Ein zweites »Hugh!« ertönte von aller Munde.
»Meine jungen Männer müssen warten, bis Mi-li-mach kommt«, sprach er, auf das Tier deutend, und legte sich wieder, ohne ein Wort weiter zu sagen, in seine vorige Stellung. Auf einmal ballte er seine Faust, und seinen Daumen vor die Lippen haltend, stieß er einen langen durchdringenden Pfiff aus.
Wieder erfolgte eine lange Pause.
»Das ist die Kugel eines Yankee«; nahm der erste Wilde wieder das Wort.
»Das Auge war gut, aber das Feuergewehr war kurz«; sprach der zweite. Eine geraume Zeit war wieder verflossen, ohne daß eine Bemerkung weiter gehört worden war. Durch das Gebüsch kam trottend ein Wilder auf die Gruppe zu und lagerte sich, ohne ein Wort zu sprechen, neben seinen Gefährten.
»Haben die Männer der Oconees an der untern Salzquelle Hirsche gefunden?« fragte nach einiger Zeit der Miko.
»Sie haben«; war die Antwort.
»Gut«; erwiderte der Miko.
»Will mein Sohn«, sprach er nach einer Pause, auf den getöteten Hirsch deutend, »dem Miko sagen, wo der Yankee ihn gefehlt.« Der Indianer sprang auf, kauerte sich vor dem Tiere nieder und betrachtete aufmerksam das leicht verletzte Geweih.
»Es ist nicht zwei Sonnen, daß die Kugel geschossen,« sprach der Miko, »die Läufe sind nicht geschwollen, und der Schweiß ist noch im Rücken.«
»Vielleicht die Kugeln der Krieger mit den langen Messern«; sprach der ihm Zunächstliegende.
»Kennt mein Bruder das Blei der Yankees so wenig?« sprach der Häuptling; »es ist die kleine Kugel eines Yankee, der in die Wälder gezogen. Mi-li-mach wird seine Spur finden.«
Der Indianer hieb nun mit seinem Messer die Gelenke des Tieres ab, und einen Vorder- und Hinterlauf in seine Tasche steckend, fragte er: »Welcher unsrer Brüder hat seinen Pfeil verloren?« Einer der Jüngern sprang herbei, und die beiden trabten nun tiefer in den Wald. Zwei Stunden mochten auf diese Weise verlaufen sein. Die Wilden hielten soeben ihr Mahl, als ein durchdringendes Pfeifen gehört wurde. Sie horchten hoch auf. Nicht lange, so wurde dieses Pfeifen wiederholt, doch in einer von der vorigen ganz verschiedenen Tonleiter. »Es ist Mi-li-mach,« sprach der Miko; »er hat die Spur vieler Weißen.«
Ein drittes Mal wurde dieses Pfeifen gehört, und wieder war der Ton verschieden. »Es sind die Yankees mit Äxten, die mit ihren Squaws und Kindern in die Wälder gekommen; die Männer der Oconees werden auch diese meiden müssen«; sprach er bitter und dann seine Hand zum Munde führend, stieß er ein langes, durchdringendes Pfeifen aus.
Nach wenigen Minuten wurden von mehreren Seiten her diese pfeifenden Töne vernommen, und bald darauf kamen die übrigen Wilden rasch auf das Feuer zugesprungen. Unter diesen der abgesandte Späher.
»Hat mein Bruder die Spur gefunden?« fragte der Miko.
»Es sind Yankees, die gekommen, um das Jagdgebiet der Oconees für sich zu nehmen.«
Ein bitteres Lächeln verzog den Mund des alten Mannes. »Ihre Hand«, sprach er, »reicht vom großen Flusse bis zur großen Salzsee und von der eingeschlossenen Salzsee, die das Land der Mexikos bespült, bis zum Lande, das eisig ist und dem Vater der Kanadas gehorcht, aber sie haben nimmer genug.« Und somit erhob er sich.
Alle waren aufgestanden, und einen Halbkreis um ihn bildend, erfolgte eine kurze Beratung. Als diese vorüber war, winkte der alte Mann dem zurückgekehrten Späher, und beide gingen denselben Weg, den dieser soeben gekommen war.
Die beiden waren mehrere Stunden durch den Wald fortgeschritten, als sie auf einer Anhöhe ankamen, von der sie eine ausgedehnte Aussicht über eine zu ihren Füßen liegende weite Niederung hatten, durch die ein breiter Strom sich hinwälzte. Beinahe am Ende derselben stiegen die Rauchwolken auf, und die Lüfte brachten die scharf knallenden Schläge von Äxten herüber. Der alte Mann hatte eine geraume Weile in finsterem Dahinstarren gestanden; endlich schritt er die Anhöhe hinab. Als er näher kam, schlugen menschliche Stimmen an sein Ohr, die Schläge der Äxte wurden dumpfer und voller; endlich erblickte er die Lichtung selbst. Der unglückliche Geizhals, der den heimlichen Versteck seines mühsam zusammengescharrten Schatzes bei seinem Erwachen plötzlich aufgewühlt erblickt, kann kaum so heftig vor dem seine Existenz vernichtenden Anblicke zurückprallen, als der Miko bei dem Anblicke dieser Lichtung. Sie dehnte sich etwa über drei Acker aus. Das erste, was seinem Auge auffiel, waren vier Hütten, roh aus Gestrüpp und Ästen aufgeführt, in denen mehrere Kinder lagen. Nicht weit von diesen weideten Pferde. Einige vom Rauche geschwärzte Weiber standen und saßen um zwei Feuer, über welchen Stangenpyramiden aufgerichtet waren, von denen Kessel hingen; andere saßen auf ihren Schaukelstühlen, ihre Säuglinge am Arme ganz gemächlich wiegend; wieder andere waren bei den Kesseln beschäftigt. Eine Schar Buben trieb sich durch das rauchende Feld, dürre Zweige und Gestrüppe sammelnd, das sie unter Klötze und Stämme schichteten und dann anzündeten. Die ganze Lichtung war eine Rauchwolke, durch die der Indianer hingeschritten. Er war bereits mitten unter die Amerikaner gekommen, ohne daß er gesehen worden wäre. Eben jedoch, wie er sich einem Hause zuwandte, dessen Balkengerüste bereits aufgezimmert und unter Dach war, bemerkten ihn die Weiber. Sie starrten ihn einige Augenblicke, wie es schien, ängstlich an und riefen dann: »Ihr Männer, kommt doch her! – Kommt geschwinde!« riefen sie immer ängstlicher.
»Was gibt's?« fragte ein gewaltig breitschultriger Mann, der aus dem Hause heraus unter den Dachvorsprung getreten war. »Ah! eine Rothaut! Hat die euch in Schrecken gesetzt? Wohl, sie wird nicht die erste und nicht die letzte sein.« Und mit diesen Worten näherte sich der Hinterwäldler den Weibern und dem Indianer. Diese, durch die Gegenwart des Mannes etwas beruhigt, kamen nun an den letztern heran und begafften ihn mit einer Neugierde von Menschen, denen, in ihrer tiefen Abgeschiedenheit, alles erwünscht kommt, was irgendeine Unterhaltung zu gewähren verspricht. Das wirklich ausgezeichnete Äußere des Indianers jedoch, seine kolossale, obgleich verdorrte Gestalt und das Ernst gebietende Wesen, das in seiner Haltung lag, verbunden mit der gewählteren Kleidung, schienen die vorige Ängstlichkeit zu verbreiten. Sie entfernten sich schnell nach verschiedenen Seiten. Auch der Mann hatte unsern Häuptling scharf ins Auge gefaßt, ohne jedoch die mindeste Furcht blicken zu lassen.
»Du bist keiner der Osagen, Rothaut?« fragte er endlich diesen.
Der Häuptling, der seinerseits die verschiedenen Arbeiten, oder, wie es ihm erscheinen mochte, den Greuel der Verwüstung aufmerksam betrachtete, gab keine Antwort.
»Auch nicht von den Pawnees?« fuhr der Mann fort. Noch immer keine Antwort.
»Höre! wenn du in unsere vier Pfähle kommst, Rothaut, so mußt du wenigstens so höflich sein, Antwort zu geben, wenn man dich fragt«; sprach der Hinterwäldler.
»Und wer hat die Yankees gerufen?« sprach der Indianer.
»Yankees! – Nimmst du uns für Yankees? – Holla, Joe und John!«
»Hat die Weishaut«, fragte nun der Indianer, seinerseits den Ausdruck gebrauchend, der verspottend sein sollte, »vom großen Vater Erlaubnis erhalten, sich hier sein Wigwam aufzurichten?«
Der Hinterwäldler sah ihn mit großen Augen an. »Ob wir Erlaubnis erhalten, uns hier niederzulassen? Fürwahr für einen Wilden eine kuriose Frage. Das muß wahr sein«, sprach der Mann, »und zu einem freien Bürger – nein, das ist zu rund! Hört doch einmal, Männer,« fuhr er fort, zu Joe und John gewandt, die nun herbeigeschritten kamen, »diese Rothaut da fragt alles Ernstes, ob wir auch vom großen Vater Erlaubnis erhalten haben, hierher zu kommen?« Alle drei schlugen ein lautes Gelächter auf. »Das ist unser Land, bar bezahlt mit unsern Dollars und dem Boni abgekauft. Verstehst du's?«
Der Indianer hatte, während sein Auge forschend von einem Gegenstande zum andern wanderte, keines der Worte verloren. Ohne einen der