiden Hände auf ihre Scheitel und sprach:
»Möge der große Geist eure Vereinigung mit vielen tapfern Kriegern segnen!«
»Und soll El Sol sein Weib mit schmerzerfülltem Herzen in sein Wigwam führen?« sprach mild der Bräutigam.
»El Sol ist Canondah teurer, als die Sehnen ihres Lebens; er ist die lieblichste Blume, die ihr Auge je gegrüßt; seine Stimme ist ihren Ohren Musik, und seine Liebe der Born ihres Lebens; aber die Brust Canondahs ist enge und droht zu zerspringen. – Der große Geist flüstert ihr etwas zu, aber sie kann seinem Flüstern keine Worte geben.« Sie sprach diese Worte und faßte dann Rosa beinahe fieberisch an und drückte einen langen Kuß auf ihre Lippen. – Bereits war sie zur Türe hinaus, als sie nochmals zurückeilte und Rosen umfing. »Rose,« murmelte sie mit hohler Stimme, »willst du dem Miko Tochter sein, wenn Canondah nicht mehr ist?«
»Ich will«, schluchzte Rosa.
»Versprichst du mir bei dem großen Geiste, ihn nicht zu verlassen?«
»Ich verspreche es«, schluchzte Rosa stärker.
Der Miko, der schweigend und in Nachdenken versunken gestanden war, machte nun ein Zeichen, und Canondah schwankte ihrem Gatten zu, der sie in seine Arme schloß und mit ihr in das Councilhaus ging, wohin Tokeah vorangeschritten war.
Achtzehntes Kapitel
Mitternacht war vorüber, und Dorf und Flur im tiefsten Schlafe begraben. – Von dem Ufer her stahl sich ein Mann im behutsamen Schritte auf die Hütte des Miko zu; er hatte einen gezogenen Säbel unter dem Arm und blickte, als er zur Laube vor dem Häuschen gekommen war, scheu und bedächtig um sich, dann, sich wendend, war er im Begriffe, ebensostill und leise zurückzukehren, als plötzlich eine Büffelschlinge um seinen Nacken fiel, und er zur Erde geworfen ward, so schnell und unwiderstehlich, daß es mehr das Werk eines unterirdischen, denn eines menschlichen Wesens schien. Der Säbel entfiel seiner Hand, ehe er noch imstande war, ihn seinem Halse zu nähern und so die Schlinge zu zerschneiden, mit der er gefangen war. Das Ganze war mit einer so verräterischen Schnelle und Heimlichkeit vor sich gegangen, daß eine Schar bewaffneter Männer, die näher der Bucht und kaum dreißig Schritte von der Hütte entfernt standen, in gänzlicher Unwissenheit über das Vorgefallene waren. Doch nun brach eine Stimme von unsichtbaren Lippen, die die Toten in ihren Gräbern hätte aufregen können, und die Türe des Councilwigwams flog mit einem gewaltigen Gekrache auf, und mitten unter dem Aufleuchten von Schüssen, die vom Ufer her krachten, stürzte eine kräftige Gestalt aus der Hütte, die etwas Schweres in ihren Armen trug und zwischen den Gebüschen und Hecken verschwand. Eine zweite Stimme ließ sich nun vernehmen, die dem Innersten von tausend Kehlen zu entsteigen schien, und die sich nun in jeder Richtung, jeder Hecke, jedem Gebüsche vervielfältigt hören ließ, so furchtbar rasend, als ob die Dämonen der Hölle losgelassen, in ihren nächtlichen Rasereien tobten. Zu gleicher Zeit begann ein regelmäßiges Pelotonfeuer vom Uferkamme herüberzurollen, und eine Hütte nach der anderen fing an in bläulichten Flammen aufzuflackern, die zitternd und an Ausdehnung gewinnend bald ins hellglänzende Rot übergingen und sich über Dach und Hütte hinlagerten. Mitten in diesem fürchterlichen Aufruhr war nochmals eine Stimme gehört worden, die dem Brüllen des Löwen glich, wenn er raset in seiner höchsten Wut. Es war der Warwhoop El Sols.
Der edle Mexikaner war durch den Nachtgesang seiner geliebten jungen Gattin in Schlaf gelullt worden, als ihn der wohlbekannte Yell weckte. Mit der einen Hand hatte er sein geliebtes Weib erfaßt, mit der anderen sein Schlachtmesser und seinen Stutzen, und dann stürzte er aus der Türe, wo ihn eine Salve von Musketen begrüßte. Der Häuptling fühlte seinen linken Arm durch eine Kugel gestreift, er begann zu zittern, ein leichter Schauer zuckte durch seine Glieder. »Canondah«, murmelte er in heiserem Tone, indem er, gleich einem verwundeten Hirsche, über die Hecken dem Walde zu sprang – »Canondah, fürchte nichts, du bist in den Armen El Sols!«
Sie gab keine Antwort, ihr Haupt war auf ihre Brust gesunken, ihr ganzer Körper fing an krampfhaft zu schlottern und sich zu dehnen; – einen Augenblick schoß der furchtbare Gedanke durch seine Seele – aber es war unmöglich, sein Arm hatte die Kugel aufgefangen; bloß Schlaf und Schrecken hatten sie überwältigt, das Blut, das über ihn geronnen, war aus seiner Wunde geflossen. Noch während er vor seinen verräterisch