Wer weiß, welches erhabene Symbol das Blut ist? Gerade das Widrige der organischen Bestandteile läßt auf etwas sehr Erhabenes in ihnen schließen. Wir schaudern vor ihnen, wie vor Gespenstern, und ahnden mit kindlichen Grausen in diesem sonderbaren Gemisch eine geheimnisvolle Welt, die eine alte Bekanntin sein dürfte.
Um aber auf das Gedächtnismahl zurückzukommen – ließe sich nicht denken, daß unser Freund jetzt ein Wesen wäre, dessen Fleisch Brot und dessen Blut Wein sein könnte?
So genießen wir den Genius der Natur alle Tage und so wird jedes Mahl zum Gedächtnismahl, zum seelennährenden, wie zum körpererhaltenden Mahl, zum geheimnisvollen Mittel einer Verklärung und Vergötterung auf Erden, eines belebenden Umgangs mit dem absolut Lebendigen. Den Namenlosen genießen wir im Schlummer – wir erwachen, wie das Kind am mütterlichen Busen und erkennen, wie jede Erquickung und Stärkung uns aus Gunst und Liebe zukam, und Luft, Trank und Speise Bestandteile einer unaussprechlichen lieben Person sind.
Die Holzkohle und der Diamant sind Ein Stoff, und doch wie verschieden! Sollte es nicht mit Mann und Weib derselbe Fall sein? Wir sind Tonerde und die Frauen sind Weltaugen und Saphire, die ebenfalls aus Tonerde bestehn.
Nur das Trinken verherrlicht die Poesie? Wie wenn die Poesie auch eine flüssige Seele wäre? Das Essen weckt den Witz und die Laune – daher Gourmands und dicke Leute so witzig sind – und beim Essen so leicht Scherz und muntere Unterhaltung entsteht. Auch auf andere solide Fähigkeiten wirkts. Bei Tisch streitet und räsoniert man gern, und vieles Wahre ist bei Tisch gefunden worden. Der Witz ist geistige Elektrizität – dazu sind feste Körper nötig. Auch Freundschaften werden bei Tische gestiftet, unter den eisernen Leuten am leichtesten; wer ahndet hier nicht Seelenmagnetism? Die Tischzeit ist die merkwürdigste Periode des Tages und vielleicht der Zweck, die Blüte des Tages. Das Frühstück ist die Knospe. Die Alten verstanden sich auch hier besser auf die Philosophie des Lebens. Sie aßen nur Einmal, außer dem Frühstück, und zwar nach vollbrachten Geschäften gegen Abend. Das doppelte Essen schwächt das Interesse. Zwischen dem Essen – Schauspiel, Musik und Lektüre. Die Mahlzeit selbst eine Kurve, nach echter Bildungslehre des Lebens. Mit der leichtesten Speise den Anfang gemacht, dann gestiegen – und mit der Leichtesten wieder geschlossen. Das Essen muß lang währen, die Verdauungszeit über; den Schluß macht am Ende der Schlummer.
(Schlummer. Aufstehn. Morgen etc.)
Schlummer ist ein Anhalten des höheren Organs – eine Entziehung des geistigen Reizes – des absolut sein sollenden Reizes. Die Willkür ist gehemmt. – Schlaf, Analogon des Todes. Kurzer, aber öfterer Schlaf. Seine restaurierende Wirkung. Es ist ein Zeichen, daß man ordentlich geschlafen hat, wenn man gleich munter ist. Je weniger Schlaf man braucht, desto vollkommner ist man. Eine augenblickliche Unterbrechung stärkt fast mehr, als eine lange. Halbes Bewußtsein im Schlafe. Die sonderbaren Traumbilder. Das Leben ein Traum. (Die Zeit verschmilzt die Gegenstände ineinander. Jede Aussicht auf eine Zukunft voll kräftigen, mannigfachen Lebens ist eine Morgenaussicht. Poetische Kurve der Sonne. Das Leben endigt, wie der Tag und ein vollkommnes Schauspiel, wehmütig, – aber mit erhabener Hoffnung. Der Abend ist sentimental, wie der Morgen naiv ist. Der Morgen muß streng und geschäftig, der Abend üppig sein. Auch die Arbeit muß gegen Mittag zu wachsen und gegen das Essen zu sich etwas wieder vermindern. Früh keine Gesellschaft. Man ist morgens jung und abends alt. Jeder Abend muß unser Testament finden und unsere Sachen in Ordnung ...)
V. Aphorismen und Fragmente
1798–1800 Magischer Idealismus: n»Alles kann am Ende zur Philosophie werden, ...«
Romantische Theorie: »Die Welt muß romantisiert werden.«
Religionsphilosophie: »Der Tod ist das romantisierende Prinzip ...«
Romantische Literaturwissenschaft: »Der echte Dichter ist allwissend; ...«
1798–1800
Magischer Idealismus: n»Alles kann am Ende zur Philosophie werden, ...«
Der Gegensatz von Leib und Geist ist Einer der aller merkwürdigsten und gefährlichsten. Große historische Rolle dieses Gegensatzes.
Alles kann am Ende zur Philosphie werden, so z. B. Cervantes' Don Quijote.
Die Philosophie ist, wie alle synthetische Wissenschaft, wie die Mathematik, willkürlich. Sie ist eine ideale, selbsterfundene Methode, das Innre zu beobachten, zu ordnen etc.
Auch kann die Philosophie die unerreichbare Wissenschaft kat exochin, das wissenschaftliche Ideal sein?
Sollte die Natur nicht an sich verständlich sein, gar keines Kommentars bedürftig? Bloße Beschreibung, reine Erzählung hinlänglich?
Die Poesie ist der Held der Philosophie. Die Philosophie erhebt die Poesie zum Grundsatz. Sie lehrt uns den Wert der Poesie kennen. Philosophie ist die Theorie der Poesie. Sie zeigt uns, was die Poesie sei; daß sie Eins und Alles sei.
Die Möglichkeit der Philosophie beruht auf der Möglichkeit Gedanken nach Regeln hervorzubringen, wahrhaft gemeinschaftlich zu denken (Kunst zu symphilosophieren). Ist gemeinschaftliches Denken möglich, so ist ein gemeinschaftlicher Wille, die Realisierung großer, neuer Ideen möglich.
Nur wenn wir uns, als Menschen, mit andern Vernunftwesen vergleichen könnten, würden wir wissen, was wir eigentlich sind, auf welcher Stelle wir stehn.
Die Philosophie soll nicht die Natur, sie soll sich selbst erklären. Alle Befriedigung ist Selbstauflösung. Bedürfnis entsteht durch Entzweiung, fremden Einfluß, Verletzung. Es muß sich selbst wieder ausgleichen. Die Selbstauflösung des Triebes, diese Selbstverbrennung der Illusion, des illusorischen Problems ist eben das Wollüstige der Befriedigung des Triebes. Was ist das Leben anders? Die Verzweiflung, die Todesfurcht ist gerade eine der interessantesten Täuschungen dieser Art. Sthenisch, wie im Trauerspiel fängts an, – asthenisch endigt es und wird gerade dadurch ein befriedigendes Gefühl, ein Pulsschlag unsers sensitiven Lebens. Auch kann es asthenisch anfangen und sthenisch endigen. Es ist eins. Ein Trauerspiel, was zu viel Wehmut hinterläßt, hat nicht sthenisch genug angefangen. Jede Geschichte enthält ein Leben, ein sich selbst auflösendes Problem. So ist jedes Leben eine Geschichte.
Hamlet endigt trefflich: asthenisch fängt er an, sthenisch endigt er. Meister endigt mit der Synthesis der Antinomien, weil er für und vom Verstande geschrieben ist.
Die allgemeinen Ausdrücke der scholastischen Philosophie haben sehr viel Ähnlichkeit mit den Zahlen – daher ihr mystischer Gebrauch, ihre Personifikation,