Wenn der Repräsentant schon durch die Höhe, auf die er gehoben wird – reifer und geläuterter werden soll, wie viel mehr der einzelne Regent? Wären die Menschen schon das, was sie sein sollten und werden können – so würden alle Regierungsformen einerlei sein ... die Menschheit würde überall einerlei regiert, überall nach den ursprünglichen Gesetzen der Menschheit. Dann aber würde man am Ersten die schönste, poetische, die natürlichste Form wählen – Familienform – Monarchie, – Mehrere Herrn – mehrere Familien. Ein Herr – Eine Familie!
Jetzt scheint die vollkommene Demokratie und die Monarchie in einer unauflöslichen Antinomie begriffen zu sein – der Vorteil der Einen durch einen entgegengesetzten Vorteil der Andern aufgewogen zu werden. Das junge Volk steht auf der Seite der erstern, gesetztere Hausväter auf der Seite der zweiten. Absolute Verschiedenheit der Neigungen scheint diese Trennung zu veranlassen. Einer liebt Veränderungen – der Andre nicht. Vielleicht lieben wir alle in gewissen Jahren Revolutionen, freie Konkurrenz, Wettkämpfe und dergleichen demokratische Erscheinungen. Aber diese Jahre gehn bei den Meisten vorüber – und wir fühlen uns von einer friedlicheren Welt angezogen, wo eine Zentralsonne den Reigen führt, und man lieber Planet wird, als einen zerstörenden Kampf um den Vortanz mitkämpft. Man sei also nur wenigstens politisch, wie religiös, tolerant – man nehme nur die Möglichkeit an, daß auch ein vernünftiges Wesen anders inklinieren könne als wir. Diese Toleranz führt, wie mich dünkt, allmählich zur erhabenen Überzeugung von der Relativität jeder positiven Form – und der wahrhaften Unabhängigkeit eines reifen Geistes von jeder individuellen Form, die ihm nichts als notwendiges Werkzeug ist. Die Zeit muß kommen, wo politischer Entheism und Pantheism als notwendige Wechselglieder aufs innigste verbunden sein werden.
IV. Teplitzer Fragmente
1. Gefühl des Gefühls ist schon Empfindung; Empfindung der Empfindung u. s. fort.
2. Jedes Glied des Körpers ist aller Krankheiten fähig, denen eins seiner Mitglieder unterworfen ist.
3. Meister ist reiner Roman; nicht wie die andern Romane mit einem Beiworte. Historische Ansicht Meisters.
4. Noten an den Rand des Lebens.
5. Thetische Bearbeitung des neuen Testaments oder der christlichen Religion. – Ist die Umarmung nicht etwas dem Abendmahl Ähnliches? Mehr über das Abendmahl.
6. Mystizismus des gesunden Menschenverstandes. (Steinbart [Kleinjogg]). Campe. Asmus. Plurimi.)
7. Individuelles; selbstgegebner Name jedes Dings.
8. Noten zum täglichen Leben. Über das Schlafengehn, das Müßiggehn, Essen. Abend, Morgen, das Jahr. Die Wäsche. Tägliche Beschäftigungen und Gesellschaften. Umgebung, Meublement, Gegend und Kleidung etc.
9. Überschriften zu den Fragmenten. Was soll ein Titel sein? ein organisches, individuelles Wort, oder eine genetische Definition, oder der Plan, mit Einem Worte, eine allgemeine Formel. Er kann aber noch mehr sein und noch etwas ganz anders.
10. Wo ist der Urkeim, der Typus der ganzen Natur zu finden? Die Natur der Natur?
11. Jedes spezifische Faktum ist Quell einer besondern Wissenschaft.
12. Was ist der Bauer?
13. Was haben mehrere Menschen zusammen für eine Misch- oder Mittelkonstitution, Gesundheit, Krankheit? Kann man sie zusammen als Ein Individuum nach den Indikationen dieser komponierten Krankheit kurieren?
14. Die Forderung, die gegenwärtige Welt für die Beste und die absolut Meine anzunehmen, ist ganz der gleich, meine mir angetraute Frau für die Beste und Einzige zu halten, und ganz für Sie und in ihr zu leben. Es gibt noch viele ähnliche Fordrungen und Ansprüche, deren Anerkennung derjenige zur Pflicht macht, der einen für immer entschiednen Respekt für alles, was geschehn ist, hat – der historisch religiös ist, der absolute Gläubige und Mystiker der Geschichte überhaupt, der echte Liebhaber des Schicksals. Das Fatum ist die mystifizierte Geschichte. Jede willkürliche Liebe, in der bekannten Bedeutung, ist eine Religion, die nur Einen Apostel, Evangelisten und Anhänger hat und haben und Wechselreligion sein kann – aber nicht zu sein braucht.
Wo der Gegenstand die Eifersucht seiner Natur nach ausschließt, so ist es die christliche Religion, die christliche Liebe.
15. Begriff von Philologie: Sinn für das Leben und die Individualität einer Buchstabenmessung. Wahrsager aus Chiffern; Letternaugur. Ein Ergänzer. Seine Wissenschaft entlehnt viel von der materialen Tropik. Der Physiker, der Historiker, der Artist, der Kritiker etc. gehören alle in dieselbe Klasse. (Weg vom Einzelnen aufs Ganze – vom Schein auf die Wahrheit et sic porro. Alles befaßt die Kunst und Wissenschaft, von Einem aufs Andere, und so von Einem auf Alles, rhapsodisch oder systematisch zu gelangen; die geistige Weisekunst, die Divinationskunst.)
16. Nichts ist dem Geist erreichbarer, als das Unendliche.
17. Sofie, oder über die Frauen.
18. Vorrede und Motto zu den Fragmenten.
19. Verhältnisse des Titels, Plans und Inhaltsverzeichnisses. Notwendigkeit einer Nachrede.
20. Ist der äußere Reiz vielleicht nur zur Bewußtwerdung nötig? – Die Wirkung erfolgt jetzt nicht, sondern wir werden sie uns jetzt nur bewußt. – Es kommt uns vor, als geschähe es erst jetzt – und zwar durch Sollizitation von außen. Der Verstand trennt nur zum Behuf seines Zwecks des Trennens [B(ewußt)S(seins)].
21. An schlechten und mittelmäßigen Schriftstellern ließe sich noch mancher schöne Kranz verdienen. Man hat bisher fast lauter Schlechtes und Mittelmäßiges über dieselben – und doch würde eine Philosophie des Schlechten, Mittelmäßigen und Gemeinen von der höchsten Wichtigkeit sein.
22. Ein Roman ist ein Leben als Buch. Jedes Leben hat ein Motto, einen Titel, einen Verleger, eine Vorrede, Einleitung, Text, Noten etc., oder kann es haben.
23. Philologie im Allgemeinen ist die Wissenschaft der Literatur. Alles, was von Büchern handelt, ist philologisch. Noten, Titel, Mottos, Vorreden, Kritiken, Exegesen, Kommentare, Zitaten sind philologisch. Rein philologisch ist es, wenn es schlechterdings nur von Büchern handelt, sich auf solche bezieht und sich durchaus nicht auf die Originalnatur direkte wendet. Mottos sind philologische Texte. – Sie ist teils philosophisch, teils historisch; jenes ist ihr reiner Teil, dies ihr angewandter. Gelehrter im strengen Sinn ist nur der Philolog. Diplomatie ist philologisch, – die Historie auch.
24. Philosophie des Lebens enthält die Wissenschaft vom unabhängigen, selbstgemachten, in meiner Gewalt stehenden Leben – und gehört zur Lebenskunstlehre, oder dem System der Vorschriften, sich ein solches Leben zu bereiten. Alles Historische bezieht sich auf ein Gegebnes, so wie gegenteils alles Philosophische sich auf ein Gemachtes bezieht. – Aber auch die Historie hat einen philosophischen Teil.
25. Unsere Meinung, Glaube, Überzeugung von der Schwierigkeit, Leichtigkeit, Erlaubtheit und Nichterlaubtheit, Möglichkeit und Unmöglichkeit, Erfolg und Nichterfolg etc. eines Unternehmens, einer Handlung bestimmt in der Tat dieselben. Z. B., es