Die Geschichte von Hyazinth und Rosenblütchen
Das Pferd
Ein Wolf sagte zu einem Pferde: »Warum bleibst du denn dem Menschen so treu, der dich doch sehr plagt, und suchst nicht lieber die Freiheit?« – »Wer würde mich wohl in der Wildnis gegen dich und deinesgleichen verteidigen«, antwortete das philosophische Pferd, »wer mich pflegen, wenn ich krank wäre, wo fände ich solches gutes, nahrhaftes Futter, wo einen warmen Stall? Ich lasse dir gern für das alles, das mir meine Sklaverei verschafft, deine Chimäre von Freiheit. Und selbst die Arbeit, die ich habe, ist sie Unglück?«
Das verworfne Geschenk
Jupiter wandelte in einem Walde, und alle Bäume schüttelten ihm ihre Früchte vor die Füße und er segnete sie. Da warf auch der Giftbaum seine schöne Frucht dem Jupiter hin. »Nein! ich mag dein Geschenk nicht«, sagte Jupiter, und segnete den Baum nicht.
Fürsten, belohnt nicht das Genie, das seine Gaben zur Verderbnis der Sitten verwendet!
Der alte Sperling
»Schämt Ihr Euch nicht«, rief ein alter Sperling seinen Jungen zu, die mit muntern Weibchen tändelten und kosten, »fühlt Ihr nicht, daß dieses unanständig und erniedrigend ist; Ihr verschmäht die Weisheit, die unsre Seele zu den Unsterblichen hebt.« »Bleib du bei deiner Weisheit«, riefen ihm die losen Jungen zu, »und laß uns jetzt genießen; wenn wir so alt sind als du, so wollen wir auch aus Unvermögen uns zur Weisheit begeben und über Liebe und Freuden philosophieren.«
Der Bär
»Wohin, Gevatter Bär?« sprach ein Wolf zu einem wandernden Bären. – »Ich suche mir eine andere Wohnung«, antwortete er. – »Du hattest ja aber eine schöne, geräumige Höhle, warum verläßt du sie?« – »Der Löwe machte Ansprüche an dieselbe und ging an den Senat der Tiere.« – »Da brauchtest du dich nicht zu fürchten, du hattest ja eine gerechte Sache.« – »Gegen Könige ist jede Sache ungerecht, Gevatter Wolf.«
Der Fuchs
»Hast du die Satire gelesen, die der Löwe auf dich gemacht hat«, fragte der Wolf den Fuchs, »antworte ihm, wie sichs gebührt.« »Gelesen hab ich sie, aber deinem Rate folg ich nicht«, sagte der Fuchs, »denn der Löwe könnte mir auf eine fürstliche Art antworten.«
Der Philosoph
Verzug schadet selten
»Lehre meinem Kanarienvogel«, sprach ein Tyrann zu einem Philosophen, »den Homer, daß er ihn auswendig hersagen kann, oder geh aus dem Lande; unternimmst du es, und es gelingt nicht, so mußt du sterben.« – »Ich will es ihm lehren«, sprach der Weise, »aber ich muß zehn Jahre Zeit haben.« – »Warum warst du so töricht«, fragten ihn hernach seine Freunde, »und unternahmst etwas Unmögliches?« Lächelnd antwortete er: »In zehn Jahren bin ich oder der Tyrann oder der Vogel gestorben.«
Der Tiger und der Fuchs
»Tiger«, sprach der Löwe zu seinem Favoriten, »ich kann den Fuchs nicht mehr ausstehn, er spöttelt unaufhörlich, schafft mir ihn mit guter Manier vom Halse.« Freudig lief der Tiger zum Fuchse: »Nichtswürdiger; du hast die Königin beleidigt.« »Wann eher?« sagte der Fuchs, »ich weiß nichts davon.« »So hast du doch ehgestern den König verleumdet.« »Das ist eine ebenso schändliche Lüge, als das erste«, schrie der Fuchs. »O! himmelschreiendes Verbrechen! Du beschuldigst mich der Lügen! Das muß ich rächen!« Und hiemit fraß er ihn auf.
Die Buhlerin
Eine Buhlerin verließ ihr Liebhaber und sie stellte sich untröstlich! »Warum weinst du so sehr«, fragte eine Nachbarin. »Ach! Daß ich ihm noch den schönen blauen Mantel ließ.«
Merkts, Jünglinge.
Die Ephemeris
Eine alte Ephemeris rief aus: »Ich habe nun 22 Stunden gelernt; meine Weisheit, meine Kenntnisse sind die größesten die ein endlich Wesen erlangen kann.« »Arme Törin!« sprach ein Mensch, der sie hörte, »ein unerfahrner Knabe besitzt zehnmal mehr Kenntnisse und Einsicht.«
Räsoniert